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Südafrika wählt mit Wut im Bauch

Asumpta Lattus / Thuso Kumalo / Katrin Matthaei7. Mai 2014

An diesem Mittwoch wählen die Südafrikaner ein neues Parlament - und damit indirekt einen neuen Präsidenten. Beobachter befürchten, dass die Wahl von sozialen Unruhen überschattet werden könnte.

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Schwarze Südafikaner mit Schutzhelmen lauschen kritisch einer Wahlkampsveranstaltung (Foto: Reuters/Stringer)
Bild: Reuters

Nonqgele Nggakanyana steht an der Ecke einer engen staubigen Straße, die durch den Slum Nkaneng in Marikana in der Nordwest-Provinz Südafrikas führt. Der Minenarbeiter vertritt sich die Beine, andere Kollegen sitzen einfach nur da und warten darauf, dass der Tag zu Ende geht. Nggakanyana und seine Kumpel haben viel Zeit - sie streiken.

Viele von ihnen leben in der Nähe in notdürftigen Wellblechhütten - manche schon seit Jahrzehnten. Sauberes Trinkwasser und Toiletten gebe es nicht, sagt Nggakanyana. Regelmäßig erkranken Bewohner des Slums an Bilharziose, weil sie mit Fäkalien verseuchtes Wasser trinken.

Kinder spielen im Dreck neben einer Platinmine (Foto: Reuters/Siphiwe Sibeko)
Armut neben der Platinmine von MarikanaBild: Reuters

Politische Krise nach eskalierten Streiks

Neben Nggakanyanas Wellblechhütten-Siedlung liegt die Platinmine von Marikana, Arbeitsplatz der meisten Bewohner von Nkaneng. Das Bergwerk des britischen Unternehmens Lonmin erlangte vor zwei Jahren traurige Berühmtheit, als wochenlange Streiks in Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften eskalierten. Polizisten erschossen mehr als 30 Arbeiter, weil die Kumpel sie mit Macheten angegriffen hatten. Die vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geführte Regierung unter Präsident Jacob Zuma hatte sich unfähig gezeigt, zwischen den Gewerkschaften und Lonmin zu vermitteln. Der Vorfall stürzte das Land in eine der größten politischen Krisen seit dem Ende der Apartheid vor 20 Jahren.

Nonqgele Nggakanyana arbeitet seit fünf Jahren in der Mine. Aber derzeit streiken er und seine Kumpel wieder - seit drei Monaten schon. Von der Betreiberfirma Lonmin fordern sie mehr Investitionen in die armselige Arbeitersiedlung und ein Monatsgehalt von 12.500 Rand, umgerechnet 853 Euro. “Der Streik macht mir und meiner Familie zu schaffen. Unsere Lebensbedingungen haben sich verschlechtert", sagt Nggakanyana. Solange er für einen höheren Lohn streikt, bekommt er gar kein Geld.

Polizisten vor erschossenen Minenarbeitern
16. August 2012: Polizisten erschießen streikende Marikana-Kumpel

Frust über die Regierung

Trotzdem: Wie die meisten Minenarbeiter in Nkaneng wird auch er am Mittwoch (07.05.2014) wählen - und zwar den ANC, die Partei Nelson Mandelas. Seit Ende der Apartheid ist der ANC ununterbrochen an der Macht.

Nggakanyanas Kollege Nene Zacharias dagegen gehört zu denen, die kurz vor der Wahl noch nicht wussten, welcher Partei sie ihre Stimme geben. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er in der Lonmin-Mine. Er gibt der ANC-Regierung die Schuld dafür, dass die Forderungen der Kumpel noch nicht erfüllt wurden. Die Regierung müsse endlich auf die Sorgen und Wünsche der Arbeiter eingehen, sagt Zacharias.

Präsident Jacob Zuma reißt die Arme auf einer Wahlkampfveranstaltung hoch (EPA/IHSAAN HAFFEJEE)
Traut sich nicht in manche Gegenden seines Landes: Präsident Jacob Zuma vom ANCBild: picture-alliance/dpa

Das ist nicht die einzige Kritik am ANC. Viele Südafrikaner beschweren sich über die schlechte Regierungsführung und die schlechten Sozialleistungen. Der Frust ist groß, im ganzen Land gibt es regelmäßig Proteste. Massenarbeitslosigkeit, ausufernde Korruption in den Reihen der ANC-Funktionäre und zu wenige gut ausgestattete Schulen für die breite Bevölkerung sind nur einige Gründe für den Frust. Sie könnten viele der rund 24 Millionen südafrikanischen Wahlberechtigten dieses Mal davon abhalten, wie bisher den ANC zu wählen.

ANC bekommt ernstzunehmende Konkurrenz

Einer, der den Wechsel will, ist Abner Nthabeleng. Er führt einen Laden im Einkaufszentrum von Marikana. Er habe den ANC satt, sagt er. "Ich werde die Economic Freedom Fighters wählen, denn ich hoffe auf ein besseres Leben und eine bessere Zukunft", erzählt er im Gespräch mit der DW. Die Economic Freedom Fighters (EFF) - deutsch: wirtschaftliche Freiheitskämpfer - kümmerten sich um die Jugend und ermutigten sie zum Lernen. Er glaube an das Programm der Partei.

Wahlkampf aus Südafrika von Julius Malema (Foto: dpa)
Die wütende Stimme der enttäuschten Jugend: Ex-ANC-Politiker Julius MalemaBild: picture-alliance/dpa

Die EFF werden von Julius Malema angeführt. Der charismatische 34-Jährige leitete früher die Jugendorganisation des ANC. Doch er provozierte immer wieder die Parteiführung - etwa mit seiner vorbehaltlosen Unterstützung für die teils gewaltbereiten Marikana-Kumpel bei den Streiks 2012 - und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Den Frust der schwarzen Bevölkerung nutzt er geschickt aus. Meist zeigt er sich in der Öffentlichkeit martialisch mit einem militärisch anmutenden Barett auf dem Kopf.

Obwohl Umfragen dem ANC mit 60 Prozent Stimmanteil wieder einen deutlichen Sieg voraussagen, erwarten Beobachter diesmal eine hart umkämpfte Abstimmung. Zum einen wird der ANC von der schon etablierten Demokratischen Allianz (DA) herausgefordert. Die Partei wird von Helen Zille angeführt, der Premierministerin der Provinz Westkap. Die DA wird überwiegend von linksliberalen weißen Südafrikanern unterstützt. Zum anderen bekommt der ANC scharfe Konkurrenz von den neu gegründeten Economic Freedom Fighters Malemas.

DA-Vorsitzende Helen Zille auf Wahlkampfveranstaltung (Foto: AP/Themba Hadebe)
Könnte vom Wähler-Frust profitieren: DA-Vorsitzende Helen ZilleBild: picture alliance/AP Images

Angst vor Gewalt

Beobachter fürchten, dass der aufgestaute Frust in Gewalt während der Wahl umschlagen könnte. "Es gibt Probleme in einigen Gegenden, in die sich manche Parteien nicht trauen", sagt etwa Daryl Glaser, Politikwissenschaftler an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. "Im Nordwesten etwa hat Präsident Jacob Zuma einen Wahlkampfauftritt abgesagt, weil er um seine Sicherheit fürchtete." Glaser glaubt trotzdem, dass die Wahl weitestgehend frei und fair verlaufen werde - nicht zuletzt wegen der internationalen Wahlbeobachter.