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Spirale dreht sich abwärts

Daniel Wortmann9. September 2002

Investitionsrückgänge, sinkendes Verbrauchervertrauen und fallende Börsenkurse – in Deutschland und den USA macht sich Konjunkturpessimismus breit. Die negative Stimmung wird nach Meinung von Experten weiter anhalten.

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Konjunkturflaute: Kein Wachstum in SichtBild: AP

"Wir befinden uns am Scheideweg", sagt Ulrich Beckmann, Volkswirt bei der Deutschen Bank, im Gespräch mit DW-WORLD. "Es gibt eine geringe Hoffnung, dass sich unsere Konjunktur mit Hilfe der amerikanischen Wirtschaft wieder erholt." Allerdings werde auch dort das Wachstum bereits schwächer.

Trend zeigt nach unten

Das anhaltende Stimmungstief in der deutschen Wirtschaft zwingt mittlerweile die Wirtschaftsforschungsinstitute dazu, ihre ohnehin mageren Wachstumsprognosen, die schon jetzt meist unter einem Prozent liegen, einer erneuten Prüfung zu unterziehen. "Unsere Prognose von 0,7 Prozent Wachstum ist inzwischen mit einigen Risiken behaftet", ließ sich Gernot Nerb, Chefvolkswirt des ifo-Instituts, vor wenigen Tagen zitieren. Die Beschleunigung in der zweiten Jahreshälfte lasse noch auf sich warten. Auch die Europäische Zentralbank denkt offenbar darüber nach, ihre Erwartungen nach unten zu korrigieren.

Der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der HypoVereinsbank, Thomas Hueck, rechnet sogar mit einer weiteren Abschwächung des konjunkturellen Tempos. "Das dritte Quartal könnte noch ganz ordentlich werden, mit einer nachhaltigen Belebung ist aber nicht zu rechnen", erklärte Hueck im DW-WORLD-Interview. Der Trend zeige weiter nach unten.

Alle sparen

Drei Faktoren drücken derzeit auf die Konjunktur. Zum einen ist die Konsumbereitschaft der Verbraucher gesunken – wie üblich steigt somit in schlechten Zeiten die Sparquote. Zudem gehen die Investitionen der Unternehmen zurück. Das liegt für Volkswirt Hueck auch daran, dass in der Vergangenheit viele Firmen ihre Investitionen über die Aktienmärkte finanziert haben: "Dies ist bei der derzeitigen Marktschwäche kaum noch möglich." Auch die Unternehmen sind also zum Sparen gezwungen.

In einer solchen Situation, erläutert Ulrich Beckmann von der Deutschen Bank, müsse letztendlich auch der Staat seine Ausgaben reduzieren, um nicht aufgrund von höheren Sozialausgaben und niedrigeren Steuereinnahmen eine zu hohe Neuverschuldung zu erreichen. "Das lässt sich in Zeiten des EU-Stabilitätspaktes kaum verhindern", erläutert Beckmann. "Wenn aber nun diese drei Gruppen gleichzeitig sparen, rückt eine Belebung der Wirtschaft in weite Ferne."

Abwärtsspirale befürchtet

Die Flaute an den Aktienmärkten könnte die wirtschaftlichen Probleme noch verstärken. Beckmann fürchtet sogar eine "Abwärtsspirale". Dabei wirken Börsenkurse und Konjunktur gegenseitig aufeinander ein und drücken sich immer weiter abwärts. Dies birgt die Gefahr einer Endlosschleife, aus der jetzt ein Ausweg gefundne werden muss.

Nach Huecks Ansicht gibt es noch eine Reihe von Voraussetzungen für einen neuerlichen Aufschwung: "Zunächst einmal gilt es für Europäische Zentralbank, die Zinsen zu lockern. Zudem ist es wichtig, das Vertrauen der Menschen in die Aktienmärkte wiederherzustellen. Das ist schwierig, weil es nach den Kursstürzen der letzten Zeit keine wirkliche Übereinstimmung darüber gibt, wie Aktien zu bewerten sind." Ohnehin stünden die Börsen im Vorfeld des Jahrestags der Anschläge vom 11. September unter zusätzlichem Druck.

Gegen Konsolidierungspolitik

Neben diesen Maßnahmen sehen die Volkswirte Hueck und Beckmann zudem die Möglichkeit, die Gesamtnachfrage durch staatliche Ausgaben zu beleben. "Das soll kein Aufruf zur ausufernden Verschuldung sein", schränkt Hueck ein. Dennoch sei eine Konsolidierungspolitik im Moment der falsche Weg.

Bis solche Maßnahmen jedoch greifen, wird es eine Weile dauern. So wird die zweite Jahreshälfte offenbar weiter von einer negativen wirtschaftlichen Stimmung getrübt sein. Sollten sich zudem die Anzeichen für einen Angriff der USA auf den Irak verdichten, die jetzt schon die amerikanischen Börsen belasten, bleibt die Aussicht auf Erholung wohl nur eine langfristige.