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Taliban im Vormarsch

Thomas Bärthlein6. Februar 2009

Bislang galten nur die pakistanischen Grenzgebiete zu Afghanistan als Hochburg der Taliban. Doch offenbar haben militante Extremisten auch das Swat-Tal unter Kontrolle. Bis Islamabad sind es von dort nur 150 Kilometer.

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Zerstörtes Haus (Quelle; DPA)
Eine Schule im Swat-Tal, zerstört von islamischen ExtremistenBild: picture-alliance / dpa

Maulana Fazlullah ist der neue Herrscher über Swat. Fazlullah, der mit seiner Miliz zur pakistanischen Taliban-Bewegung gehört, ist auch unter dem Spitznamen "Radio Mullah" bekannt, denn seit Jahren betreibt er einen illegalen UKW-Radiosender, um in Swat seine fundamentalistische Version des Islam zu predigen.

Aber die Taliban benutzen das Radio auch, um sehr weltliche Macht auszuüben: So verlas Fazlullah am letzten Wochenende auf dem Sender eine Art "Steckbrief" mit den Namen von vierzig Personen, darunter Minister und Abgeordnete, die die Taliban vor Gericht stellen wollen. Morde an Gegnern der Extremisten sind an der Tagesordnung, während sich die Armee vor allem nachts in ihren Camps verschanzt.

Mädchenschulen geschlossen

Zerstörung (Quelle: DPA)
Die Handschrift der Islamisten: Spuren eines Selbstmordanschlags im Swat-TalBild: AP

"Das gesamte Swat-Tal scheint inzwischen in der Hand der Militanten zu sein", sagt der pakistanische Journalist Ahmed Rashid, ein international anerkannter Experte für die Taliban und Autor mehrerer Bücher, "mit Ausnahme einer Reihe von Armee-Camps, eins davon in der größten Stadt, Mingora. Aber auf dem Land scheinen die Militanten das Sagen zu haben." Die Taliban hätten ein Ultimatum gestellt, wonach bis zum 15. Januar alle Mädchenschulen schließen sollten. "Das scheint passiert zu sein", sagt Rashid: "Alle Mädchenschulen in Swat, die nicht ohnehin schon zerstört waren, wurden zugemacht. Und die Armee hat nichts unternommen, um das zu verhindern."

In Swat stehen geschätzten viertausend Taliban-Kämpfern vier Brigaden der pakistanischen Armee mit zwölf- bis vierzehntausend Soldaten gegenüber. Trotzdem haben es die Truppen auch nach monatelangen Kämpfen nicht geschafft zu verhindern, dass die Taliban die Region de facto kontrollieren.

Hauptfeind Indien?

Soldat (Quelle: DPA)
Für die pakistanische Armee war Indien lange der einzige FeindBild: AP

Ahmed Rashid kritisiert, dass die pakistanische Armee und Regierung immer noch kein Konzept zur Aufstandsbekämpfung entwickelt hätten: "Das Problem ist, dass die pakistanische Armee nicht für die Aufstandsbekämpfung ausgebildet ist, sondern für einen konventionellen Krieg gegen Indien. Die Amerikaner haben in den vergangenen sechs Monaten immer wieder Ausbildungsangebote gemacht, aber die Armee hält daran fest, dass sie kein Training zur Aufstandsbekämpfung brauche, denn die Hauptbedrohung sei die durch Indien."

Diese Wahrnehmung, dass, egal ob Teile des eigenen Landes außer Kontrolle geraten, der "eigentliche" Feind in Indien sitzt, wird der pakistanischen Armee jetzt in zweierlei Hinsicht zum Verhängnis: Einerseits fehlt es an Entschlossenheit im Kampf gegen die Taliban, die vom pakistanischen Sicherheits-Establishment über Jahre aus außenpolitischem Kalkül gefördert wurden.

Zivile Opfer nützen den Taliban

Und andererseits fehlt es der Armee schlicht an den nötigen Fertigkeiten, so Ahmed Rashid: "Leider ist in den Stammesgebieten und in Swat zu beobachten, dass die Armee eine Offensive startet, Bomben wirft, ein paar Militante und eine Menge Zivilisten tötet, aber dann nicht imstande ist, das eroberte Territorium zu halten, und schon gar nicht, dort Wiederaufbauarbeit zu leisten. Die Konsequenz ist, dass die Militanten dann einfach zurückkommen."

Zivile Opfer verschaffen den Taliban neuen Zulauf, während das kurzatmige und inkonsequente Vorgehen der Armee und der Politiker die Extremisten nicht eindämmen kann. Für diese Unentschlossenheit steht in diesen Tagen noch ein anderes Beispiel: Jamaat ud-Dawa.

Islamisten mit großer Organisation

Brennendes Hotel (Quelle: AP)
Für den Anschlag auf das Taj-Hotel in Bombay soll die islamistische Lashkar-e-Tayyaba verantwortlich seinBild: AP

Die islamistische Wohlfahrtsorganisation gilt als Tarnorganisation für die Terroristen von Lashkar-e-Tayyaba, denen das tagelange Geiseldrama in Bombay im November genauso zur Last gelegt wird wie der Anschlag auf das indische Parlament im Jahr 2001. Pakistan hat in den vergangenen Wochen nur auf massiven ausländischen Druck hin Jamaat ud-Dawa verboten und einige Anführer inhaftiert.

Ahmed Rashid erklärt das Zögern der Behörden auch mit der schieren Größe der Organisation: "Es handelt sich zweifellos sowohl um die größte militante als auch um die größte Wohlfahrtsorganisation im Land. Es ist auch die am besten organisierte Institution, mit Niederlassungen überall. Wir haben es hier mit einer gewaltigen Herausforderung zu tun." 2001 habe Pakistans Machthaber General Musharraf die Lashkar-e-Tayyaba nach dem Anschlag auf das indische Parlament zwar verboten. Aber dieses Verbot sei nie in die Tat umsetzten worden. "Die Gruppe hat sich seitdem weiter entfaltet."

Konsequentes Vorgehen gefragt

Immerhin hat die pakistanische Regierung das Hauptquartier von Jamaat ud-Dawa in Muridke bei Lahore am Wochenende unter staatliche Aufsicht gestellt, nachdem die Islamisten bislang trotz des Verbots offen weiter operieren konnten. Aber noch ist unklar, ob auch das nur wieder eine Geste fürs Ausland ist, oder ob Pakistan jetzt konsequenter gegen Extremisten vorgehen wird.