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Geheimnisse des Stalagmiten

Enrique Gili19. Januar 2016

Der Untergang der antiken Mayakultur ist Archäologen seit Jahrzehnten ein Rätsel. Ein Stalagmit in einer neuentdeckten Höhle, deutet jetzt darauf hin, dass sich verändernde Klimabedingungen die Ursache sein könnten.

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Ein trockenes Reservoir
Bild: Douglas Kennett/Penn State

Während des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung, war die Halbinsel Yucatán die Heimat einer blühenden Mayakultur. Aber etwa um das Jahr 900 begann der Niedergang der Zivilisation, besonders im Süden der Region. Er hinterließ atemberaubende Architektur und viele offene Fragen.

Auch wenn Details darüber, was zum Kollaps von Städten wie Tikal und Copán führte, noch immer rar sind, legen wissenschaftliche Erkenntnisse doch nah, dass Klimawandel eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Ein Team von Wissenschaftlern kam zu diesem Ergebnis, indem es Informationen aus Maya-Artefakten mit Daten kombinierte, die aus uralten Stalagmiten gewonnen wurden. Alles begann 2006 als Douglas Kennett, ein Archäologe an der Penn State University in den USA ein Team von Forschern in den Regenwald von Belize führte, um eine Höhle namens Yok Bolum zu erkunden.

Fest entschlossen die Umstände des Niedergangs der Mayakultur besser zu verstehen, rekrutierte er dafür Experten aus verschiedenen Fachbereichen. "Dies ist ein kompliziertes Problem und wir müssen Klimatologen, Paleoökologen und Archäologen zusammenbringen, um es zu lösen", sagt Kennett.

Ein Glücksfund

Dank einer großen Zahl von Stalagmiten gibt die kürzlich entdeckte und lange unberührte Höhle Aufschluss über die Regenmenge und -verteilung auf der Halbinsel Yucatán, sagt Sebastian Breitenbach, Geochemiker an der Cambridge University in Großbritannien und ein Mitglied der Expedition. Stalagmiten sind Tropfsteine, die vom Boden emporwachsen. Sie bilden sich über Hunderte von Jahren dadurch, dass Wasser auf den Boden tropft.

"Wir hatten Glück", sagt Breitenbach in Bezug auf einen circa 60 cm langen Stalagmiten, der in der Nähe des Höhleneingangs gefunden wurde. Der Yok-1 getaufte Tropfstein war einer von neun solchen zahnförmigen Gebilden, die an dem Ort gefunden wurden. Er wurde anschließend zu Forschungslabors in den USA und Europa geschickt, um ihn näher zu untersuchen.

Höhlenformationen
Versteckt in der Struktur von lange vergessenen Höhlen wurden Informationen über einen Klimawandel entdecktBild: Douglas Kennett/Penn State

"Ähnlich wie die Ringe eines Baums kann man Stalagmiten benutzen, um die Klimaverhältnisse in der Vergangenheit zu rekonstruieren", sagt Breitenbach. Mithilfe der sogenannten #link:https://de.wikipedia.org/wiki/Radiometrische_Datierung:radiometrischen Datierung# konnten die Wissenschaftler feststellen, dass der obere Teil der Höhlenformation 2000 Jahre alt war und von 40 v.Chr. bis 2006 n.Chr. kontinuierlich gewachsen war.

Indem sie Yok-1 in hauchdünne Scheiben schnitten und dabei die #link: http://earthobservatory.nasa.gov/Features/Paleoclimatology_OxygenBalance:Sauerstoffisotope maßen#, konnten die Wissenschaftler Art und Menge der Niederschläge über die vergangenen 2000 Jahre nachvollziehen. Ihre Daten zeigten, wie feuchte und trockene Perioden das Leben auf der Halbinsel Yucatán über Jahrhunderte beeinflusst hatten.

"Jetzt können wir die geochemische Information mit den archäologischen Funden vor Ort vergleichen", sagt der Geochemiker.

Weit verbreitete Dürre

Die Daten umfassten auch detaillierte Informationen über den Niederschlag während der klassischen Maya-Periode, einer Ära, die von 250 bis 900 n.Chr. dauerte, und von Historikern als die Hochzeit der Mayakultur betrachtet wird - gekennzeichnet von der Expansion der Stadtstaaten und einem unverwechselbaren Schreibstil.

Als Forscher die archäologischen Maya-Funde mit den Proben von Yok-1 verglichen, bemerkten sie eine Korrelation zwischen Regen und dem Aufstieg und Fall der Zivilisation. Zwischen 820 und 870 n.Chr., beispielsweise, gab es durchschnittlich rund 40 Prozent #link: http://www.marc.ucsb.edu/research/maya/ancient-maya-civilization/classic-period:weniger Niederschläge# als in den vorangegangenen Jahrzehnten. Kennett vermutet daher, dass Dürre der Grund für den Kollaps der monumentalen Maya-Welt gewesen sein könnte.

Ein Fries in Belize
Die Zivilisation der Maya hat viele archäologische Relikte hinterlassen, die Hinweise auf ihren langsamen Niedergang enthaltenBild: Douglas Kennett/Penn State

"Es ist nicht die Tatsache, dass es trocken wird, sondern, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt trocken wird, als viele Menschen in der Region und geballt in großen Städten leben", sagt Kennett.

Es gibt Theorien, die besagen, dass die Mayakultur zwischen 440 und 650 n.Chr. aufblühte, als üppige Regenfälle zu Ernteerträgen führten, die ausreichten, um die schnellwachsenden urbanen Zentren der Region und deren wachsende Bevölkerung zu ernähren. Kennett zufolge folgte auf die feuchten Jahre eine trockenere Periode im 9. und 10. Jahrhundert, in der es mehrere schwere Dürren gab. Aber Dürre war nicht das einzige Problem der antiken mittelamerikanischen Zivilisation.

Frühzeitliche Entwaldung

Kennett glaubt, dass sich frühere Generationen von Maya-Bauern an gleichbleibende Niederschläge gewöhnt hatten und das Land zu intensiv bebaut hatten, um hohe Ernteerträge sicherzustellen. Um eine wachstende Bevölkerung zu ernähren, erweiterten sie ihre Anbaufläche vom Tiefland zu Terrassen in den umliegenden Hügeln. Dafür mussten sie jedoch den Wald und das Gestrüpp roden. Um die wachsende Bevölkerung zu ernähren, verließen sich die Bauern auf grenzwertiges Ackerland und schufen damit eine unsichere Zukunft.

"Als sich die Bedingungen rapide veränderten, saßen sie in der Falle", sagt Kennett.

Ein weiteres Problem war, dass sie glaubten von Chaac, dem Regengott der Maya, abhängig zu sein. Um ihn zu besänftigen und sicherzustellen, dass es genug Wasser gab, um ihr Land zu bebauen, befahlen die Herrscher den Bau von gewaltigen Tempeln und opferten die Könige feindlicher Stadtstaaten.

Ein antiker Tempel ragt bei Sonnenuntergang aus dem Nebel
Das Schicksal der Maya war seit langem ein ungelöstes GeheimnisBild: Inga Sieg

Als die Trockenperiode begann, gingen dieses Blutvergießen und der Krieg weiter. Das führte zu einem eskalierenden Kreislauf von Gewalt und Vergeltung, der die Region noch zusätzlich destabilisierte und die alte mittelamerikanische Gesellschaft untergrub.

Aber letztendlich war es scheinbar die anhaltende Trockenheit, die die Maya-Eliten nicht besiegen konnten. Und so taumelte ihre Zivilisation ihrem Ende entgegen. Die Menschen flohen aus den Städten in den Wald oder starben den Hungertod.

Kennett sieht die Geschichte als eine wertvolle Lektion für die moderne Welt. Er sieht "eindrucksvolle Parallelen" zum heutigen Kalifornien, welches im 19. Jahrhundert während einer Periode mit ergiebigen Niederschlägen besiedelt wurde und jetzt durch Dürre bedroht ist. "Die Situation ist angespannt", sagt er.