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Catrin Möderler
1. Januar 1970

Auch wenn sie mittlerweile Konkurrenz durch das Internet bekommen hat, ist die Tageszeitung nach wie vor ein journalistischer Dauerbrenner - ob nun regional oder überregional, ob höchst seriös oder als Boulevardblatt.

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Deutsche Tageszeitungen an einem Kiosk
Bild: imago/Ralph Peters

Sprecherin:

Für unzählige Menschen überall auf der Welt gehört sie so notwendig zum Tag wie die Morgentoilette oder die Nahrungsaufnahme: die tägliche Zeitung. Pünktlich zum Frühstück versorgt sie interessierte Leserinnen und Leser mit Neuigkeiten und Hintergründen aus dem eigenen Land und der Welt. Das Wort Zeitung kommt vom spätmittelhochdeutschen "ziding", "Kunde", "Nachricht", "Botschaft" und bezeichnet eine regelmäßig erscheinende Druckschrift mit aktuellen Nachrichten und Berichten.

Sprecher:

Je nach Erscheinungshäufigkeit heißen diese Druckschriften Tageszeitung oder Wochenzeitung. Ungefähr dreihundert verschiedene Tageszeitungen erscheinen allein in Deutschland. Eine Zeitung, die sich schwerpunktmäßig mit den Geschehnissen der Region beschäftigt, in der sie erscheint, bezeichnet sich als regional. Zeitungen, die ohne regionalen Schwerpunkt über die Ereignisse des ganzen Landes und der Welt berichten, bezeichnen sich als überregional.

Sprecherin:

Joachim Westhoff leitet eine große regionale Tageszeitung in der ehemaligen Bundeshauptstadt, den "Bonner Generalanzeiger". Ein großes Team sorgt zusammen mit ihm dafür, dass die Region zwischen Köln und Koblenz täglich aktuell mit Nachrichten versorgt wird:

Joachim Westhoff:

"Wir, das sind etwa hundert Redakteurinnen und Redakteure – oder das Redaktionsteam –, die nicht nur in der Zentrale natürlich arbeiten, sondern auch in den jeweiligen Lokalredaktionen in Siegburg oder in Honnef, und 'wir', das sind natürlich noch eine viel größere Anzahl von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ständig für uns beschäftigt sind. 'Wir', das ist natürlich auch die Technik, das Verlagswesen – alles das, was zu einer Zeitung hinzugehört. Und 'wir', das sind eine sehr viel größere Zahl von Zeitungszustellern, die bei Wind und Wetter und jeden Morgen diese Zeitung auszutragen haben."

Sprecherin:

Redakteur beziehungsweise weiblich Redakteurin ist die Berufsbezeichnung für Menschen, die bei Zeitung, Hörfunk oder Fernsehen Verantwortung für die einzelnen Themenkreise oder Sendungen tragen. Redakteure wählen die Artikel und Beiträge aus, die gedruckt oder gesendet werden. Die Lokalredaktion kümmert sich speziell um die Themen rund um den Heimatort der Zeitung. Das Wort Redaktion leitet sich vom lateinischen Verb "redigere", "in Ordnung bringen", ab. Das deutsche Leihwort redigieren bedeutet dementsprechend, einen Text auf Fehler hin zu untersuchen. Die Arbeit der Redakteurinnen und Redakteure spielt sich dabei hauptsächlich in den Räumen der Zeitung oder der Sendeanstalt ab.

Sprecher:

Informationen an unterschiedlichen Orten zu sammeln, ist dagegen die Aufgabe von Reporterinnen oder Reportern. Abgeleitet vom lateinischen "reportare", "zurücktragen", bezeichnet der Begriff die Tätigkeit von Journalistinnen oder Journalisten, vor Ort gesammelte Informationen in Form eines Artikels oder Beitrags in die Redaktion zurückzubringen. Die Tätigkeitsfelder sind dabei nicht streng voneinander abgegrenzt. Ein Redakteur kann, je nach Bedarf, natürlich auch Einsätze als Reporter absolvieren und umgekehrt.

Sprecherin:

Bis eine Zeitung schließlich gedruckt werden kann, man sagt auch, bis sie in den Druck geht, liegt ein langer Arbeitstag hinter den zuständigen Redakteurinnen und Redakteuren. Da möglichst viele aktuelle Ereignisse des Tages schon am nächsten Tag in der Zeitung stehen sollen, fällt der so genannte Redaktionsschluss, der Moment, zu dem endgültig feststehen muss, was gedruckt wird, erst in die späten Abendstunden. Bis dahin müssen die Redakteure, zum Beispiel Michael Nickels von der Sportredaktion des "Bonner Generalanzeigers", an ihren Arbeitsplätzen das aktuelle Geschehen verfolgen.

Michael Nickels:

"Die Sportredaktion ist besetzt von 11 Uhr vormittags bis etwa 23 Uhr, 23.30 Uhr in den Abend. Und da wird halt alles das verarbeitet, was auf lokaler Ebene anfällt im sportlichen Bereich und was überregional vonstatten geht. Das heißt, beispielsweise die Telekom-Baskets, das ist unser Basketball-Aushängeschild in Bonn, spielt im Play-off Viertelfinale gegen Leverkusen. Da werden wir einen großen Teil unserer Arbeit konzentrieren. Und es geht in der Tat wirklich bis zum Fußball, Kreisliga, oder um Marathon."

Sprecherin:

Die einzelnen nach Themen gegliederten Redaktionen einer Zeitung heißen Ressorts. Die Bezeichnung leitet sich ab vom mittelfranzösischen "ressortir", "in einen Zuständigkeitsbereich gehören". Das immer beliebte und viel beachtete Ressort "Sport" ist meistens in der zweiten Hälfte einer Tageszeitung vertreten. Die allererste Seite wird immer vom Ressort "Politik" gefüllt. Wie Hubert Kleine-Stegemann, Politikredakteur beim "Bonner Generalanzeiger", zugibt, allerdings auch mit sportlichem Ehrgeiz:

Hubert Kleine-Stegemann:

"Wir haben einige Ereignisse gehabt, bei denen haben wir ganz knapp vor der Konkurrenz die Nase vorn gehabt. Ich denke an die Geiselbefreiung von Mogadischu, ich denke an den Kriegsausbruch am Golf und ähnliche Dinge."

Sprecherin:

Die viel gebrauchte Redensart die Nase vorne haben ist ein Ausdruck dafür, schneller oder besser als andere zu sein. Sie beruht auf dem Bild eines Pferderennens. Auch wenn mehrere Pferde fast gleichzeitig ins Ziel kommen, hat nur eines gewonnen. Nämlich das, das die Nase vorn hat.

Sprecher:

Auch wenn Schnelligkeit ein wesentliches Kriterium für die Qualität einer Zeitung ist, darf sie nicht auf Kosten der Genauigkeit gehen. Hubert Kleine-Stegemann und seine Kolleginnen und Kollegen vom "Bonner Generalanzeiger" versuchen daher, ihre Berichte so gut wie möglich abzusichern.

Hubert Kleine Stegemann:

"Sich widersprechende Agenturmeldungen beispielsweise prüfen wir dadurch, dass wir Korrespondenten am Ort nachfragen lassen, oder wir recherchieren innerhalb der Redaktion, entweder im Internet oder eben beim üblichen Quellen-Telefonieren, das heißt, man ruft die Quelle selber an, aus der diese Nachricht stammt."

Sprecherin:

Die Recherche ist der zentrale Bestandteil der Arbeit von Journalisten. Abgeleitet vom französischen "rechercher", "durchstreifen", "suchen", bedeutet recherchieren, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, Nachforschungen anzustellen. Recherchen an weit entfernten Orten erledigen oftmals die Korrespondenten. Der Begriff leitet sich vom mittellateinischen "correspondere", "in Briefkontakt stehen" ab. Korrespondenten sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter einer Redaktion, die ihren Standort in einer anderen Stadt oder in einem anderen Land haben, um die Ereignisse dort aus eigener Anschauung an ihre Heimatredaktion zu berichten. So hat jede große deutsche Zeitung zum Beispiel einen oder mehrere Korrespondenten in Amerika.

Sprecher:

Außer auf die Recherchen ihrer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann jede Zeitung noch auf eine ganz wesentliche Informationsquelle zurückgreifen: Die Nachrichten-Agenturen. Unzählige Agenturmitarbeiter in aller Welt liefern sekündlich Meldungen, die von allen Redaktionen ständig per Computer abgerufen werden können. Zeitungsleser erkennen Agenturmeldungen daran, dass sie nicht mit einem Autorennamen gekennzeichnet sind, sondern mit dem Kürzel einer Nachrichtenagentur. So steht "dpa" zum Beispiel für die "Deutsche Presse-Agentur", "AP" dagegen für die amerikanische Nachrichten-Agentur "Associated Press".

Hubert Kleine-Stegemann:

"Die Rolle der Nachrichtenagenturen ist sehr wesentlich bei unserer Zeitung, wenngleich wir selbstverständlich dem eigenen Korrespondenten Vorrang geben. Aber die Nachrichtenlage in der Welt ist so groß und so weit, dass man auf Nachrichtenagenturen nicht verzichten kann, und ein großer Teil unserer Berichterstattung basiert auf den Nachrichten der Nachrichtenagenturen."

Sprecherin:

Neben den Meldungen aus Politik und Zeitgeschehen gehört auch die Kultur zu den klassischen Ressorts einer Zeitung. Beim "Bonner Generalanzeiger" ist Ulrich Bumann für den Kulturteil verantwortlich. Er selber ist Theaterexperte. Aber auf seinen Seiten werden natürlich auch alle anderen Aspekte der Kultur angemessen gewürdigt.

Ulrich Bumann:

"Wir sind großherzig. Wir haben also einen weit gefassten Kulturbegriff. Das reicht also sicher von der klassischen Hochkultur – unser Kulturteil nennt sich im Übrigen immer noch Feuilleton, obwohl er sicher im weiteren Sinne viel eher ein Kulturteil ist – das reicht also von der klassischen Hochkultur, von den großen Ausstellungen, den großen Premieren bis zu Popkonzerten natürlich."

Sprecher:

Der Begriff Feuilleton für den Kulturteil einer Zeitung wird seit dem 19. Jahrhundert auch in Deutschland verwendet. Das französische Wort bedeutet übersetzt so viel wie "kleines Heft". Als eine große Pariser Zeitung ab dem Jahr 1800 ihren Kulturteil als Extra-Beilage, eben als kleines Heft oder Feuilleton herausgab, begann sich das Wort kurz darauf auch in Deutschland als Begriff für den Kulturteil einer Zeitung durchzusetzen und wird seither konsequent in dieser Form verwendet.

Sprecherin:

Während sich das Feuilleton einer Zeitung den schönen Dingen des Lebens widmen darf, hat sich der Wirtschaftsteil mit den harten Zahlen und Fakten des internationalen Geschäftslebens zu beschäftigen. Ein Thema, das vielen Lesern eher Angst macht, weil es manchem zu kompliziert erscheint. Dr. Julian Stech vom "Bonner Generalanzeiger" will mit seiner Wirtschaftsredaktion gerade hier Aufbauarbeit leisten.

Dr. Julian Stech:

"Deutschland leidet ja so ein bisschen darunter, dass das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge nicht besonders ausgeprägt ist. In den Schulen ist Wirtschaftsthema eigentlich ein Thema, was stiefmütterlich behandelt wird, in der Regel bekommen Sie im Gymnasium… die Unterrichtseinheit "Wirtschaft" besteht dann da aus Umweltverschmutzung und Ausbeutung. Aber Wirtschaft ist ja mehr. Einen guten Wirtschaftsredakteur macht aus, dass er dieses Thema Wirtschaft anschaulich und vor allen Dingen verständlich rüberbringt. Wirtschaft ist kein Thema für Fachleute, sondern ist etwas, was jeden angeht und was auch immer für jedermann verständlich dargestellt werden sollte."

Sprecherin:

Etwas oder jemanden stiefmütterlich behandeln ist eine viel gebrauchte Redewendung in der deutschen Sprache. Sie bedeutet "schlecht" oder "nicht sorgfältig genug mit jemandem oder etwas umgehen". Aus nicht geklärten Gründen gilt schon seit dem Mittelalter in Erzählungen und Märchen die Stiefmutter, die zweite Ehefrau eines verwitweten Vaters, als Inbegriff des Bösen, der schlechten Behandlung. Die Redewendung von der stiefmütterlichen Behandlung leitet sich aus diesem Sachverhalt ab.

Sprecher:

Manchmal können die Redakteurinnen und Redakteure des "Bonner Generalanzeigers" nicht vermeiden, das eine oder andere Thema unfreiwillig stiefmütterlich zu behandeln. Nämlich dann, wenn die Flut der Meldungen so groß ist, dass eine Auswahl getroffen werden muss. Auch für Sylvia Binner von der Lokalredaktion immer wieder eine neue Herausforderung.

Sylvia Binner:

"Das ist jeden Tag aufs Neue eine Abwägung und eine schwierige Entscheidung. Denn in letzter Konsequenz gibt es Themen, von denen wir glauben, dass unsere Leser da nicht warten können und nicht warten wollen, die also am nächsten Tag auf jeden Fall auf dem Frühstückstisch liegen müssen, verpackt in Zeitungsseiten. Es gibt andere Themen, wo man dann vielleicht schon mal in den sauren Apfel beißen muss und sagen muss, das hat noch ein bisschen Zeit, das lässt sich noch vertagen, die Geschichte ist morgen noch genauso gut."

Sprecher:

In den sauren Apfel beißen ist eine beliebte Redensart in der deutschen Sprache. Sie bedeutet "etwas widerwillig tun", "etwas widerwillig akzeptieren". Zum ersten Mal nachzuweisen, ist sie in einem Brief des Reformators Martin Luther. Abgeleitet hat er sie vermutlich aus einer Textpassage der Bibel. Im zweiten Buch Moses wird dort berichtet, der ägyptische Pharao habe den Kindern Israel das Leben sauer gemacht, es ihnen also stark erschwert.

Sprecherin:

Manchmal müssen die Redakteurinnen und Redakteure des "Bonner Generalanzeigers" tatsächlich in den sauren Apfel beißen und aus Platzgründen auf das eine oder andere Thema verzichten. Aber nur, um es zu einem anderen Zeitpunkt umso gründlicher nachzuholen. Denn als Zeitungsmacher gilt für sie alle, was ihr Chefredakteur Joachim Westhoff so treffend zusammenfasst. Oder, wie man im Deutschen gerne sagt, auf den Punkt bringt.

Joachim Westhoff:

"Es macht mir Freude, Menschen mit Informationen so zu versorgen, dass sie ein wenig länger wirken, ein wenig deutlicher sind, ein wenig weniger flüchtig sind. Und dazu ist eine Zeitung nun mal eben da. Ich glaube, Zeitungen werden mehr und mehr in eine Richtung gehen müssen, in der sie die Hintergründe beschreiben und tatsächlich diesem schönen Satz gerecht werden, 'das Fernsehen weckt den Appetit, die Zeitung stillt den Hunger'!"

Fragen zum Text

Der ursprünglichen Bedeutung nach bedeutet redigieren...?

1. prüfen

2. in Ordnung bringen

3. zurückkehren

Warum wurde ab 1800 der Kulturteil einer Zeitung auch als kleines Heft (Feuilleton) bezeichnet?

1. weil Kultur unter Napoleon an Bedeutung verloren hat

2. weil eine große Pariser Zeitung ihren Kulturteil als

Extra-Beilage herausgab

3. weil sich Zeitungen aufgrund von Papierknappheit einschränken mussten

Wer in den sauren Apfel beißt,…?

1. tut etwas widerwillig

2. wird lustig

3. verdirbt sich den Magen

Arbeitsauftrag:

Vergleichen Sie drei deutsche Tageszeitungen hinsichtlich Inhalt, Aufbau, Sprache und wahrscheinlicher Leserschaft.

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