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Tannhäuser light in Düsseldorf

9. Mai 2013

Nach dem Opernbesuch in ärztliche Behandlung: Dieses Schicksal erlitten Premierenbesucher der "Tannhäuser"-Aufführung in Düsseldorf - wegen drastischer Nazi- und Holocaust-Szenen. Nun zog die Opernleitung die Notbremse.

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Szene aus der umstrittenen Tannhäuser-Oper in Düsseldorf (Foto: Hans Jörg Michel)
Bild: Hans Jörg Michel

Die Rheinoper in Düsseldorf hat die umstrittene "Tannhäuser"-Inszenierung mit drastischen Nazi- und Holocaust-Szenen nach massiven Protesten praktisch abgesetzt. Die Oper von Richard Wagner werde nur noch als Konzert aufgeführt, kündigte die Oper an. Die Abänderung einzelner Szenen habe Regisseur Burkhard C. Kosminski "aus künstlerischen Gründen" abgelehnt. Am Donnerstag sollte es die erste konzertante Aufführung geben.

Die Opern-Leitung sei sich im Vorfeld darüber im Klaren gewesen, dass das Konzept und die szenische Umsetzung des "Tannhäuser" kontrovers aufgenommen würden, hieß es in einer Mitteilung. "Mit allergrößter Betroffenheit reagieren wir jedoch darauf, dass einige Szenen, insbesondere die sehr realistisch dargestellte Erschießungsszene, für zahlreiche Besucher sowohl psychisch als auch physisch zu einer offenbar so starken Belastung geführt haben, dass diese Besucher sich im Anschluss in ärztliche Behandlung begeben mussten." Eine so extreme Wirkung könne die Oper nicht verantworten.

Regisseur spricht von einer Art Zensur

Die Premiere des "Tannhäuser" hatte am vergangenen Samstag wegen der krassen Darstellung von Nazi-Morden und Tod in Gaskammern Empörung bei vielen Zuschauern ausgelöst. Rheinoper-Intendant Christoph Meyer hatte sich bestürzt über die heftigen Reaktionen gezeigt, aber zunächst weiter zu der Inszenierung gestanden.

Opernintendant Christoph Meyer (Foto:picture-alliance/dpa)
Opernintendant Christoph MeyerBild: picture-alliance/dpa

Kosminski zeigt sich unterdessen schockiert und sprach in der Tageszeitung "Mannheimer Morgen" von einer "Art Zensur". Er habe bei Intendant Meyer den Wunsch geäußert, "in eine sachliche Diskussion einzusteigen und dadurch die in beide Richtungen aufgebrachten Gemüter zu beruhigen". Der Vorschlag sei jedoch nicht gehört worden.

Er wolle klarstellen, "dass ich in keinem Moment die furchtbaren Verbrechen des Nationalsozialismus als Selbstzweck oder billiges Mittel, einen Skandal zu provozieren, benutzt habe. Ich will nicht die Opfer verhöhnen. Ich will die Opfer beklagen. Das Kernthema sind Schuld und Erlösung." Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass diese Inszenierung eine Kontroverse auslösen würde. "Mit einem Skandal hat keiner gerechnet", sagte der Regisseur.

Szene aus der umstrittenen Tannhäuser-Oper in Düsseldorf (Foto: Hans Jörg Michel)
So werden die Opernbesucher den Düsseldorfer "Tannhäuser" nicht mehr zu sehen bekommenBild: Hans Jörg Michel

In einer ersten Reaktion zeigte die jüdische Gemeinde Verständnis für die Entscheidung der Rheinoper. "Es besteht die Gefahr, dass das Leid der Opfer durch eine inflationäre Verwendung von NS-Symbolik bagatellisiert wird. Da muss man sehr sensibel sein", sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden von Nordrhein, Oded Horowitz. Er betonte jedoch, die Gemeinde wolle sich grundsätzlich nicht in künstlerische Belange einmischen. Die jüdische Gemeinde Düsseldorf hatte das Stück "geschmacklos" genannt, allerdings keine Absetzung der Wagner-Oper gefordert.

"Verantwortliche werden das sehr genau abgewogen haben"

Vertreter der Düsseldorfer Kulturpolitik äußerten ebenso Verständnis. Der Zeitung "Rheinische Post" sagte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe (CDU), er respektiere die Entscheidung: "Die Verantwortlichen werden das sehr genau abgewogen haben." Der Vorsitzende des Düsseldorfer Schauspiel-Freundeskreises, Hans-Michael Strahl, der selbst den Premierenabend besucht hatte, sagte der Zeitung, es sei schade, dass Opernbesucher sich nun keine eigene Meinung mehr über das Stück bilden könnten. Es sei aber letztlich Sache der Oper, abzuschätzen, ob sie die Inszenierung mit ihrer starken psychischen Wirkung weiter verantworten könne.

Kulturdezernent Hans-Georg Lohe (Foto: picture-alliance/dpa)
Kulturdezernent Hans-Georg LoheBild: picture-alliance/dpa

sti/kle (dpa, afp)