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Streit um Tötung von Straßenhunden

Keno Verseck6. Oktober 2013

In Rumänien werden jährlich Tausende Menschen Opfer von Hundeangriffen. Um dem Problem Herr zu werden, hat das Land nun ein neues Gesetz verabschiedet - Tierschützer bezeichnen es als "Schande Europas".

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Zwei streunende Hunde in Bukarest auf einem Spielplatz (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Straßenhunde hatten in Bukarest Anfang September einen spielenden vierjährigen Jungen angegriffen, der infolge der Hundebisse starb. Gerichtsmediziner und die Staatsanwaltschaft zweifeln nicht daran, dass der Hundeangriff die Todesursache war. Nach dem dramatischen Vorfall verabschiedete das rumänische Parlament im Eilverfahren ein neues Gesetz, das Behörden in Rumänien die Tötung von Straßenhunden erlaubt: Die Kommunen müssen eingefangene Hunde 14 Tage lang im Tierheim versorgen und können sie dann einschläfern, wenn sich niemand findet, der sie aufnehmen möchte. Davor galt, dass herrenlose Tiere nur getötet werden dürfen, wenn sie unheilbar krank oder aggressiv sind.

Das Verfassungsgericht hat das Gesetz für verfassungskonform erklärt. Rumänische Tierschützer protestieren dagegen und zeigten ihren Unmut auf einer Demonstration in Bukarest. Auch aus dem Ausland kam Kritik: Die deutsche Designerin und Tierschützerin Maja von Hohenzollern bezeichnete Rumänien wegen des neuen Gesetzes als "Schande Europas".

"Behördliche Massaker an Hunden gibt es bisher nicht", sagt der Bukarester Tierschutz-Aktivist Kuki Bărbuceanu von der internationalen Organisation "Vier Pfoten", man habe aber nach der Verabschiedung des Gesetzes einige Dutzend Fälle von Hundetötungen durch Privatleute dokumentiert. Das sei nicht hinnehmbar.

Mehrere Todesopfer nach Hundebissen in Rumänien

Gabriel Praun, der Sprecher von "Vier-Pfoten" in Wien, sieht in jedem Fall Handlungsbedarf. "Wir sind insofern auf der Seite der Mehrheit der Menschen in Rumänien, als wir ebenfalls eine Lösung des Straßenhundeproblems anstreben."

Tierschützer demonstrieren in Bukarest gegen das umstrittene Gesetz, das die Tötung von Straßenhunden erlaubt (Foto: Reuters)
Tierschützer demonstrieren in Bukarest gegen das GesetzBild: Reuters

Denn dieses hat ernsthafte Ausmaße: Mehrere Hunderttausend Straßenhunde soll es in rumänischen Städten und Gemeinden geben, auf etwa 65.000 schätzen Behörden die Zahl allein in der Hauptstadt. Dort registrierte das Anti-Tollwut-Zentrum am Institut für Infektionskrankheiten "Matei Bals" allein in diesem Jahr 10.000 Impfungen nach Hundebissen - im vergangenen Jahr ereigneten sich in Bukarest 16.000 Beißvorfälle. Der Publizist Iulian Leca schrieb vor Kurzem in einem Kommentar für das rumänische Nachrichten-Portal ziare.com: "Die Straßenhunde haben längst die Städte Rumäniens erobert. Vor allem nachts sind sie es, die auf den Straßen die Macht haben, nicht die vom Staat bezahlten Ordnungshüter."

Der vierjährige Junge ist nicht das erste Todesopfer von Hundebissen in Rumänien: 2012 starb eine Rentnerin im Norden des Landes nach einer Hundeattacke, zwei Monate später töteten streunende Hunde einen Sechsjährigen in einem ostrumänischen Dorf. Im Januar 2011 griffen Bukarester Straßenhunde die Angestellte einer Recycling-Firma an, drei Tage später starb sie an ihren schweren Verletzungen. Und im Januar 2006 verblutete ein japanischer Geschäftsmann in Bukarest, nachdem ihn ein Hund in die Kniekehle gebissen und dabei eine Schlagader durchtrennt hatte.

Tierschützer sind für die Sterilisierung der Straßenhunde

Rumänien ist kein Einzelfall: Auch in fast allen anderen Ländern der Region - vor allem in der Ukraine, in Bulgarien und Serbien - gibt es sehr viele Straßenhunde. Die Ukraine setzte im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2012 auf die Massentötung von Hunden.

Straßenhunde laufen in Donezk in der Ukraine frei herum (Foto: dpa)
Auch in der Ukraine leben viele herrenlose HundeBild: picture alliance/ZB

Nachdem das Land unter den Druck internationaler Tierschützer geraten war, wurde das Tötungsprogramm weitgehend eingestellt. Die Regierung erließ strengere Tierschutzregeln. Westliche Tierschutzorganisationen setzen in Großstädten wie Kiew, Lemberg oder Odessa verstärkt auf die Sterilisierungen von Straßenhunden. Die Sterilisierung, sagt Vier-Pfoten-Sprecher Gabriel Paun, sei ein effektiveres Mittel als das Töten der Straßenhunde. Sterilisierte Hunde könne man zudem wieder auf die Straße entlassen, da sie weniger aggressiv seien.

Auch in Rumänien gibt es in einzelnen Städten solche Sterilisierungsprogramme. Dadurch wurde die Zahl der Straßenhunde zwar deutlich reduziert. Allerdings gibt es kaum größere Tierheime, und Städte und Gemeinden stellen - gemessen am Ausmaß des Problems - zu wenig Personal bereit. Nur zwölf Hundefänger beschäftigte Bukarest bis zum Tod des kleinen Jungen, kurz danach wurde die Zahl auf 44 erhöht.

Hinzu kommt, dass Lokalbehörden immer wieder unter Korruptionsverdacht geraten - nach Medienberichten soll viel Geld, das für Sterilisierungsmaßnahmen gedacht sei, in privaten Taschen verschwinden.