1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weiter Chaos in Burkina Faso

Katrin Matthaei21. September 2015

Der Putsch in Burkina Faso ist beendet, doch die Krise ist noch nicht vorbei. Die ECOWAS vermittelt, doch ihre Vorschläge stoßen in der Bevölkerung auf Widerstand: Die Putschisten würden belohnt, heißt es.

https://p.dw.com/p/1Ga6J
Burkina Faso Proteste und Gewalt
Bild: Getty Images/AFP/S. Kambou

"Was glauben Sie denn, wie ich mich fühle?!", ruft der burkinische Rapper Smockey beim Interview mit der DW am Montag aufgebracht ins Telefon. "Ich fühle mich in meinem eigenen Land wie ein Flüchtling! Wie einer, der sich verstecken muss, um im Untergrund den Widerstand zu organisieren!" Smockey ist Mitbegründer der Bürgerbewegung Balai Citoyen. Die Bürgerbewegung hat ihren Rückhalt vor allem in der frustrierten und perspektivlosen Jugend des Landes.

Sie hatte den langjährigen Präsidenten Blaise Compaoré vor knapp einem Jahr mit Demonstrationen aus dem Amt gefegt - ganz ihrem Namen nach, der übersetzt "der Besen der Bürger" bedeutet. Blaise Compaoré hatte sich nach 27-jähriger Amtszeit ein weiteres Mandat durch eine Verfassungsänderung sichern wollen und dabei nicht mit dem ausdauernden, weitgehend friedlichen Protest der Burkinabé gerechnet. Seine Macht hatte Compaoré wesentlich auf die Präsidialgarde "Régiment de Sécurité Présidentielle" (RSP) gestützt. Sie war es, die am vergangenen Mittwoch die Übergangsregierung aus dem Amt putschte. Rapper Smockey und seine Mitstreiter mussten sich in den vergangenen Tagen verstecken, denn sie sind den Putschisten ein Dorn im Auge.

Burkina Faso, Musiker Smockey (c:ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images)
Musiker und Aktivist SmockeyBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Streitpunkt 1: Straffreiheit für die Putschisten

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) vermittelt. Wenige Tage nach dem Putsch kam sie zu einem außerordentlichen Treffen in Nigerias Hauptstadt Abuja zusammen, später reisten Vertreter mehrerer Staaten nach Burkina Faso. Senegals Präsident Macky Sall hatte am Wochenende einen 13-Punkte-Katalog zur Lösung der Krise vorgestellt. Senegal hat derzeit den Vorsitz der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) inne, zu der auch Burkina Faso gehört. Der Plan soll Burkina Faso aus dem Chaos führen - viele Burkinabé empfinden ihn aber als ein Geschenk an die Putschisten.

Von den 13 Punkten lehnen die Gegner des Entwurfes mindestens fünf ab. So wird den Putschisten etwa Straffreiheit für alle "Konsequenzen, die mit der Krise zu tun haben" zugesichert. Das heißt: Die Umstürzler müssten sich für ihr brutales Vorgehen gegen Protestierende mit bislang mindestens zehn Toten und über hundert Verletzten nicht verantworten.

Burkina Faso Senegals Präsident Macky Sall (c: REUTERS/Joe Penney)
Vermittler Macky SallBild: Reuters/J. Penney

Weiterer Streitpunkt: Laut Papier dürften frühere Minister und Vertraute des geschassten Präsidenten Blaise Compaoré nun doch bei den kommenden Wahlen kandidieren. Die bisherige Übergangsregierung hatte das abgelehnt, um dem Regime von Ex-Präsident Compaoré endgültig die Machtbasis zu entziehen. Das war eines der Hauptmotive für die Putschisten. Sie wissen die ECOWAS auf ihrer Seite: Die hatte das Wahlgesetz der Übergangsregierung in diesem Punkt bereits vor dem Putsch offen kritisiert.

Streitpunkt 2: Die Präsidialgarde

Der letzte große umstrittene Punkt betrifft die Reform des Militärs: Laut Entwurf soll erst die nächste gewählte Regierung über die Zukunft der Präsidialgarde RSP entscheiden. Die Übergangsregierung hatte bereits vorgeschlagen, die RSP aufzulösen - auch das war ein Grund für den Putsch. Nachdem die Umstürzler nun am Dienstag das vom regulären Militär ausgegebene Ultimatum zur Aufgabe hatten verstreichen lassen, verfügte der Präsident des Übergangsparlamentes Moumina Cheriff Sy kurzerhand per Dekret, die RSP sofort aufzulösen. Ob das Dekret gilt, ist unklar.

Premierminister Isaac Zida hatte die Auflösung bereits vor dem Putsch angeregt. Er war früher selbst ranghoher Offizier der Präsidialgarde, hatte sich dann aber losgesagt. Da er noch immer den Militärrang innehat, betrifft ihn auch ein weiterer Punkt auf dem Vermittlungs-Plan: Kein Militärangehöriger solle Mitglied der Übergangsregierung sein, heißt es dort.

Außerdem sollen die Präsidenten- und Parlamentswahlen, die eigentlich am 11. Oktober stattfinden und das Ende der Übergangsregierung markieren sollten, verschoben werden. Die ECOWAS-Vermittler nennen als spätesten Zeitpunkt den 22. November.

Die zivile Bürgerbewegung "Balai Citoyen" spricht von einem "beschämenden" Vorschlag und kritisiert die Vermittlung durch die ECOWAS als "schlechten Film". Eine Amnestie für die Putschisten ist für die Aktivisten - wie für viele andere Menschen im Land - nicht akzeptabel. "Andernfalls sagen wir: Ihr könnt töten, morden, auf unschuldige Menschen schießen und dann nicht nur straffrei bleiben sondern auch noch an die Macht kommen", sagt der burkinische Rapper Smockey in seinem kurzen Telefoninterview mit der DW.

Burkina Faso, Unruhen in Ouagadougou (c: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images)
Proteste in der Hauptdstadt OuagadougouBild: AFP/Getty Images/S. Kambou

"Beleidigung für das Volk"

Auch Ralf Wittek, der das Büro der deutschen CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Ougadougou leitet, kritisiert die vermittelnde Regionalorganisation. "Die ECOWAS wäre sofort in der Lage, bei der Regionalbank die Konten zu sperren, so könnte man das Land innerhalb kurzer Zeit austrocknen", so Wittek. "All das ist nicht passiert." Im Gegenteil: Man biete den Putschisten nun Amnestie an. Der einzige Akteur, der hier konsequent gehandelt habe, sei die Afrikanische Union. Sie habe die Verlautbarung von Putschgeneral Gilbert Diendéré kurz nach dem Umsturz als null und nichtig erklärt. "Kein anderer hat hier in dieser Klarheit bisher Position bezogen", sagt Wittek der DW. Die Europäische Union müsse nun Gelder einfrieren, bis das Land wieder zum demokratischen Übergangsprozess zurückgekehrt sei.

Wittek scheint fassungslos angesichts dessen, was sich derzeit in Burkina Faso abspielt, aber auch angesichts der Lösungsvorschläge: "Man muss sich einfach mal die Fakten anschauen: Man macht einen Putsch, stellt alle demokratischen Erfolge, die seit Oktober 2014 erzielt wurden, in Frage und vereinbart dann einige Punkte, die die Putschisten ohnehin durchsetzen wollten", so Wittek. "Das ist so unglaublich lächerlich und in meinen Augen eine einzige Beleidigung für das Volk von Burkina Faso."

Trotz aller Kritik: Der Anführer der Putschisten, General Gilbert Diendéré, besteht laut Nachrichtenagentur AFP darauf, dass der Vermittlungsvorschlag gilt. Im Exklusiv-Interview mit der DW sagte Diendéré kurz vor Ende des Putsches: "Wir wollen nicht an der Macht bleiben. Wir wollen keine Gewalt, wir warten auf Einzelheiten zur Machtübergabe."

Burkina Faso, General Gilbert Diendere (c: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images)
General Diendéré hält am Vermittlungsvorschlag festBild: Getty Images/AFP/S. Kambou

"Wir werden bis zum Ende kämpfen"

"Ich muss jetzt aufhören, die haben mich schon öfter übers Telefon zurückverfolgt.", sagt Rapper Smockey von Balai Citoyen am Ende des kurzen Telefoninterviews. Eine Nachricht will er noch loswerden: "Es steht außer Frage, dass diese Kriminellen unser Land regieren. Wir werden bis zum Ende kämpfen."

Mitarbeit: Sidiki Doumbia