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Der Kampf um den Doktor

Armin Himmelrath 25. Januar 2014

Wer darf Doktoranden ausbilden? Nur die Unis - oder auch die Fachhochschulen in Deutschland? Darüber wird heftig debattiert, seit Schleswig-Holstein das Promotionsrecht auch auf die FHs ausweiten will.

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junge Leute mit Doktorhut
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Universitäten dürfen Doktoranden ausbilden, Fachhochschulen (FHs) dürfen es nicht - das ist in Deutschland die traditionelle Zweiteilung im Hochschulsystem, seit sich in den 1960er Jahren die FHs etablierten. Der Grund: Damals waren die Universitäten alleine für den wissenschaftlichen Nachwuchs zuständig, während die FHs akademisch ausgebildete Praktiker hervorbringen sollten. Doch die Grenzen sind heute längst verwischt: Gerade nach der Bologna-Reform, die vor rund 15 Jahren initiiert wurde, haben viele Unis auch praxisnahe Studiengänge im Angebot, während etliche Fachhochschulen gute und erfolgreiche Forschung machen.

Die parteilose schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Waltraud Wende will deshalb auch den FHs das Recht einräumen, Doktoranden auszubilden und Promotionsverfahren durchzuführen. "Diese Ausdifferenzierung, wo wir sagen: einerseits Fachhochschulen, wo Lehre statt findet, und auf der anderen Seite Universitäten, wo eher Forschung statt findet - die können wir so gar nicht mehr aufrecht erhalten", erklärte Waltraud Wende im Interview der Deutschen Welle.

Widerstand bei Uni-Vertretern

Bei Uni-Vertretern stoßen die Pläne aus Schleswig-Holstein nur auf wenig Gegenliebe. "Promotionen gehören an die Universitäten. Es kann nicht sein, Promotion und Forschung auf die billige Art und Weise zu bekommen", schimpft etwa der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Und auch Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz, findet die Unterteilung der Hochschulen eigentlich ganz in Ordnung: "Promotionsrecht heißt für mich, dass man in der Breite, in Forschung und Lehre wirklich international präsent ist. Das können nicht einzelne Personen - die sehr, sehr gut sind - alleine erreichen. Da müssen wirklich Fachbereiche oder ganze Fakultäten forschungsmäßig an einem Strang ziehen." Das aber schaffen die Fachhochschulen aus Sicht vieler Uni-Professoren nicht - und deshalb verteidigen sie das Privileg der Promotion an den Unis.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende
Der Vorstoß der Bildungsministerin Waltraud Wende stößt bei vielen auf wenig GegenliebeBild: picture-alliance/dpa

Noch ein weiteres Argument wird gegen die Promotion an Fachhochschulen angeführt: Weil deren Professoren doppelt so viel unterrichten wie ihre Kollegen an den Universitäten, hätten sie gar keine Zeit, sich um die Forschung und um eventuelle Doktoranden zu kümmern. Der Medienwissenschaftler Martin Gertler ist selbst FH-Professor in Köln und kann dieses Argument sogar verstehen: "Als Fachhochschul-Professor hat man einfach zu viel Lehrdeputat: 18 Semesterwochenstunden gegenüber acht oder neun an den Universitäten." Insofern könne eine solche Umstellung erst erfolgen, wenn es an den Fachhochschulen eben auch forschende und betreuende Professoren mit einer entsprechenden Reduzierung ihres Lehrdeputats gebe. Anders, sagt Gertler, seien qualitativ anspruchsvolle Promotionsverfahren gar nicht durchzuführen.

Von den Niederlanden lernen

In anderen Ländern ist eine solche Aufteilung in verschiedene Hochschultypen wie in Deutschland ohnehin weitgehend unbekannt. Martin Gertler kennt das aus eigener Anschauung: An seiner Fachhochschule in Köln darf der Professor - nach deutschem Recht - keine Promotionen vornehmen. Als Gastprofessor der Humanistischen Universität Utrecht in den Niederlanden jedoch betreut Martin Gertler sehr wohl mehrere Doktoranden. Und er verweist auf eine weitere Besonderheit des niederländischen Promotionssystems: "Dort ist man nicht Doktorvater, sondern man betreut eine Arbeit als Promotor. Mit anderen Worten: Man kümmert sich um die Promotion." Wenn die Arbeit fertiggestellt ist, komme die Bewertung nicht von den Betreuern, den Promotoren, sondern von einer Manuskriptkommission und damit von externen Gutachtern, so Gertler.

Universität Utrecht von oben
An der Uni Utrecht sieht man das Promotionsrecht entspannterBild: Rutger Hermsen - sa

Dies diene vor allem der Qualitätssicherung, sagt Martin Gertler: Wenn nämlich der Betreuer nicht auch gleichzeitig der Gutachter der Arbeit ist, würden Fehler, Betrugsversuche und andere Qualitätsmängel bei der Promotion viel schneller entdeckt. Und dann hätte es vielleicht auch nicht die zahlreichen Fälle von Politikern gegeben, die wegen Plagiaten in ihren Doktorarbeiten in den vergangenen Jahren in Deutschland zurücktreten mussten.

Auch die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Waltraud Wende hat mehrere Jahre als Wissenschaftlerin in den Niederlanden gearbeitet und will die dortige Betreuungsregelung jetzt beim Promotionsrecht für die FHs übernehmen. "Der Begleiter wird nicht der Begutachter der Arbeit sein, wir trennen das personell", erklärt sie im DW-Interview und fügt hinzu: "Außerdem werden die Gutachter mehrheitlich Universitätsprofessoren sein." Die Befürchtung, dass FH-Promotionen qualitativ schlechter seien als Doktorarbeiten an Universitäten, sei deshalb völlig unbegründet, so die Ministerin.