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Tadschikistan: Schwache Zivilgesellschaft, mächtiger Staat

1. Februar 2007

Der Beitrag von Nichtregierungsorganisationen zur Demokratisierung in Tadschikistan könnte größer sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Aga-Khan-Stiftung unterstützte Studie zur Zivilgesellschaft in Tadschikistan.

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Staat nimmt NGOs kaum wahr

Weder die Staatsmacht, noch die Bürger des Landes nehmen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Institutionen im Gesellschaftssystem wahr. Zu dem Schluss kommen Experten, die mit Unterstützung der Aga-Khan-Stiftung eine Studie zur Entwicklung der Bürgergesellschaft in Tadschikistan durchgeführt haben. So wissen 40 Prozent der tadschikischen Bürger überhaupt nicht, was NGOs sind und womit sie sich beschäftigen. Kaum ernstgenommen werden die NGOs auch von der Regierung des Landes.

Rustam Babadschanow, der als Experte an dem Projekt beteiligt war, sagte, fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes habe keine Vorstellung davon, was gesellschaftliche Organisationen überhaupt seien. Zudem würden sich viele Vertreter der Zivilgesellschaft oft von persönlichen oder finanziellen und weniger von gesellschaftlichen Interessen leiten lassen. Babadschanow betonte: "Alle sehen nur ihre eigenen Chancen, wenn ein Geldgeber da ist. Und die Organisationen, die gute langfristige Beziehungen zu konkreten Geldgebern pflegen, sind nicht daran interessiert, neue Zielgruppen anzusprechen. Sie haben ihre Aufträge, und sie sind gar nicht daran interessiert, dass ihre Arbeit im Lande bekannt wird."

Suche nach Geldgebern

Experten zufolge sind von 3000 in Tadschikistan registrierten gesellschaftlichen Organisationen nur etwa ein Drittel tatsächlich aktiv. Viele NGOs kann man als "Eintagsfliegen" bezeichnen. Oft werden sie nur für einen einzigen Finanzzuschuss gegründet. Danach stellen sie ihre Arbeit wieder ein. Andere NGOs hingegen würden gerne arbeiten, können aber keine Finanzquellen finden. Vertreter von NGOs geben zu, dass ihre Organisationen schwach und von internationalen Geldgebern abhängig sind. Der Staat unterstützt die Institutionen der Bürgergesellschaft nicht, auch die Geschäftswelt leistet keinen Beitrag zur Zivilgesellschaft.

In diesem Zusammenhang unterstrich Schachlo Dschurajewa, Leiterin der tadschikischen NGO "Jahon", die sich mit verschiedenen Projekten der Zivilgesellschaft beschäftigt: "NGOs arbeiten erfolgreich, wenn sie Zuschüsse von internationalen Organisationen erhalten. Wenn sie diese Mittel verlieren, ist kein Erfolg garantiert. Deswegen ist es richtig, jetzt nach Wegen zu einer Zusammenarbeit mit der Geschäftswelt zu suchen."

Staat und NGOs keine Partner

Vielleicht ist es die Schwäche der Bürgergesellschaft in Tadschikistan, die es der Staatsmacht ermöglicht, NGOs nicht als Partner zu betrachten. Die Staatsmacht verhält sich ihnen gegenüber wie ein Vorgesetzter, dem sie ihre Existenz zu verdanken hat. Laut einer Umfrage benötigen NGOs für ihre Veranstaltungen oft die Erlaubnis der lokalen Behörden. In manchen Fällen verlangen die Beamten für eine positive Entscheidung sogar eine finanzielle Belohnung.

Der Chef des Zentrums für juristische Schulung, Watan Abdurachmanow, sagte dazu: "Wir haben keinen engen Kontakt zur Regierung. Einige NGOs leisten viel bessere Arbeit als die Behörden. Aber der Staat gibt immer wieder zu verstehen, er habe das Sagen und die NGOs hätten sich ihm unterzuordnen. Aber es sollte keine Unterordnung geben, sondern Partnerschaft."

Mangelnde Solidarität unter NGOs

Auch innerhalb von NGOs gibt es viele Probleme. Vertreter gesellschaftlicher Organisationen geben zu, dass ihnen manchmal die Kompetenz fehlt, dass sie das Management nicht regeln und keine Mittel gewinnen können. Der Wettlauf um Gelder führt unter den tadschikischen NGOs oft zu Konflikten, während für die Entwicklung einer Bürgergesellschaft Solidarität und koordinierte Anstrengungen notwendig sind.

Die Leiterin der Wohltätigkeitsorganisation "Avesta", Firusa Abdullajewa, fordert von den NGOs größere Transparenz: "NGOs müssen heute offener für einander sein. Sie haben gemeinsame Probleme, und es wäre leichter, sie gemeinsam zu lösen. Durch Partnerschaft könnten NGOs zu einer gewichtigen Kraft werden."

Nigora Buchari-sade, Duschanbe
DW-RADIO/Zentralasien, 25.1.2007, Fokus Ost-Südost