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"Sprachen verschwinden lautlos"

12. August 2009

Allein 23 Amtssprachen hat die EU und unzählige Minderheitensprachen. Der Präsident des deutschen Komitees für Regional- und Minderheitensprachen in der EU, Karl-Peter Schramm, weiß, welche besonders gefährdet sind.

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Porträt von einem Herrn mit grauen Haaren und Brille (Foto:Karl-Peter Schramm)
Karl-Peter Schramm setzt sich für Minderheitensprachen einBild: Privat

DW-WORLD.DE: Herr Schramm, Livisch wird nur von einer kleinen Minderheit in Lettland gesprochen. Was macht eine solche Sprache förderungswürdig?

Karl-Peter Schramm: Zunächst einmal sehe ich das ganz sportlich: Diese kleine Sprache im Norden wurde traditionell schon mehr als 100 Jahre gesprochen. Das sollte man genauso erhalten, wie eine Pflanze beispielsweise, weil es zur Kultur dieses Landes gehört.

Wie werden solche Sprachen von der EU gefördert?

Erstmal erkennt man sie als Minderheitensprache an. Dann haben sie den Schutz der Charta für Regional- und Minderheitensprachen, und wenn das Land, in dem diese Sprache gesprochen wird, diese Charta ratifiziert, dann können diese Sprachen gewisse Ansprüche an den Kulturträger stellen. Das heißt: Dann kann man zum Beispiel an das Land Niedersachsen oder Lettland herantreten und um Unterstützung beim Erhalt der Sprache bitten. Direkte Mittel von der EU gibt es nur über Projekte. Das ist eine ganz schwierige Sache, weil die Projekte an Summen gebunden sind, die diese kleinen Sprachen, überhaupt nicht ausgeben können.

Wie viele Sprachen gibt es überhaupt in Europa?

Ich denke, es sind mindestens 150.

Und welche davon sind besonders gefährdet?

Besonders gefährdet sind die Regional- und Minderheitensprachen, die in der Charta genannt sind. Diese werden zum Teil nur von 2000 Menschen wie beim Saterfriesischen in Deutschland gesprochen oder haben 10.000 Sprecher wie beim Sorbischen. In der Förderung der Sprachen machen sich diese Unterschiede allerdings nicht so bemerkbar. Da muss sich jede Sprache erst einmal hinten anstellen und teilweise müssen sie den Erhalt und die Förderung der Sprache selbst regeln, über ihre Heimatvereine beispielsweise, also über ihre sorbischen oder über ihre friesischen Verbände.

Osterreiter: Brauchtum der katholischen Sorben(Archivfoto vom 15.04.2001) (Foto:dpa)
Osterreiter: Brauchtum der katholischen SorbenBild: picture-alliance / dpa

Was passiert eigentlich, wenn eine solche Sprache verschwindet?

Die Sprachen verschwinden meistens ganz lautlos. Vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit sind Tausende von Sprachen verschwunden – allein durch die Kolonialzeiten, in Süd- und in Mittelamerika zum Beispiel. Dort sind sehr viele Regionalsprachen verschwunden und sind durch das Spanische ersetzt worden. Bei uns im Saterland passiert das auch durch den Um- und Zuzug von Leuten, durch die Mobilität. Aber auch durch Flüchtlinge nach den Kriegen sind immer weniger Sprecher vorhanden.

Dann wurden die Sprachen auch irgendwann nicht mehr in den Schulen gelehrt. Sie wurden auch im Alltag nicht mehr gesprochen. Es hieß zum Beispiel eine Zeit lang: "Sprich Deutsch, dann hast du es einfacher". So kommt es, dass Sprachen kurz vor dem Aussterben stehen. Jetzt bemühen wir uns um den Erhalt der Sprachen. Dafür setzt sich das Europäische Büro für Regional- und Minderheitensprachen ein, aber auch die Heimatverbände.

Sprechen Sie selbst eine Minderheitensprache?

Das Wappen des Saterlandes
Das Wappen des Saterlandes

Ich gehöre der Gruppe der Saterfriesen an und spreche diese Sprache nur leidlich. Sie ist sehr schwer zu sprechen. Ich bin auch zugezogen, wohne jetzt aber seit 30 Jahren im Saterland und habe so auch einiges erlernt.

Können Sie uns eine kleine Kostprobe geben?

Bei der Frage "Wie heißt du?" sagt man auf Saterfriesisch: "Wo hats du?" Und dann antwortet man: "Ick hete Karl" – "Ich heiße Karl".

Karl-Peter Schramm arbeitet ehrenamtlich für das Europäische Büro für Regional- und Minderheitensprachen als Präsident des deutschen Komitees. Er ist pensionierter Sonderschullehrer.

Das Interview führte Silke Wünsch.
Redaktion: Nicole Scherschun