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Dolmetscher, EU, Simulatanübersetzer, Sprache

26. März 2009

Ohne sie wäre der Alltag in den Institutionen der EU undenkbar, aber man sieht sie fast nie: die Dolmetscher. Doch in Brüssel fehlt der Nachwuchs und zwar ausgerechnet für die gängigen Sprachen wie Deutsch und Englisch.

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Blick auf die Europäische Kommission in Brüssel (Foto: Barbara Cöllen)
Bei 23 Sprachen in der EU sind Dolmetscher sehr wichtigBild: Barbara Cöllen/DW

Es ist kurz nach zwölf, Dolmetscher Gerald Dichtl übersetzt eine Pressekonferenz in der Europäischen Kommission. Sein Arbeitsplatz ist eine kleine Kabine auf der Empore des Pressesaals, eine Glasscheibe trennt den 43-Jährigen von den Rednern und Journalisten.

Spicken ist erlaubt, aber selten nötig

Eine Dolmetscherin sitzt vor einem Computer in ihrer Kabine (Foto: dpa)
Dolmetscher bleiben immer im HintergrundBild: picture-alliance/ dpa

Seit 19 Jahren arbeitet Dichtl als Dolmetscher für die EU, unzählige Sitzungen hat er erlebt und übersetzt. "Es entwickelt sich eine Dynamik in der Sitzung, Menschen aus verschiedenen Kulturen kommen zusammen und diskutieren, regen sich auf, ärgern sich, versuchen, eine Lösung zu finden. Das ist sehr interessant, wenn man sich auch ein bisschen für Psychologie interessiert", sagt er. Nach einer halben Stunde gibt Gerald Dichtl an seine Kollegin ab. Weil das simultane Übersetzen viel Konzentration erfordert, sind für jede Sprache mehrere Dolmetscher eingeteilt.

Meist weiß Dichtl vorher nicht, welche Themen in den Sitzungen besprochen werden. Er muss sich nur bei sehr spezifischen Themen vorbereiten. Wenn zum Beispiel der Fischereiausschuss tagt, schreibt Dichtl sich im Voraus eine kleine Vokabelliste. Spicken ist bei Dolmetschern durchaus erlaubt: "Sie können nicht alle Fische, die gerade in der politischen Diskussion sind in acht Sprachen im Schlaf parat haben", erklärt er.

Acht Sprachen und eine gute Intuition

Ein großer Saal mit vielen Konferenzteilnehmern an einem Tisch (Foto: AP)
EU-Dolmetscher übersetzen bei Konferenzen und SitzungenBild: AP

Die meisten Vokabeln aber hat Gerald Dichtl in acht Sprachen parat: Neben seiner Muttersprache deutsch und den für die EU so wichtigen Sprachen englisch und französisch spricht er auch noch spanisch, portugiesisch, italienisch und niederländisch. Gerade lernt er außerdem griechisch.

Dolmetscher wie ihn sucht die EU-Kommission händeringend, denn mit seinen 43 Jahren gehört Dichtl zu den Jüngeren. Weil demnächst viele Dolmetscher in Rente gehen werden, verliert die EU in den kommenden zehn Jahren ein Drittel ihrer Simultanübersetzer. Nachwuchs zu finden ist für Ian Andersen, dem Chef des Sprachendienstes, schwierig. "Wir suchen Menschen mit einer guten Intuition für das, was andere versuchen zu sagen. Wir brauchen Leute, die sehr schnell denken können und die sehr stressresistent sind", erklärt er. Solche Leute anzuwerben sei schwierig, weil Menschen mit diesen Fähigkeiten noch viele andere Jobs ausüben könnten.

Kein Platz für Selbstdarstellung

Die Flagge der EU weht im Wind
Für die EU zu übersetzen lohnt sich auch finanziell

Mit einer Werbekampagne will die EU nun junge Menschen in Europa motivieren, sich als Dolmetscher zu bewerben. Die Bewerber müssen harte Tests durchlaufen, doch sie zu bestehen, lohnt sich: EU-Dolmetscher verdienen zwischen 3500 und 10.000 Euro netto. Und die Jobs sind krisensicher: Viele Dolmetscher sind Beamte.

Sicher hat der Job auch Schattenseiten: Lob gibt es für Dolmetscher zum Beispiel selten, denn meist bleiben sie unsichtbar. Das sei nichts für Menschen, die eitel sind, meint der Dolmetscher Gerald Dichtl. "Wer im Rampenlicht stehen will, muss zu 'Deutschland sucht den Superstar' gehen. Man ist zwar mittendrin, aber man wird nicht als Individuum wahrgenommen. Für Selbstdarstellung ist da kein Platz."

Autorin: Anja Koch

Redaktion: Julia Kuckelkorn