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Klimafreundlich tanken

8. März 2012

Obst- und Gemüsereste von Großmärkten sind weit mehr als wertloser Abfall. Statt auf dem Kompost sollen sie zukünftig in Form von Biogas in den Tanks von Autos landen.

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ILUSTRATION - Der Zapfhahn einer Zapfsäule für Gas steckt am 05.11.2009 an einer Tankstelle in Meppen (Landkreis Emsland) im Tankstutzen eines Autos. Am Auto ist zur Illustration ein Biogas-Schild angebracht worden. Der Meppener Hermann Rugen will mit seiner Firma Corntec die Biogas-Tankstellen-Infrastruktur in Deutschland ausbauen. Das Biogas wird aus dem nachwachsenden Rohstoff Mais gewonnen. Foto: Friso Gentsch dpa/lni (zu dpa/lni-Korr.: "«Pack den Acker in den Tank» - Biogas für Autos" vom 01.01.2010) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Biogas TankstelleBild: picture-alliance/dpa

Benzin und Diesel erreichen Rekordpreise. Nie war das Tanken teurer. Viele Autofahrer wechseln deshalb zum Erdgasantrieb. Aber auch das gehört zu den fossilen Brennstoffen, deren Reserven begrenzt sind. So könnte Biogas eine nachhaltige Alternative sein – vor allem, wenn es aus Lebensmittelabfällen produziert würde.

Vom Markt und von der Mensa in den Tank

In Deutschland wird Biogas aus Essensresten und Biomüll schon jetzt immer häufiger zum Heizen und zur Stromproduktion genutzt. Ein Projekt am Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart will zeigen, dass Energie aus Lebensmittelabfällen auch Autos antreiben kann. In diesen Tagen nehmen Forscher eine erste Pilotanlage in Betrieb, in der Obst- und Gemüseabfälle vom nahe gelegenen Stuttgarter Großmarkt, aber auch von Mensen und Kantinen vergoren werden. In einem zweistufigen Prozess produzieren verschiedene Mikroorganismen innerhalb weniger Tagen Methan. Dieses Biogas wird in Hochdruckflaschen gepresst und kann als Treibstoff dienen.

In dieser Stuttgarter Anlage wird aus Abfällen von Großmärkten Biogas hergestellt. http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2012/februar/kraftstoff-aus-marktabfaellen.html
In dieser Stuttgarter Pilotanlage vom Fraunhofer Institut wird aus Martkabfällen BiogasBild: Fraunhofer IGB

Salat und Zitrone: Die Mischung macht's

"Die Abfälle enthalten viel Wasser und wenig verholzte Teile, sie sind daher ideal für das Vergären", sagt die Forscherin Ursula Schließmann. Allerdings setzen sich die Abfälle jeden Tag anders zusammen. Manchmal bleiben beispielsweise viele Salatköpfe für die Verwertung übrig, manchmal Zitrusfrüchte, die viel Säure enthalten. Die Forscher müssen den pH-Wert des Materials vor der Verarbeitung in der Anlage anpassen. Dafür wird die Ausschussware in verschiedenen Vorratsbehältern gelagert, wo Parameter wie der pH-Wert bestimmt werden. "Das dazu entwickelte Managementsystem errechnet, wie viel Liter des Abfalls aus welchen Behältern gemischt und zu den Mikroorganismen gegeben werden", erklärt Ursula Schließmann. Das Gleichgewicht muss erhalten bleiben, damit die Mikroorganismen immer gleiche Umgebungsbedingungen haben.

Alles wird verwertet

Neben dem Biogas werden das flüssige Filtrat sowie der Rest, der nicht vergoren werden kann, in anderen Projekten verwertet. Das Filtratwasser, das Stickstoff und Phosphor enthält, dient als Nährmedium für eine Algenkultur, die ein Ersatzöl für Dieselmotoren produzieren kann. Der Gärschlamm wird in einem anderen Prozess in Methan umgewandelt. So wird der ganze Biomüll verwertet.

Das Biogas aus der Stuttgarter Anlage soll bald in Versuchsfahrzeugen getestet werden. Das Projekt mit dem Namen Etamax wird mit sechs Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Ein Fleischberg, aufgenommen in Hamburg in einer Szene des Kinofilms «Taste the Waste» (undatierte Filmszene). Der Dokumentarfilm, der den Umgang mit Lebensmitteln thematisiert, kommt am Donnerstag (08.09.2011) in die deutschen Kinos. Foto: W-Film (zu dpa-Kinostarts vom 01.09.2011 - ACHTUNG: !!!!!!!!!!!!!!!Verwendung nur für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Film und bei Nennung der Quelle) !!!!!!!!!!!!!!!!! +++(c) dpa - Bildfunk+++
Verschwendung: Weltweit landet die Hälfte der Lebensmittel auf dem MüllBild: W-Film

Müllvermeidung statt Müllverwertung

Da die Anlage mit Abfällen betrieben wird, entsteht keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion wie bei der Herstellung von Ethanol aus Mais oder anderen Pflanzen. Denn die ist stark in die Kritik geraten, unter anderem, weil der Nahrungsmittelproduktion wertvolle Ackerfläche entzogen wird.

In Bioabfall, der häufig bestenfalls auf dem Kompost landet, steckt sehr viel Energie, die in Form von Biogas sinnvoll genutzt werden kann, sagen auch Umweltschutzorganisationen wie der BUND. Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer der Organisation in Baden-Württemberg, wo sich die neue Anlage befindet, warnt allerdings vor der Gefahr, dass solche Anlagen die Nachfrage für "Marktmüll" erhöhen könnten. Studien haben ergeben, dass weltweit rund die Hälfte der Lebensmittel – bis zu 20 Millionen Tonnen pro Jahr, allein in Deutschland – heute im Müll landen.

"Das Ziel wäre eigentlich, dass möglichst wenig Müll auf dem Markt anfällt“, sagt Umweltexperte Fließ. Außerdem plädiert er für die Entwicklung von leichteren, sparsameren Autos sowie den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, um den Verbrauch begrenzter Ressourcen wie Öl und Erdgas zu reduzieren und das Klima zu schonen. Die Entwicklung alternativer Treibstoffe dürfe nicht dazu verleiten, das Gebot des Energiesparens zu vernachlässigen.

Autor: Irene Quaile
Redaktion: Gudrun Heise/Tobias Oelmaier