„Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in Oberndorf
Es gilt weltweit als das beliebteste Weihnachtslied überhaupt und entstand in der kleinen österreichischen Gemeinde Oberndorf: „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Besonders am 24. Dezember ist es dort sehr voll.
Lachend und ein wenig nervös bereitet sich diese Touristengruppe auf ihren Auftritt vor: Sie hat es sich fest vorgenommen, vor der kleinen Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf, einer Gemeinde Gemeinde, -n (f.) hier: das Dorf; die kleine Stadt etwa 20 Kilometer von Salzburg entfernt, das Lied zu singen, das an dieser Stelle am 24. Dezember 1818 zum ersten Mal erklungen ist:
„Noche de paz, noche de …“
Das ganze Jahr über zieht Oberndorf am Ufer der Salzach rund 100.000 Besucherinnen und Besucher* aus aller Welt an. Der Ort ist die Wiege des weltweit bekannten Weihnachtsliedes „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Allein am 24. Dezember kommen nach Auskunft des örtlichen Tourismusbüros zwischen 3000 bis 4000 Menschen zur Stille-Nacht-Kapelle. Anlässlich des 200. Jubiläums von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ im Jahr 2018 stieg diese Zahl auf 6000. Vorsorglich galt schon ab dem Mittag des 24. ein generelles Busfahrverbot. Mit Shuttlediensten Shuttledienst, -dienste (m.) das Angebot, Personen in einem Bus oder Auto von einem Ort zu einem anderen zu bringen wurden die Besucher von einem außerhalb gelegenen Busparkplatz zur Stille-Nacht-Kapelle gebracht. Bei der Jubiläumsveranstaltung führte der damalige Bürgermeister der Gemeinde, Peter Schröder, die Besucher gedanklich zurück in die Heilige Nacht 1818:
„In dickes Gewand eingehüllt kommen die Frauen und Kinder [und] Männer aus Oberndorf zu Fuß zur Messe, um gemeinsam die Geburt von Jesus Christus zu feiern. Sie hören erstmals ein Lied, das nur geschaffen worden ist für diese Heilige Nacht. Das Lied ‚Stille Nacht! Heilige Nacht!‘. Dieses Lied bewegt ihre Herzen. Es bewegt auch unsere Herzen 200 Jahre später, und es ist, wie auch für uns hier, untrennbar mit Weihnachten, mit dem Heiligen Abend verbunden.“
Für Einheimische liegt die besondere Beziehung zu dem weltweit berühmten Weihnachtslied zudem darin, dass es nur zum eigentlichen Anlass gesungen wird:
„Da wir Oberndorfer sind und mit dem groß geworden sind, ist das Weihnachten pur. Also es kommt erst am 24., wird’s erst gesungen, wird’s erst gespielt. Wir spielen’s also nicht wirklich vorher. Und mit dem Lied ist dann wirklich Weihnachten und mit dem Lied geht’s los, und es ist einfach [ein] sehr friedliches Lied, sehr schönes Lied, ja.“
Während das Lied bereits in der Vorweihnachtszeit überall zu hören ist – etwa auf Weihnachtsmärkten –, ist das in Oberndorf nicht so. Dort erklingt es immer erst an dem Tag, an dem es ursprünglich erstmals gesungen wurde: am 24. Dezember selbst. Für die Oberndorfer beinhaltet es alles, was sie mit dem Fest der Geburt Jesu verbinden, es ist Weihnachten pur. Das sieht der Präsident der Stille Nacht Gesellschaft, Michael Neureiter, genauso:
„Wir halten nichts davon, dass man das ganze Jahr über das Lied erklingen lässt. Wir haben in Österreich eine gewisse Zurückhaltung und singen das Lied eigentlich erst am Heiligen Abend und am Christtag, auch wenn es jetzt schon hier im Stille-Nacht-Bezirk erklingt.“
Der Leitsatz der Stille Nacht Gesellschaft lautet nicht umsonst: „Wir wollen das Lied, seine Herkunft und seine Botschaft in den Herzen und Köpfen der Einheimischen und der Besucherinnen und Besucher aus aller Welt zum Klingen bringen“. Michael Neureiter selbst hat von Kindesbeinen an eine einzigartige Verbindung zum legendären Weihnachtslied – und zu dessen Komponisten Franz Xaver Gruber:
„Ich bin im selben Haus, in dem Franz Xaver Gruber im 19. Jahrhundert lebte, im 20. Jahrhundert aufgewachsen. Er verbrachte 28 Jahre seines Lebens in diesem Haus in Hallein gegenüber der Stadtpfarrkirche. Bei mir waren es nur 24, bis zur Verehelichung.“
Wie kein zweiter verfügt der langjährige Präsident der Stille Nacht Gesellschaft über umfangreiche Kenntnisse darüber, wie das Lied entstand und verbreitet wurde. Auf seine Initiative hin erklärte es die UNESCO UNESCO (f., nur Singular) englische Abkürzung für die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur 2011 zum immateriellen Kulturerbe immaterielles Kulturerbe das, was von Generation zu Generation an Ausdrucksformen weitergegeben wurde (z. B. Bräuche, Rituale, Feste, Musik, Handwerkstechniken) Österreichs. Gedichtet wurde das Weihnachtslied 1816 vom Hilfspfarrer Joseph Mohr. Die Melodie dazu, für zwei Solostimmen samt Chor und Gitarrenbegleitung, komponierte 1818 der Organist Organist, -en/Organistin, -nen jemand, der das Musikinstrument Orgel spielt, das man in Kirchen findet Franz Xaver Gruber. Die Uraufführung fand im selben Jahr statt: Bei der Christmette Christmette, -n (f.) eine religiöse Veranstaltung in der Kirchean Heiligabend in der Kirche St. Nikola in Oberndorf sangen die beiden, Mohr begleitete auf der Gitarre. Nachdem es durch katholische und protestantische Missionare verbreitet worden war, wurde „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ zur Jahrhundertwende bereits auf allen Kontinenten gesungen. Die Kirche wurde um 1900 abgerissen und an anderer Stelle wiederaufgebaut. An ihrem Platz steht seit 1937 die Stille-Nacht-Gedächtniskapelle.
Die Friedensbotschaft, die von dem in mehr als 330 Sprachen und Dialekten übersetzten Weihnachtslied ausgeht, liegt Michael Neureiter besonders am Herzen. Vor allem in der vierten Strophe wird die Botschaft von der Geburt Jesu mit der Idee von der Versöhnung der Völker verknüpft. Und wie verbringen Michael Neureiter und seine Familie den Heiligen Abend? Eigentlich ganz traditionell, wie er verrät:
„Bei uns ist es so, dass wir am Abend des Heiligen Abends beginnen mit der Räucherung des Hauses, wo wir für unsere Wohnräume und die Familie beten, und dann gibt’s Abendessen mit Bratwürstln – wie es bei uns Standard auch ist im Salzburgischen zumindest. Und dann gibt’s die Lesung des Lukas-Evangeliums Lukas-Evangelium (n., nur Singular) das dritte Buch des Neuen Testaments in der Bibel, in dem das Leben Jesu von seiner Geburt bis zu seinem Aufstieg in den Himmel geschildert wird , Lukas zwei, und anschließend wird das Wohnzimmer betreten und die Kerzen zum Brennen gebracht, und dann erklingt das Lied mit der Gitarre, die ich in jungen Jahren auch zu spielen gelernt hab.“
Bei Michael Neureiter und seiner Familie wird am Heiligen Abend der christliche Brauch des Räucherns, des Verbrennens von Weihrauch, praktiziert. Dem Harz des Weihrauchbaums wird eine reinigende Wirkung zugeschrieben. Weihrauch gehörte auch– neben Myrrhe Myrrhe (f., nur Singular) ein gut riechendes Material eines Baumes und Gold – zu den Geschenken der Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland für das neugeborene Jesuskind. Er sollte auf die Göttlichkeit des Beschenkten verweisen.
Was für Michael Neureiter auf jeden Fall auch zum Heiligen Abend gehört ist, die Lesung von Lukas zwei. Es sind die als Weihnachtsgeschichte bekannten ersten zwanzig Verse aus dem zweiten Kapitel des Lukas-Evangeliums. Und was natürlich auch nicht fehlen darf: das Weihnachtslied selbst … ganz traditionell mit Gitarrenbegleitung.
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* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird manchmal auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
„Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in Oberndorf
Gemeinde, -n (f.) — hier: das Dorf; die kleine Stadt
Shuttledienst, -dienste (m.) — das Angebot, Personen in einem Bus oder Auto von einem Ort zu einem anderen zu bringen
UNESCO (f., nur Singular) — englische Abkürzung für die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
immaterielles Kulturerbe — das, was von Generation zu Generation an Ausdrucksformen weitergegeben wurde (z. B. Bräuche, Rituale, Feste, Musik, Handwerkstechniken)
Organist, -en/Organistin, -nen — jemand, der das Musikinstrument Orgel spielt, das man in Kirchen findet
Christmette, -n (f.) — eine religiöse Veranstaltung in der Kirche an Heiligabend
Lukas-Evangelium (n., nur Singular) — das dritte Buch des Neuen Testaments in der Bibel, in dem das Leben Jesu von seiner Geburt bis zu seinem Aufstieg in den Himmel geschildert wird
Myrrhe (f., nur Singular) — ein gut riechendes Material eines Baumes