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Schleswig-Holstein

Das idyllische Friedrichstadt im Norden Deutschlands will Touristen seine religiöse Vielfalt näher bringen. Seit jeher leben dort Anhänger unterschiedlichster Glaubensrichtungen friedlich miteinander.

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Fassaden der historischen Bauten von Friedrichstadt
Friedrichstadt wird gern als Holländerstadt bezeichnetBild: AP

Mit seinen Kanälen, Brücken und Giebeln gleicht Friedrichstadt einer holländischen Idylle. Die wenigsten Touristen wissen jedoch, dass der kleine nordfriesische Ort mit seinen 2500 Einwohnern seit Jahrhunderten als "Stadt der religiösen Toleranz" gilt. Lutheraner, Remonstranten, Mennoniten, Katholiken und Juden leben seit jeher friedlich miteinander. Jetzt bieten die Kirchen gemeinsam Stadtrundgänge an.

Unikum außerhalb der Niederlande

Holländische Remonstranten gründeten die Stadt 1621 mitten im 30-jährigen Krieg in der sumpfigen Niederung der Treene. Herzog Friedrich III. hatte die protestantischen Remonstranten, die von den Calvinisten wegen ihres freiheitlichen Glaubens verfolgt wurden, nach Schleswig-Holstein geholt. Religiöse Toleranz war den holländischen Stadtgründern ein zentrales Anliegen. So wurde keine Kirche am Markt gebaut, weil keine Religion Überlegenheit demonstrieren sollte. Heute hat Friedrichstadt die einzige Remonstranten-Kirche außerhalb der Niederlande mit 180 Gemeindemitgliedern.

Spirituelle Führungen für Gruppen

Vor vier Jahren haben sich die fünf Kirchen und die jüdische Gedenkstätte zusammengetan, um den zahlreichen Touristen die religiöse Vielfalt näher zu bringen. "Das ist ein Schatz, den man einfach nutzen muss", sagt der evangelische Pastor Michael Jordan. Für Gruppen bietet er auch spirituelle Führungen mit Gebet und Segen an.

In Friedrichstadt durfte 1625 auch erstmals nach der Reformation nördlich der Elbe eine katholische Messe gefeiert werden. Allerdings ging die Toleranz damals nicht so weit, dass ein Bischof einreisen durfte. So konnte die erste katholische Kirche 1846 nicht offiziell geweiht werden. Schon vier Jahre später stürzte sie ein. Die Nachfolgekirche St. Knud soll vom Maler und Bildhauer Otmar Alt zu einer Kunstkirche umgestaltet werden.

Lebendige Gemeinde

Rund 400 Mennoniten lebten um 1700 in Friedrichstadt. Sie gründeten sich im 16. Jahrhundert aus der Täuferbewegung. Und weil sie als fleißige Kaufleute galten, durften sie sich in Friedrichstadt ansiedeln. Einmal im Monat feiern rund 30 Gemeindemitglieder einen Gottesdienst. Ihre Jugendlichen gehen zum Konfirmanden-Unterricht in die evangelische Gemeinde, deren Kirche 1644 gebaut wurde, und werden dann in der eigenen Kirche getauft. Gäste der Mennoniten-Kirche sind die dänischen Lutheraner, deren Gemeinde rund 100 Mitglieder zählt.

Ehemalige Synagoge ist Gedenkstätte

Auch Quäker, schwedische Kirchen-Separatisten, Zeugen Jehovas und Mormonen siedelten sich zeitweise in Friedrichstadt an. Juden durften hier im 18. Jahrhundert Grundbesitz erwerben und Handel treiben. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs die Gemeindezahl auf über 400 an. Die tolerante Tradition hielt die Friedrichstädter Nazis nicht davon ab, die Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 zu verwüsten und das kostbare Inventar an einen Altmetall-Händler zu verkaufen. Eine Jüdische Gemeinde existiert nicht mehr, die einstige Synagoge ist heute eine Gedenkstätte. (epd)