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Politik

Stellen die Grünen bald den Kanzler?

1. Juni 2019

Ihr Höhenflug erscheint unaufhaltsam: Erstmals in einer bundesweiten Umfrage überflügeln die Grünen die konservativen Unionsparteien. Und in der SPD gibt es Bestrebungen, vorzeitig die große Koalition aufzukündigen.

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Robert Habeck
Will nicht über (s)eine Kanzlerkandidatur reden: Robert HabeckBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Neue Umfragezahlen des Meinungsforschungsinstituts Forsa lassen Deutschland aufhorchen: Im "Trendbarometer" für die Fernsehsender RTL und ntv stehen zum ersten Mal die Grünen auf Platz 1. Nach ihrem Erfolg bei der Europawahl gewinnen sie - im Vergleich zur Vorwoche - weitere 9 Prozentpunkte hinzu und landen bei nunmehr 27 Prozent. Die Unionsparteien CDU und CSU liegen mit 26 Prozent (minus 2) knapp dahinter.

Die Sozialdemokraten sacken auf 12 Prozent (minus 5) ab. Das ist der tiefste jemals gemessene Wert für die SPD bei einer bundesweiten Erhebung. Damit liegt die Partei nur noch einen Punkt vor der rechtspopulistischen AfD mit 11 Prozent (minus 2). Es folgen die liberale FDP mit 8 (unverändert) und "Die Linke" mit 7 Prozent (minus 1). Die Umfrage fand zwischen dem 27. und dem 31. Mai statt, also unmittelbar nach der Europawahl.

Bei einer Regierungsbildung hätten die Grünen - sollte eine Bundestagswahl tatsächlich die genannten Ergebnisse bringen - sogar zwei Optionen: Mit CDU und CSU ("Grün-Schwarz") kämen sie auf eine klare Mehrheit, mit SPD und Linken ("Grün-Rot-Rot") immerhin noch auf eine hauchdünne. Die neue Regierung anführen könnte dann etwa Grünen-Chef Robert Habeck - was bis vor kurzem noch als unrealistisch galt.

Bei der Europawahl waren die Grünen in Deutschland erstmals zweitstärkste Kraft geworden - mit 20,5 Prozent. Union (28,9 Prozent) und SPD (15,8) hatten hingegen ihre bisher schlechtesten Ergebnisse eingefahren.

Stürzt Nahles?

Bei der SPD hat die Wahl eine Debatte über die Zukunft von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles ausgelöst, in der es am kommenden Dienstag zum Showdown kommen könnte. Dann will sich Nahles in der Bundestagsfraktion vorzeitig zur Wahl stellen. Sollte sie scheitern, könnte sie auch als Parteivorsitzende stürzen.

Andrea Nahles
Will Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten bleiben: Andrea NahlesBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Unabsehbar sind die Auswirkungen der Führungskrise auf die große Koalition ("GroKo") im Bund. Die Bayern-SPD machte ein neues Klimaschutzgesetz und eine von den Sozialdemokraten angestrebte Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zu Bedingungen für den Fortbestand des Bündnisses mit den Unionsparteien. "Nur mit derartigen Beschlüssen erscheint es überhaupt noch möglich, (...) über eine Fortführung der großen Koalition zu diskutieren", erklärte der SPD-Landesvorstand.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht für die kommende Legislaturperiode keine Option für eine Wiederauflage der großen Koalition. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" sagte der Vizekanzler: "Drei große Koalitionen in Folge würden der Demokratie in Deutschland nicht guttun. Eine Fortsetzung der heutigen Koalition nach 2021 will niemand - nicht die Bürgerinnen und Bürger, nicht die Union – und wir Sozialdemokraten schon gar nicht." 

"Künstliche Unruhe"

Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, mahnte zu Besonnenheit. Er rate allen Beteiligten, "auch angesichts sinkender Umfrageergebnisse ruhig zu bleiben" und den Koalitionsvertrag abzuarbeiten - ohne jetzt eine "künstliche Unruhe" hineinzubringen.

Um ihre eigene Wahlschlappe bei der Europawahl aufzuarbeiten, kommt die CDU am Sonntagabend zu einer Klausurtagung in Berlin zusammen. Bei den Beratungen im Konrad-Adenauer-Haus liegt der Führungsspitze um Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Wahlanalyse der CDU-Bundesgeschäftsstelle vor, die den Christdemokraten erhebliche Defizite etwa in der Klimapolitik und in ihrer Kommunikation attestiert.

Emnid sieht's anders

Eine beruhigende Wirkung dürften innerhalb der Union Zahlen des Forsa-Konkurrenten Emnid entfalten: Dort liegen CDU und CSU nämlich noch immer klar vor den Grünen. Im Emnid-"Sonntagstrend" für die Zeitung "Bild am Sonntag" legen die Grünen zwar drei Punkte im Vergleich zur Vorwoche auf 20 Prozent zu. Die Union kommt allerdings auf 28 Prozent (minus 1), die SPD auf immerhin 16 Prozent (minus 1). Wermutstropfen: Die Befragungen fanden zum Teil noch vor der Europawahl in Deutschland statt, und zwar vom 23. bis 28. Mai.

wa/qu (dpa, rtr, afp)