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Fatah gegen Hamas

Peter Philipp, (ina)15. Dezember 2006

Die radikalislamische Hamas ist sich sicher, dass der Mordanschlag auf den palästinensischen Ministerpräsidenten Hanija von der Fatah geplant wurde. In den Palästinensergebieten wächst die Angst vor einem Bruderkrieg.

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Der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija vor tausenden seiner Anhänger, Foto: AP
Hanija ruft seine Anhänger zu "Sieg oder Märtyrerschaft" aufBild: AP

Nach den Schüssen auf den Konvoi des palästinensischen Regierungschefs Ismail Hanija ist es am Freitag (15.12.) zu schweren Zusammenstößen zwischen radikalen Hamas-Mitgliedern und Fatah-nahen Sicherheitskräften gekommen. Bei den Kämpfen in Ramallah im Westjordanland wurden mindestens 34 Menschen verletzt.

Abbas' Garde am zerstörten Grenzübergang Rafah, Foto: AP
Abbas' Garde weist die Mordvorfürfe von sichBild: AP

Die radikalislamische Hamas hatte dem Führer der rivalisierenden Fatah im Gazastreifen, Mohammed Dahlan, vorgeworfen, Drahtzieher der am Donnerstag verübten Schüsse auf den palästinensischen Regierungschef Ismail Hanija zu sein. "Es handelt sich um einen versuchten Anschlag, der durch von Mohammed Dahlan dirigierte Verräter ausgeführt wurde", sagte ein Hamas-Sprecher am Freitagmorgen, er trage "persönlich" die Verantwortung für die Tat. Der frühere Sicherheitsminister und Geheimdienstchef gilt als einer der heftigsten Kritiker der Hamas-Regierung. Er wies die Vorwürfe jedoch zurück: Mit den Anschuldigungen wolle die Hamas-Regierung ihr Scheitern in der inneren Sicherheit, in der Politik und in der Wirtschaft verdecken, so Dahlan.


Krise wächst

Hanija, der der islamistischen Hamas vorsteht, war mit seinem Konvoi in der Nacht am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen unter Beschuss geraten. Ein Leibwächter wurde getötet und einer seiner Söhne verletzt.

Ein Hamas-Schütze bei den Auseinandersetzungen mit der Fatah, Foto: AP
Ein Hamas-Schütze bei den Auseinandersetzungen mit der FatahBild: AP

Hintergrund der aktuellen Gewaltausbrüche ist die wachsende wirtschaftliche Notlage in den Palästinensergebieten seit der Wahl der Hamas-Regierung: Weil die Islamisten-Partei in ihren Statuten die Zerstörung Israels fordert, hat Israel seine Gespräche mit den Palästinensern Anfang des Jahres beendet. Zudem leitet es auch die für die Palästinenser einbehaltenen Steuern und Zölle nicht mehr weiter und USA und EU haben ihre Finanzhilfen auf Eis gelegt. Seitdem steigen in den Palästinensergebieten Arbeitslosigkeit und Armut, Angestellte der Regierung bekommen schon seit Monaten keine Gehälter mehr.


Hanija hält an Programatik fest

Dennoch ist die Hamas ist nicht bereit, von ihrem radikalen Programm abzurücken. Nach dem Anschlag hat Hanija seine Anhänger am Freitag zu Opferbereitschaft aufgerufen. Vor zehntausenden Anhängern sagte er, das Prinzip sei "Sieg oder Märtyrerschaft". Die Hamas werde ihren Kurs trotz des Leids fortsetzen.

Israel ist nicht bereit, mit dieser Regierung zu verhandeln, solange sie Israels Existenzrecht bestreitet. Schon vor Monaten schaltete sich Palästinenser-Präsident und PLO-Chef Mahmud Abbas ein und versuchte, die Hamas zu einer Regierung der nationalen Einheit zu überreden. In einem solchen Kabinett könnten Angehörige der PLO die Kontakte mit Israel aufrechterhalten und er selbst – Abbas – die Verhandlungen mit Israel führen. Doch die Regierungsbildung wurde schließlich vertagt, statt dessen verschärfte sich der innerpalästinensische Streit.

Posten, Macht und Ideologien


Einmal geht es hierbei um Posten, Macht und Einfluss, zum anderen aber natürlich auch um Ideologie und Grundsätze. Die PLO akzeptiert ungern, von der Hamas ins politische Abseits gedrängt worden zu sein und die Hamas schafft es nicht, ideologischen Ballast abzuwerfen, der sich nicht verträgt mit ihrer neuen Rolle als Regierungspartei. Und immer, wenn die Hamas-Führung in Palästina nachgiebiger zu werden scheint, wird sie aus Damaskus zurückgepfiffen: Dort residiert Hamas-Exilchef Khaled Mashal, der – vor Jahren knapp einem israelischen Anschlag entgangen – nicht bereit ist, einzulenken.

Der ägyptische Grenzübergang Rafah, Foto: AP
Auseinandersetzungen am ägyptischen Grenzübergang RafahBild: AP

Unterstützung aus dem Iran


Weil die Not der Palästinenser sich derweil tagtäglich vergrößert, hatte Ismail Hanija beschlossen, eine ausgedehnte Nahostreise zu unternehmen, die ihn unter anderem auch nach Teheran brachte. Dort hatte er erneut bekräftigt, Israel "nie anzuerkennen". Sehr zum Gefallen seiner Gastgeber, die allein 35 Millionen Dollar Soforthilfen bereitstellten.

Offenbar aus diesem Grund hatte Israel den Grenzübergang von Rafah kurzerhand schließen lassen, bevor Hanija dort eintraf. Auch die Ägypter schlossen zunächst den Zugang zum Grenzübergang und Hanija musste Stunden warten. Unterdes versammelten sich Anhänger des Premiers, drangen in das Terminal ein, verwüsteten es, sprengten gar ein Loch in den Grenzzaun und die Gewalt nahm ihren Lauf.


Die Ereignisse von Rafah rücken eine Lösung im palästinensischen Konflikt in noch weitere Ferne, während die Not der Palästinenser sich weiter verschlechtern dürfte: Das Geld, mit dem Hanija an die Grenze gekommen war, musste er jedenfalls erst einmal in Ägypten zurücklassen.