1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sprachrevolution an der Hochschule

Ruth Krause6. August 2012

Auf Deutsch studieren? Weil das für viele ausländische Studenten eine extreme Herausforderung ist, hat die Uni Karlsruhe einige ihrer Veranstaltungen mit dem weltweit ersten Simultan-Übersetzersystem ausgestattet.

https://p.dw.com/p/15X5O
Übersetzungsprogramm "lecture translator" auf einem Computerscreen (Foto:Sandra Göttisheim)
Übersetzungsprogramm "lecture translator"Bild: Sandra Göttisheim

50 junge Studenten in Sportkleidung und mit kurzgeschnittenen Haaren sitzen im Hörsaal, vor ihnen Laptops und Blöcke. Einige von ihnen sind aus dem Ausland an das renommierte Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gekommen. Deutschlandweit liegt der Anteil an ausländischen Studenten bei 11,4 Prouenz, am KIT ist er sogar noch etwas höher.

Damit für ausländische Studierende der Einstieg leichter wird, hat Alexander Waibel ein Übersetzungsprogramm entwickelt. Waibel ist Professor im Fachbereich Anthropomatik, ein Fach, das sich um die Schnittstellte zwischen Mensch und Maschine kümmert. Alexander Waibel hat in Japan gelebt, arbeitet parallel in den USA und Deutschland und weiß daher, wie wichtig eine gute Übersetzung ist. Sein sogenannter "Lecture Translator" übersetzt alles, was der Professor sagt – und schickt die englische Übersetzung als eine Art Untertitel zur Vorlesung auf die Laptops und Smartphones der Studenten. Jeder Student soll mitverfolgen können, was in der Vorlesung passiert - auch wenn er kein Deutsch spricht.

Evgeniy Shin, ein Usbeke Ende 20 hat sich bis zum 10. Semester durch sein Studium am KIT gebissen - nicht einfach in einer für ihn fremden Sprache. Besonders schwierig war es zu Beginn seines Studiums. Er findet das neue Übersetzungsprogramm der Uni Karlsruhe daher super. "Wenn es das Programm damals schon gegeben hätte, wäre am Anfang vieles einfacher gewesen", sagt Evgeniy Shin.

Vollautomatische Untertitelung

Rechner hochfahren, ins Internet gehen, auf der Homepage des Instituts einloggen- fertig. Schon hat man die Übersetzung der Vorlesung in Echtzeit auf dem Bildschirm. Damit das funktioniert, spricht der Redner in ein Mikrofon, die Aufnahme wird an das Übersetzungsprogramm weitergeleitet. Dieses erkennt jedes Wort das gesprochen wird, transkribiert alles erst auf Deutsch und übersetzt es dann ins Englische. Auf dem eigenen Rechner kann man die Vorlesung mit einer Zeitverzögerung von wenigen Sekunden mitlesen - in einer Spalte auf Deutsch in einer anderen auf Englisch. Auf dem Bildschirm sind dann Dinge zu lesen wie "How can be described the movement?" - keine grammatikalisch korrekte Frage, aber eine verständliche. Waibel räumt ein, dass das System noch nicht perfekt ist. Aber der Sinngehalt werde trotzdem vermittelt, so Waibel.

Professor Waibel in der Vorlesung (Foto: Sandra Göttisheim)
Professor Waibel in der VorlesungBild: Sandra Göttisheim

Den Neueinstieg erleichtern

Die Robotik-Vorlesung ist eine von vier Universitätsveranstaltungen, in denen das System im Moment im Einsatz ist. Bald soll es den Lecture Translator aber in vielen Vorlesungen in Karlsruhe geben - und nach Waibels Wunsch auch an Unis in anderen Städten. Den größten Bedarf gibt es bei Anfängervorlesungen. Die seien immer besonders voll, meint Waibel, und die internationalen Studenten hätten dann noch die größten Sprachbarrieren.

An der Uni Karlsruhe sind 15 Prozent der Studierenden Ausländer. Das ist für Deutschland zwar viel, aber doch wenig im internationalen Vergleich. Alexander Waibel möchte gerne noch mehr talentierte ausländische Studenten anlocken. Sein Ziel ist ein "brain gain". Dafür müsse man den Studierenden aber auch Angebote in Englisch machen, meint der Pofessor. Gleich ganz auf Englisch statt Deutsch zu unterrichten, kommt für ihn aber nicht in Frage. Das sei unrealistisch. "Zum einen können nicht unbedingt alle Dozenten und deutschen Studenten gut genug Englisch, zum anderen ist Sprache ja auch ein Ausdruck kultureller Identität", sagt Waibel. Daher bleibe es wünschenswert, die Vorlesungen auf Deutsch anzubieten. Evgenyi stimmt mit ihm überein. Er möchte keine Vorlesung komplett auf Englisch. Die deutsche Vorlesung zu hören und auf Englisch mitzulesen, helfe ihm dabei, die neue Sprache zu lernen.

Der lecture translator ist also eine Art Überbrückungstechnologie, ein guter Kompromiss. Alle Herausforderungen der Kommunikation kann er aber nicht lösen, denn ein paar Dinge sind nur schwer zu übersetzen. Humor zum Beispiel, sagt Evgenyi Shin. "Das schwierigste am Anfang war für mich, wenn Professoren Witze erzählt haben. Alle anderen um mich herum haben gelacht, nur ich habe es nicht verstanden". In solchen Moment könne aber auch das Übersetzungssystem das Problem nicht lösen, meint Evgenyi. Tröstlich. So bleibt wenigstens mindestens ein Grund für ausländische Studenten, Deutsch zu lernen.