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Szenen einer Scheinehe

Peter Philipp8. August 2002

Es ist wahrlich keine Liebesbeziehung, die Saudi-Arabien und die USA pflegen, sondern eher eine Zweckgemeinschaft. Selbst diese ist jetzt durch die amerikanischen Drohungen von Militär-Aktionen gegen Irak stark belastet.

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Der König und die Republikaner: Saudi-Arabiens Saud al-Faisal in den USABild: AP

Amerika schaffe sich seine eigenen Feinde, indem es sich überall einmische, anderen Staaten Befehle erteile und in Afghanistan und Palästina "mit Hilfe der Juden Kinder töte". Dr. Muhammad Al-Khasif, der dies kürzlich in einem Interview mit dem qatarischen Fernsehsender "Al Jezira" erklärte, gehört zu jenen saudischen Intellektuellen und religiösen Führern, die - obwohl selbst in den USA ausgebildet - längst die Feindschaft gegen Washington zum Programm erhoben haben und die den Vereinigten Staaten unverhohlen drohen: "Wir werden gegen Amerika kämpfen, und wir werden die Mujahedin aufrufen, Amerika überall in der Welt zu bekriegen."

Solche radikale Wortführer haben es bisher selbst in Saudi-Arabien schwer. Denn sie wenden sich nicht nur gegen die USA, sondern auch gegen das eigene Königshaus, das zu eng mit den Vereinigten Staaten zusammen arbeite. Und einige dieser Extremisten haben deswegen bereits den Zorn des Königshauses zu spüren bekommen und die Bekanntschaft mit saudischen Gefängnissen gemacht. Viel zu wenige aber seien verfolgt und bestraft worden, meinen Beobachter. Das saudische Regime sei allzu lange viel zu nachsichtig gegenüber den Radikalen gewesen. Und es müsse nun die Rechnung dafür bezahlen.

Hort für Terroristen?

Auch Washington macht gegenwärtig diese Rechnung auf. Vorsichtig zwar noch und völlig inoffiziell, aber doch kaum zu übersehen oder zu überhören: "Brauchen wir die Saudis noch?", fragte etwa das "Time Magazine". Es kursiert auch die Vermutung, dass Saudi-Arabien nicht erst seit heute eine Brutstätte des internationalen Terrorismus sei. Ein beträchtlicher Anteil der "Al Qaida" Kämpfer Bin Ladens stammen zum Beispiel aus Saudi-Arabien und werden dort - nicht nur von Oppositionellen - verehrt. Die meisten der Täter des 11. Septembers und auch der Gefangenen in Guantanamo waren und sind Saudis. Das Königreich, meinen Kritiker in den USA, gehöre deswegen eigentlich schon längst ins Lager der Feinde und nicht der Freunde und Verbündeten der USA.

Offiziell schweigt man freilich in Washington. Oder versucht abzuwiegeln: Die saudisch-amerikanische Freundschaft sei ungebrochen. Dabei weiß man natürlich längst, dass die jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe gegenüber Riad so unwahr nicht sind.

Die Solidarität und Freundschaft mit den USA rührt aus den Tagen der sowjetischen Besatzung Afghanistans her, als Mujaheddin ("Heilige Krieger") aus allen Ecken der islamischen Welt angetreten waren, um den Afghanen im Kampf gegen die "Ungläubigen" zu helfen. Unterstützt wurden sie von der anderen Supermacht - den USA. Damals kam auch Osama Bin Laden nach Afghanistan. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich aus der Waffenbrüderschaft mit den USA offene Feindschaft entwickelte: Washington hörte auf, die Islamisten zu unterstützen, dafür wurde es umgehend als dekadent und anti-islamisch beschimpft. Washingtons enge Bindung an Israel spielt dabei eine wichtige Rolle, aber eher aus propagandistischen, denn aus reellen Gründen.

Pragmatismus

Dass das offizielle Saudi-Arabien dennoch eng mit den USA verbündet ist, hat ganz andere, praktische Gründe. So war das Königreich einst der wichtigste Erdöl-Lieferant der USA. Und seine damals führende Rolle in der OPEC hatte ihm eine ganz besondere Machtposition verschafft, die unter anderem durch den Erdöl-Boykott während des nahöstlichen Oktoberkrieges voll eingesetzt wurde. Inzwischen ist der Ölpreis jedoch gesunken, und die USA haben alternative Quellen zum Beispiel in Afrika aufgetan, so dass Erdöl kein Druckmittel mehr ist. Dies erleichtert derzeit auch die offene Diskussion über die Zukunft der Beziehungen.

Ein Bruch zwischen Washington und Riad dürfte dennoch kaum bevorstehen. Wohl aber eine Intensivierung der Diskussion über die künftigen Beziehungen zwischen Saudis und Amerikanern. Hierbei gehen die Kritiker an Riad gleich zwei Schritte weiter und spekulieren: Wenn es gelingen sollte, Saddam Hussein zu stürzen, dann werde man in Bagdad ja wohl ein demokratisches Regime einsetzen oder ermöglichen. Und mit dem werde Washington sicher bessere Beziehungen unterhalten können als mit dem bis dahin bestimmt nicht veränderten Regime in Riad. Und "ganz nebenbei" erwähnt man, dass man in solch einem Fall auch auf das saudische Erdöl werde verzichten können: Der Irak werde dann sicher gerne als Ersatz-Lieferant einspringen.