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Spitzensportfunktionär Walther Tröger tot

31. Dezember 2020

Walther Tröger galt über Jahrzehnte als einer der einflussreichsten deutschen Spitzensportfunktionäre. Lange gehörte er dem Internationalen Olympischen Komitee an. Mit 91 Jahren ist das IOC-Ehrenmitglied nun verstorben.

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Walther Tröger | deutscher Sportfunktionär
Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Das Attentat am 5. September 1972 auf die Olympischen Spiele in München war die wohl größte Herausforderung in der jahrzehntelangen Sportfunktionärskarriere von Walther Tröger. Als Bürgermeister des olympischen Dorfes verhandelte er mit den palästinensischen Terroristen, die israelische Athleten, Trainer und Kampfrichter als Geisel genommen hatten. " "Ich war bis zum Schluss dabei", berichtete Tröger, der am Mittwoch im Alter von 91 Jahren starb, später. "Meine Aufgabe war es, die Ultimaten immer wieder zu verlängern." Bei dem Anschlag kamen 17 Menschen ums Leben.

Wie seine Familie mitteilte, ist Tröger aus "alterbedingten Ursachen" friedlich gestorben. Sein Sohn Wolfram Tröger und seine Tochter Sabine Groß würdigten ihn als einen Menschen, der "sein Verantwortungsbewusstsein, seine Entscheidungsklarheit, Menschlichkeit und Zuverlässigkeit" sein Leben lang im Dienste des deutschen und internationalen Sports einsetzte.

Sportfunktionär mit klaren Zielen

Der im bayerischen Wunsiedel geborene Jurist begann seine sportpolitische Karriere beim Allgemeinen Deutschen Hochschulbund, den er von 1953 bis 1961 als Generalsekretär mit lenkte. Danach wechselte Tröger in gleicher Funktion zum Nationalen Olympischen Komitee (NOK), bis er zum Sportdirektor des Internationalen Olympischen Komitees (1983 bis 1990) aufstieg.

1992 trat der praxisorientierte Funktionär die Nachfolge des Visionärs Willi Daume als NOK-Präsident (bis 2002) an - und erlebte am Ende eine der bittersten Stunden seiner Laufbahn. Bei einer Kampfabstimmung um die Wiederwahl verlor er gegen Klaus Steinbach. "Ich bin unzufrieden und fühle mich ungerecht behandelt", beklagte Tröger damals tief getroffen. "Natürlich ist das nicht der Abgang, wie ich ihn mir vorgestellt habe."

März 1999: Der damalige NOK-Chef Walther Tröger 1999 mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (M.) und Antonio Samaranch, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees bei einem Termin in der bayerischen Landeshauptstadt
März 1999: Der damalige NOK-Chef Tröger 1999 mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (M.) und Juan Antonio Samaranch, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees in der bayerischen LandeshauptstadtBild: picture-alliance/dpa

Großes Renommee erwarb er sich im IOC. Die "Frankfurter Rundschau" nannte ihn einst den "ewigen Olympier". Von 1989 bis 2009 war er IOC-Mitglied und wurde anschließend zum Ehrenmitglied ernannt. Als Chef de Mission führte er die deutsche Olympia-Mannschaft von 1976 bis 2002 achtmal bei Spielen an. Seit Tokio 1964 erlebte Tröger 27 Olympische Spiele.

Mann der klaren Worte

Der frühere Basketballer war nicht nur ein Kenner des Weltsports, sondern auch ein Mann mit Einfluss, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt und polarisierte. So behauptete er anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dass die Fusion aus NOK und dem Deutschen Sportbund (DSB) falsch und auch der Grund für das Scheitern der drei in diese Zeit fallenden Olympia-Bewerbungen gewesen sei.

Auch bei den Olympischen Spielen in Rio nahm er bei der Diskussion um einen kompletten Ausschluss Russlands wegen systematischen Dopings und die Ablehnung des Banns durch das IOC kein Blatt vor dem Mund. "Es wäre gut, wenn das IOC in dieser Frage ein Beispiel setzt. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Sports", sagte Tröger damals.

Überhaupt stellte er dem IOC kein gutes Zeugnis aus. "Olympia ist in der Krise", befand er anlässlich seines 90. Geburtstages im Februar 2019. Die Menschen glaubten trotz der Reformagenda 2020 des IOC nach wie vor, dass es bei Olympischen Spielen nur um Geld und Prestige gehe, aber nicht um die Interessen der Ausrichter. Deshalb gebe es in Städten von Ländern, die wirklich geeignet wären, kaum noch Interesse an den Spielen. Deshalb habe es das IOC nur noch mit "Hinterwäldlern" zu tun, "die keine Ahnung haben und gar nicht olympisch denken". Dies kann man dem streitbaren Funktionär selbst nicht vorwerfen, der den Ehrentitel "Mr. Olympia" zutreffend fand. "Ich habe Olympia viel gegeben - und Olympia hat mir viel gegeben", bilanzierte Tröger.

ck/sti (dpa, sid)