Syriens erste Fußballtrainerin hofft auf eine neue Ära
31. Januar 2025Maha Janoud hat schon einiges erlebt. Doch wie viele ihrer syrischen Landsleute war auch die erste Fußball-Trainerin des Landes überrascht, wie schnell das Regime von Baschar al-Assad im Dezember unter dem Ansturm der Opposition gestürzt wurde. Hoffnung und Erleichterung über den Abgang des Diktators herrschen seitdem vor. Aber die Zukunft Syriens, des dortigen Frauenfußballs und auch Janouds eigene Zukunft sind ungewiss.
Im syrischen Bürgerkrieg sind ab 2011 rund 500.000 Menschen getötet worden. 2024 berichteten die Vereinten Nationen von 14 Millionen Geflüchteten, von denen sich fast die Hälfte ins Ausland absetzte. Janoud war eine von ihnen. Heute arbeitet sie auf Island in der Stadt Kopavogur, als Trainerin der Nachwuchs-Akademie von Breidablik, einem der führenden Fußballvereine der Insel.
"Es ist sehr schmerzhaft. Meine Familie war seit zwölf Jahren nicht mehr zusammen", sagt Janoud der DW. "Ich hoffe, dass wir uns bald wieder treffen können und dass die Länder den Flüchtlingen erlauben, Syrien zu besuchen. Jeder Syrer hat das Recht, seine Heimat wiederzusehen. Oder das, was noch von ihr übrig geblieben ist. Die Ruinen der Erinnerung."
Korrupte Fußball-Funktionäre unter al-Assad
Um die Jahrtausendwende stand Janoud, damals noch ein Teenager, am Anfang ihrer Karriere als Fußballerin. Sie feierte einige Erfolge wie den dritten Platz bei den Westasien-Meisterschaften 2005 - trotz, nicht wegen des syrischen Fußballverbands (SFA). "Es gab keine nennenswerte Unterstützung, nicht einmal eine Frauen-Liga, nur eine kleine Gruppe von Spielerinnen, die leidenschaftlich gerne Fußball spielten", erinnert sich Janoud. "Der Verband schickte uns zu internationalen Turnieren, ohne uns finanziell zu unterstützen, ohne eine Strategie oder auch nur den Versuch, eine Frauenfußball-Liga auf die Beine zu stellen."
Die SFA habe unter der Kontrolle des al-Assad-Regimes gestanden. Der Diktator habe den Verband mit Funktionären besetzt, die ihm gegenüber loyal gewesen seien, so Janoud. Diese Funktionäre hätten die SFA wie ihr eigenes Lehen geführt, um sich finanzielle und andere Vorteile zu sichern.
Verband behielt ihr Gehalt ein
Janoud absolvierte bereits während ihrer aktiven Karriere Trainerlehrgänge. 2011 hängte sie die Fußballschuhe an den Nagel. Als der Asiatische Fußballverband (AFC) 2018 seine Mitgliedsverbände verpflichtete, Abteilungen für Frauenfußball einzurichten, schlug ihre Stunde. Janoud war damals in Syrien die einzige Frau mit der nötigen Erfahrung und den erforderlichen Trainerlizenzen. Sie erhielt einen Trainerposten. Die SFA habe ihr allerdings die Arbeit unmöglich gemach: "Sie behielten das mir von der AFC zugewiesene Gehalt einfach ein und zwangen mich, eine Erklärung zu unterschreiben, dass ich das Geld erhalten hätte, obwohl das nicht der Fall war."
Zu jener Zeit war sie auch Assistenztrainerin des Männervereins Al-Muhafaza in Damaskus. Sie sei von der Regierung für deren Propaganda benutzt worden, beklagt Janoud. Die Führung des Landes habe zeigen wollen, wie sie angeblich die Position der Frauen im Land stärkte: "Man sprach weltweit über mich als erste Frau im Nahen Osten, die eine Männermannschaft trainierte. Doch ich erhielt von den Offiziellen in Syrien weder ein Wort des Dankes noch irgendeine moralische oder finanzielle Anerkennung."
Die DW bat die SFA um eine Stellungnahme, erhielt aber keine Antwort. Nachdem sich Staatschef Assad nach Russland abgesetzt hatte, änderte der syrische Fußballverband umgehend sein Logo sowie die Trikotfarben der Nationalteams und distanzierte sich in einer Erklärung von "Vetternwirtschaft und Korruption".
"Syrien durchläuft Geburtswehen"
2020 wurde es Janoud in ihrem Heimatland zu viel. Sie verließ Syrien, um beim Kontinentalverband AFC im Women's Council, dem Frauenrat, mitzuarbeiten und später dann als Trainerin das Frauen-Nationalteam des Golfstaats Oman voranzubringen. 2023 ging Janoud nach Island.
Von dort aus verfolgte sie weiter die Ereignisse in ihrer Heimat - den Sturz des Diktators al-Assad inklusive. "Syrien durchläuft jetzt die Wehen einer neuen Geburt, und dieses Leiden ist notwendig", sagt die 39-Jährige. "Ich hoffe, das neue 'Kind' wird gesund sein. Meine Freude über das Ende der Tyrannei, die auf uns allen lastete, ist unbeschreiblich. Aber ich hoffe, dass wir nicht von einem Feuer ins nächste geraten."
Das ist nicht nur ihre Sorge, sondern auch die von Millionen Syrerinnen und Syrern, die nach 13 Jahren Bürgerkrieg einfach nur erschöpft sind. "Ich warte immer noch auf eine Vision, wie das Land künftig regiert werden soll, und auf eine neue Verfassung. Denn das sind die Grundlagen, auf denen die Zukunft Syriens und seines Volkes aufgebaut werden muss", sagt Janoud.
Die Verantwortlichen für das Leid unter al-Assad müssten zur Rechenschaft gezogen werden, findet die Trainerin. "Ich beziehe mich dabei speziell auf die korrupten Personen, die vom Blut der Märtyrer, vom Schweiß der Bauern und Arbeiter sowie vom Handel mit Frauenkörpern und menschlichen Organen profitiert haben."
Ungewisse Zukunft des Frauenfußballs in Syrien
Trotz des langen Kriegs blieb die syrische Männer-Nationalmannschaft in Asien durchgehend konkurrenzfähig und stand 2018 sogar kurz vor der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Russland. Wenn sich die Lage in den kommenden Monaten und Jahren beruhigen sollte, könnten sich die syrischen Fußballer zu einer echten sportlichen Größe in der Region entwickeln. Die Zukunft des Frauenfußballs in Syrien ist dagegen ungewiss.
Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa hat in mehreren Interviews versichert, dass die Ausbildung von Frauen fortgesetzt werde. Syrien werde nicht den Weg der afghanischen Taliban einschlagen, so der neue Machthaber. In Afghanistan sind Frauen von vielen Lebensbereichen ausgeschlossen, unter anderem vom Sport.
Maha Janoud äußert sich vorsichtig. "Wir müssen abwarten, ob der Frauensport wirklich weitergeführt werden darf - mit einem eigenen Budget", sagt die Trainerin. "Nichts geschieht durch Träume allein. Was zählt, ist die Realität."
Aufgrund ihrer großen Erfahrung könnte Janoud eine wichtige Rolle dabei spielen, dass sich der syrische Frauenfußball weiterentwickelt. Doch dafür müssen nach ihren Worten einige Voraussetzungen erfüllt sein: "Wenn Syrien sicher wird, eine faire Verfassung ohne Rassismus und Diskriminierung erhält und seinen Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Würde garantiert, muss ich zurückkehren."
Dieser Artikel wurde aus dem englischen DW-Original "Syria's fist female football coach hoping for new era" adaptiert.