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Sticheln und Zündeln

Marcel Fürstenau15. Oktober 2004

Das Thema der Woche in Berlin: menschliche Schwächen. Und die sind durchaus klassisch - wie der Blick in die griechische Antike lehrt.

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"Der Not gehorchend, lass ich ab vom eitlen Kampf.“ So sprach Sophokles, der 500 vor Christi geboren wurde. Der ist berühmt als Tragödiendichter und Schauspieler, war aber auch - aufgemerkt - griechischer Flottenbefehlshaber und hatte diverse hohe Staatsämter inne.

Fragen des richtigen Zeitpunkts

Ablassen vom eitlen Kampf mussten dieser Woche in der deutschen Hauptstadt gleich zwei Berühmtheiten, die gerne hohe Staatsämter inne hätten. Nehmen wir etwa Friedrich Merz. Er möchte nun nicht mehr Präsidiumsmitglied der CDU sein und auch nicht mehr Vize-Fraktionschef der Union. Dabei ist er ehrgeizig wie kaum ein anderer. Sagen Parteifreunde und Gegner. Und ein exzellenter Finanzfachmann. Sagen viele, allen voran er selbst.

Er zieht sich zurück, weil sein Verhältnis zu Parteichefin Angela Merkel erheblich gestört ist. Die hat ihn vor zwei Jahren von der Fraktionsspitze verdrängt, was er nie weggesteckt hat. Er hat gestichelt und gezündelt, wo es ging - bis er in den Union kaum noch Anhänger hatte. Merke, frei nach Sophokles: Vom eitlen Kampf in der Not abzulassen, kann auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts sein. Den hat Merz verpasst.

Versuchung und Charakter

Wo wir beim Sticheln und Zündeln sind: Allzu verlockend erschien der erwähnten Parteichefin zunächst der Gedanke, dass Volk zu befragen zum EU-Beitritt der Türkei. Den die Regierung will und die Union nicht. Nun ist es mit Bürgers Meinung zu solchen Themen so eine Sache: 1999 lies die hessische CDU die Menschen gegen die rot-grüne doppelte Staatsbürgerschaft befragen - manch einer erschien an den Info-Ständen und fragte nach, wo er denn gegen die Türken unterschreiben könne. Und auch jetzt bekundeten NPD und DVU, sie hielten die Idee für hervorragend. Das wurde Angela Merkel denn doch zu heikel, sie sagte die Aktion ab. Gesamturteil: Momentan für höhere Staatsämter eher nicht geeignet.

Die CDU versuchte es am Freitag so darzustellen: Die Vorsitzende hat dem Treiben machtvoll ein Ende gesetzt. Wir halten es lieber mit dem Sinnspruch von Art van Rheyn, dem niederrheinischen Dichter. Der fasste zusammen: "Die Versuchung war zu klein, ich konnte Charakter zeigen.“