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TV-Serien Türkei Griechenland

Maria Rigoutsou / Basak Özay28. Februar 2013

"Sila", "Das Mädchen, das ich geliebt habe", und "Süleyman, der Prächtige" sind einige der türkischen Serien, die das Herz der Griechen erobert haben. Sie sind gleichermaßen bei Hausfrauen wie bei Akademikern beliebt.

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Ein Ritter vor einem Sonnenuntergang (Foto: imago/Seskim Photo)
TV Serie Souleyman, der PrächtigeBild: imago/Seskim Photo

"Es tut mir leid, aber jetzt kann ich nicht mit dir telefonieren, 'Süleyman, der Prächtige'  fängt gleich an" - diese Entschuldigung hat sie oft gehört, wenn sie sich mit jemanden verabreden wollte, erzählt Vicky Bechraki. Die 40-jährige Architektin aus Athen hat sich zuerst lustig gemacht über ihre Geschwister, ihre Freunde und ihre Eltern, die türkische Serien regelmäßig im griechischen Fernsehen sehen. Irgendwann mal hat sie dann selber eine Folge der Serie geschaut, und seit einem Jahr wartet sie jeden Abend um 21 Uhr auf die abenteuerliche Geschichten voller Intrigen und die Entwicklungen der leidenschaftliche Liebe zwischen Süleyman, dem türkischen Herrscher im 16. Jahrhundert, und Rossa, der christlichen Sklavin in seinem Harem.

Für Bechraki ist der Erfolg keine Überraschung. "Die Produktion ist viel besser als die entsprechenden griechischen Serien", sagt sie und fügt hinzu, dass außer türkischen nur Wiederholungen alter griechischer Serien laufen, manche sind aus dem Jahr 1985. "Die türkischen Serien sind also was Neues."

Portrait einer weiblichen und eines männlichen Darstellers der TV-Serie Souleyman, der Prächtige (Foto: ifilmtv)
Begeisterung über die Geschichte von der christlichen Sklavin und dem osmanischen SultanBild: ifilmtv

Exporthit TV-Serien

Und sie sind überaus erfolgreich. Die erste türkische TV-Serie wurde im Sommer 2005 auf MEGA TV gesendet. Sie hieß 'Die Grenze der Liebe' und lief zur Hauptsendezeit am Abend. Es ging um die Liebe zwischen einer Türkin und einem Griechen - die wöchentlich ausgestrahlte Serie war ein Straßenfeger und lief drei Jahre lang im griechischen Fernsehen. Das war der Anfang. 2010 startete der Sender ANT TV mit einer neuen Serie: '1001 Nacht'. Das war der Durchbruch. Seitdem zeigen die drei großen Unterhaltungssender MEGA, ANT1 und ALPHA zur Hauptsenderzeit nur noch türkische Serien. Wichtig zu wissen: 2010 war auch das Jahr, in dem die Finanzkrise in Griechenland deutlich spürbar wurde.

"2010 bekamen die großen TV-Sender die ersten ernsthaften finanziellen Probleme, sie hatten kein Geld mehr um neue Serien zu produzieren", sagt Nikos Voulalas, Fernsehkritiker der populären Zeitschrift Athinorama. Die türkischen Serien sind dagegen preiswert, man kann eine Folge schon für 5000 Euro kaufen. Und sie erreichen gute Einschaltquoten, oft über 40 Prozent. "Also haben die drei wichtigsten Unterhaltungssender angefangen, massenweise türkische Serien zu kaufen", erklärt Voulalas.

Die türkischen Serien sind aber nicht nur in Griechenland erfolgreich. Im vergangenen Jahr haben die türkischen Firmen nur durch den Verkauf der Senderechte in über 70 Länder mehr als 100 Millionen US-Dollar eingenommen. Türkische TV-Serien sind mittlerweile ein profitables Exportgut geworden. Ob in den Ländern Ost- und Südosteuropas, im Nahen Osten oder Südostasiens - inzwischen fiebern Millionen Zuschauer tagtäglich den neuen Episoden der türkischen Soaps entgegen.

Menschen posieren in Kostümen aus der Zeit von Souleyman, dem Prächtigen (Foto: DW)
Mitglieder eines Fan-Clubs von Süleyman, dem PrächtigenBild: DW

Imagepflege, aber mit 'richtigen' Werten

Aber nicht nur wirtschaftlich sind sie erfolgreich - auch politisch gewinnen sie immer mehr an Bedeutung. So beabsichtigt etwa das türkische Kulturministerium, TV-Serien finanziell zu fördern. Der Grund: Imagepflege in Ausland. Man nennt das 'soft power'. Auch das britische Time Magazin hat das entdeckt: Neulich schrieb das Blatt, dass die Serien "die versteckte Waffe Erdogans" seien. Sina Kologlu, bekannter Journalist und TV-Kritiker in der Türkei, glaubt, dass die Regierung das Potenzial des kulturellen Einflusses durch die Serien erkannt hat und es nutzen möchte: "Diese Imagepflege macht eigentlich jedes Land. Daher könnte die Regierung auch beabsichtigen, durch solche Serien zu zeigen, wie stark die Türkei ist, oder wie einflussreich das Osmanische Reich war. Es geht darum, die Kultur zu exportieren."

Allerdings wird eine mögliche finanzielle Unterstützung seitens des Staates an die Bedingungen geknüpft. Die wichtigste: Man will nur solche Geschichten subventionieren, die die "Einheit der Familie" besonders achten. Eine Serie, die diese Kriterien nicht erfüllt, ist die auch in der Türkei überaus populäre Staffel 'Süleyman, der Prächtige'. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beklagte, dass diese Geschichte gar nicht der historischen Wahrheit entspreche, denn "die Vorfahren der Türken sind nicht so gewesen, wie sie in der Serie dargestellt werden". Er drohte sogar, gegen die Serie gerichtlich vorzugehen - nahm davon aber Abstand, nicht zuletzt wegen des öffentlichen Widerstands.

Foto einer Moschee (Foto: Sezayi Erken/AFP/Getty Images)
Türkische TV-Serien bieten die Bilder eines exotischen LandesBild: Sezayi Erken/AFP/Getty Images

Der Journalist Sina Kologlu befürchtet, dass dies nur der Anfang sei und die konservative Regierung die Serienlandschaft in der Türkei verändern könnte: "Man könnte versuchen, Themen zu vermeiden, die nicht in den Rahmen der sogenannten 'türkischen Familienstruktur' passen. Das betrifft etwa Alkoholgenuss, das Rauchen von Zigaretten, uneheliche Beziehungen, Ehebruch und anderes. Der Trend geht in diese Richtung."

Trost in der Tristesse des Alltags

Zur Zeit laufen im griechischen Fernsehen sechs türkische Serien. Doch das stößt nicht nur auf Zuspruch. Arbeitslose griechische Schauspieler beschweren sich in Interviews darüber, dass diese preiswerteren Produktionen ihnen die Arbeit wegnehmen. Und das Blatt 'Dimokratia' hat aufgehört, beim Sender ATNT1 Werbespots zu platzieren. Die Begründung: Die Serie 'Süleyman, der Prächtige' sei ein Versuch, die fast 400 Jahre dauernde osmanische Besatzung Griechenlands zu verharmlosen. Sorge über die türkischen Serien äußerte auch der berühmte Komponist Mikis Theodorakis in einem offenen Brief im vergangenen September. "Die provokante Haltung der (griechischen) Sender, die ohne Scham alles Billige senden, was die türkische Propaganda ihnen anbietet, scheint sehr wenige zu beschäftigen", schreibt er.

TV-Serie Souleyman der prächtige (Copyright: imago/Seskim Photo)
Die TV-Soap über den osmanischen Sultan Süleyman und seinen Hof ist in vielen Länder sehr populärBild: imago/Seskim Photo

Die griechischen Zuschauer lassen sich davon aber wenig beeindrucken. Türkische Serien sind nach wie vor ein Straßenfeger. Fernseherkritiker Nikos Voulalas empfiehlt, alles entspannt zu sehen: "Zum Schluss werden alle feststellen, dass es sich hier doch nur um ein harmloses Vergnügen handelt." Und auch die Architektin Vicky Bechraki reagiert gelassen auf die Proteste. "Ich glaube, dass die Griechen sehr zufrieden wären, wenn eine griechische Serie hohe Quoten in der Türkei machen würde. Heute passiert das halt andersherum." 

Vicky Bechraki beendet das Gespräch. Gleich beginnt die neue Folge von 'Süleyman, der Prächtige', die sie auf keinen Fall verpassen will. Die allabendlichen Geschichten aus dem Harem sind für sie nicht zuletzt eine Möglichkeit, wenigstens kurz zu vergessen, dass sie seit zwei Jahren arbeitslos ist.