1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkei vor Neuwahlen

2. Mai 2007

Das türkische Verfassungsgericht hat entschieden: Die erste Runde der Präsidentenwahlen war nicht rechtmäßig. Vorgezogene Parlamentswahlen sollen die Mächte nun wieder ins Gleichgewicht bringen.

https://p.dw.com/p/AL0a
Recep Tayyip Erdogan mit Funktionären seiner Partei (Quelle: AP)
Recep Tayyip Erdogan mit Funktionären seiner ParteiBild: AP

Zur Beendigung der politischen Krise sollen am 22. Juli Neuwahlen abgehalten werden. Das Datum liegt rund einen Monat später als der von der Regierungspartei beantragte Termin, wie der zuständige Parlamentsausschuss am Mittwoch entschied. Nachdem das türkische Verfassungsgericht die erste Runde der Präsidentenwahl am Freitag für ungültig erklärt hatte, hatte die Regierungspartei AKP beantragt, die Parlamentswahl vom 4. November auf den 24. Juni vorzuziehen. Die Ausschuss-Entscheidung muss noch vom Parlament abgesegnet werden, eine Mehrheit gilt jedoch als sicher.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag vorgeschlagen, die Verfassung zu ändern, so dass der Präsident durch das Volk gewählt würde. Außerdem plant er eine Verkürzung der Legislaturperiode des Parlaments von fünf auf vier Jahre und eine Senkung des Wahlalters für Abgeordnete von 30 auf 25 Jahre. Er hoffe, die Reformen könnten noch in dieser Legislaturperiode begonnen werden, sagte Erdogan.

Sechs Abgeordnete zu wenig

Soldatenparade vor Halbmond und Stern(Quelle: AP)
Das Militär droht nicht mehr mit einem StaatsstreichBild: AP

Auslöser der innenpolitischen Unruhen in der Türkei war die erste Runde der Präsidentenwahlen. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP hatte versucht, bei der Wahl des Präsidenten durch das Parlament Außenminister Abdullah Gül durchzusetzen. Dieser war jedoch als einziger Kandidat im ersten Wahlgang knapp an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Die Opposition, die eine schleichende Islamisierung der Türkei fürchtet, boykottierte die Wahl und klagte vor dem Verfassungsgericht, weil bei der zu wenige Abgeordnete anwesend gewesen seien. Die Richter gaben dem Antrag der sozialdemokratischen CHP statt: es seien nur 361 Abgeordnete da gewesen, für eine gültige Wahl hätten es 367 sein müssen.

Die erste Runde der Präsidentenwahl soll nun am Donnerstag im Parlament wiederholt werden. Ob sie danach fortgesetzt werden kann, ist ungewiss. Das Urteil der Verfassungsrichter gibt der Opposition die Möglichkeit, die Wahl erneut zu boykottieren. "Mit dieser Gerichtsentscheidung besteht keine Möglichkeit mehr, dass dieses Parlament den Staatspräsidenten wählt", sagte Oppositionsführer Deniz Baykal. Falls genug Abgeordnete bei der Wahl anwesend sind, wäre eine zweite Runde am 7. Mai möglich, eine dritte – bei der die absolute Mehrheit ausreicht – vier Tage später. Der laizistische Staatschef Ahmed Necdet Sezer scheidet am 16. Mai aus dem Amt.

Machtverhältnisse stabilisieren

Abdullah Gül (Quelle: AP)
Außenminister Abdullah Gül - der große Verlierer?Bild: AP

Außenminister Gül hält an seiner Präsidentschaftskandidatur fest. "Lassen Sie uns zunächst sehen, ob die Abgeordneten nach all diesen Entwicklungen ihre Meinung geändert haben", sagte er im türkischen Fernsehen. Die Zahl seiner Unterstützer könne steigen oder sinken, letztlich plädiere jedoch auch er für vorgezogene Parlamentswahlen. Viele Türken befürchten eine Störung der Machtbalance, sollte der künftige Präsident der religiösen Regierungspartei angehören. Vergangene Woche hatte die Militärführung ihre Sorge über eine Wahl Güls zum Ausdruck gebracht, was als indirekte Putschdrohung verstanden wurde. Am Sonntag demonstrierten Millionen Türken in Istanbul für die Trennung von Staat und Religion. Die Kurse an der Istanbuler Börse brachen am Montag in Folge der Krise ein. Beobachter gehen davon aus, Wahlen könnten die Machtverhältnisse stabilisieren und die Legitimität der Regierung stärken. (ask)