Streit um Eurobonds überschattet EU-Gipfel
23. Mai 2012Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten bei einem Abendessen in Brüssel über Wachstumsinitiativen, nachdem immer mehr Länder in die Rezession abrutschen und die Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund der Schuldenkrise dramatisch steigt. EU-Ratspräsident Herman van Rompuy hatte dazu aufgerufen, alle Fragen "ohne Tabus“ anzusprechen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert, dass "alle Ideen, die derzeit im europäischen Raum herumventilieren, offen und vorbehaltslos diskutiert werden“.
Die neue französische Regierung hält eine Einigung mit Berlin über eine Wachstumsstrategie für Europa für machbar. Kompromisse über mehrere Vorschläge für Wachstumsinitiativen seien "möglich", sagte Finanzminister Pierre Moscovici. Beim Gipfel soll es unter anderem um die französische Forderung gehen, den EU-Fiskalpakt zur Haushaltsdisziplin um einen Wachstumspakt zu erweitern. Frankreichs sozialistischer Staatschef François Hollande machte vor dem Treffen aber auch deutlich, dass er das Thema Eurobonds diskutieren wolle. «Wir werden über alle Vorschläge reden können, die der ein oder andere zum Thema Wachstum einbringen kann», sagte Hollande.
Keine Einigung auf Eurobonds
Die Einführung von Eurobonds würde die Kreditzinsen für angeschlagene Länder senken und ihnen so mehr Spielraum beim Kampf gegen die Krise geben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte ihre Einführung aber bereits ausgeschlossen: "Solange jedes Land seine eigene Finanzpolitik betreibt, ist es ausgeschlossen, die Haftung für die Anleihen zu vergemeinschaften", bekräftigte er im NDR.
Der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger riet der Bundesregierung aber, sich nicht grundsätzlich gegen die Eurobonds zu stellen. Anleihen dieser Art seien "eine Frage des Timings", betonte er im "Handelsblatt". Auch der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sagte, er unterstütze Hollandes Forderung voll und ganz. Auch Luxemburg, Dänemark und Italien stehen laut Faymann hinter der französischen Initiative. Die Niederlande und Finnland, die beide wie Deutschland die Bestnote AAA für ihre Kreditwürdigkeit haben, sind dagegen auf Seiten der Bundesregierung.
Wenige Stunden vor Beginn des EU-Sondergipfels stimmte das Europaparlament mit klarer Mehrheit für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Milliardeneinnahmen bringen könnte. Neben Hollande ist im Prinzip auch Merkel für die Steuer, ihr Koalitionspartner FDP lehnt sie ebenso wie Großbritannien strikt ab. Offizielle Beschlüsse werden in Brüssel beim Sondergipfel nicht erwartet, sie sollen erst beim regulären EU-Gipfel Ende Juni fallen.
Nationale Notfallpläne im Falle eines Euro-Austritts
Der deutsch-französische Streit gewinnt vor dem Hintergrund der Debatte über einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone zusätzliche Brisanz: Eine Arbeitsgruppe der Euro-Länder hat Kreisen zufolge die Regierungen bereits aufgefordert, nationale Notfallpläne für den Fall eines Austritts aus der Währungsgemeinschaft auszuarbeiten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wappnet sich einem Pressebericht zufolge für eine Eskalation der Lage in Hellas.
Der Euro fiel im Sog dieser Turbulenzen unter die Marke von 1,26 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit August 2010. Die Angst der Investoren vor unkontrollierbaren Folgen eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone mischte sich mit der Skepsis darüber, ob der EU-Gipfel am Abend für die verworrene Situation konkrete Lösungsansätze aufzeigen könne. Die europäischen Aktienmärkte begaben sich auf Talfahrt und der der Dax baute seine Verluste im Laufe des Tages auf mehr als 2,5 Prozent aus.
Deutschland leiht sich Geld zum Null-Zins
Die ungewisse Zukunft Griechenlands in der Eurozone und die Unsicherheit in der Politik bringen Anleger dazu ihr Glück in "sicheren Anlagen“ zu suchen, was deutsche Staatspapiere derzeit begehrter denn je macht. So besorgte sich der Bund zur Wochenmitte erstmals frisches Kapital für zwei Jahre in Milliardenhöhe, ohne dafür überhaupt Zinsen zahlen zu müssen. Anleger, die bei einer Versteigerung von Bundesschatzanweisungen mit Fälligkeit 2014 zugriffen, erhielten einen Zinskupon von null Prozent. Das bedeutet, dass sie vom Bund keinen einzigen Euro an Zinsen überwiesen bekommen. Die Nachfrage nach den Papieren war dennoch ungebrochen hoch. Insgesamt nahm der Bund mit der Auktion rund 4,6 Milliarden Euro auf.
GD/qu (dpa, rtr, afp)