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Stimmenfang mit Saddam

Michael Knigge22. Oktober 2002

Das klare Nein von Kanzler Schröder zu einer deutschen Beteiligung an einem US-Angriff auf den Irak betrachten Parteienforscher zwar als Wahlkampfmanöver. Ein wichtiges Thema sei die Irak-Politik aber auch ohne die Wahl.

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Beeinflusst der Diktator auch hierzulande den Wahlausgang?Bild: AP

In Sachen Irak spricht Bundeskanzler Gerhard Schröder seit Wochen Klartext: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein Fehler wäre, im Irak militärisch zu intervenieren", sagte er Anfang August. Seitdem hat er seine Ablehnung einer Militäraktion gegen das Regime von Saddam Hussein immer wieder bekräftigt. Im TV-Wahlduell mit Herausforderer Edmund Stoiber betonte Schröder erneut, dass sich Deutschland unter seiner Führung nicht an einem Angriff gegen den Irak beteiligen werde. Einwände, er wolle mit der Außenpolitik Wahlkampf führen, wies Schröder zurück: Es dürften mit Debatten keine Fakten geschaffen werden, die sich nicht mehr ändern ließen.

Dennoch sind sich Parteienforscher einig: Die Diskussion um einen möglichen Angriff auf den Irak ist Teil des Wahlkampfs. "Ich glaube, dass das Thema Irak Einfluss auf die Wahl haben könnte", sagte Hans-Dieter Klingemann, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), im Interview mit DW-WORLD. "Es könnte die friedensbewegten und anti-amerikanisch gesinnten Bevölkerungsgruppen motivieren, die SPD zu wählen, statt die PDS oder die Grünen."

Demonstration der Handlungsfähigkeit

Auch Dietmar Herz, Politikwissenschaftler an der Universität Erfurt, teilt die Ansicht, dass SPD und Grüne durch die Irak-Debatte auf Stimmen der Friedensbewegung und Pazifisten hoffen. Viele dieser Wähler seien durch die Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan und dem Balkan sowie durch Schröders Versprechen von der uneingeschränkten Solidarität von den Regierungsparteien entfremdet worden und hätten stattdessen der PDS ihre Stimme gegeben hatten. Noch bedeutender als Adressat sei jedoch die Wahlbevölkerung insgesamt, betont Herz. "Viel wichtiger als die Mobilisierung des ingesamt eher kleinen linken Lagers ist für Schröder die Handlungsbereitschaft und Meinungsfestigkeit der Regierung zu demonstrieren."

Aber auch ohne Wahlkampf wäre ein möglicher Angriff auf den Irak ein außenpolitisches Thema, sind sich die Parteienforscher einig. "Das Thema wäre auch so auf der Tagesordnung, allerdings würde es nicht so stark in den Medien auftauchen, sondern im Bundestag, wo es hingehört", sagte Klingemann. Nach Einschätzung seines Kollegen Herz wäre die Reaktion von Bundeskanzler Schröder in Nicht-Wahlkampfzeiten nicht anders als jetzt ausgefallen, da die amerikanische Politik zwei neue Aspekte beeinhalte."Im Gegensatz zu bisherigen Militäraktionen wie dem Afghanistan- und dem Golfkrieg haben die USA deutlich gemacht, dass sie künftig unilateral und präventiv handeln, um Bedrohungen durch Massenvernichtungswaffen und Terrorismus schon im Vorfeld zu bekämpfen."

Geringer Einfluss auf Washington

Die Warnung von Unions-Kanzlerkandidat Stoiber, durch die uneingeschränkte Ablehnung eines Angriffs auf den Irak mindere Schröder den Druck auf Saddam, ist für Parteienforscher Herz nicht nachvollziehbar. Denn schließlich wisse man auch in Bagdad genau, dass die Amerikaner nicht auf die Unterstützung Deutschlands oder Europas angewiesen seien. "Schröder ist sich bewusst, dass er die USA nicht umstimmen kann, aber er will deutlich machen, dass er deutsche Interessen vertritt."

Seit den jüngsten Äußerungen von US-Vizepräsident Dick Cheney hat nun auch Herausforderer Stoiber einen Kurswechsel vollzogen. Wie sein Kontrahent lehnt er jetzt ebenfalls einen Alleingang der USA ab und betont die Rolle der Vereinten Nationen im Konflikt mit dem Irak. Dieser Konsens wird nach Auffassung der Parteienforscher auch nach dem 22. September Bestand haben. "Am außenpolitischen Handeln Deutschlands wird sich nichts ändern, unabhängig ob Schröder oder Stoiber Kanzler ist", betont Klingemann.