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Iran Großbritannien

30. November 2011

Am Dienstag wurde die britische Botschaft im Iran von Demonstranten gestürmt. Daraufhin weist England alle iranischen Diplomaten aus und Deutschland ruft seinen Botschafter aus Teheran zurück. Sybille Golte kommentiert.

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Bild: DW

Man reibt sich verwundert die Augen: Lautstarker Protest auf den Straßen von Teheran – daneben fast teilnahmslos schwer bewaffnete Sicherheitskräfte. Dann der Sturm auf die britische Botschaft – und die Polizei schaut zu.

Das kennt man anders. Bei den Massendemonstrationen nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 gingen Sicherheitskräfte mit erbarmungsloser Härte gegen Demonstranten der grünen Bewegung vor. Tausende wurden verhaftet, jede Ansammlung von mehr als zehn Menschen auseinandergetrieben. Viele Oppositionelle sitzen bis heute im berüchtigten Evin-Gefängnis.

Sybille Golte
Sybille Golte-Schröder kommentiert

Nun wird also wieder demonstriert, doch diesmal unter anderen Vorzeichen. Die angeblichen Studenten skandieren Parolen, die genau ins Konzept des umstrittenen Präsidenten passen. Ahmadinedschad liefert sich seit langem einen zermürbenden Machtkampf mit der Geistlichkeit des Landes. Die internationale Kritik an seiner Atompolitik und die harten Sanktionen, die in Kürze unter anderem auch von der EU verhängt werden, nutzt er geschickt, um innenpolitisch an Boden zu gewinnen.

Ahmadinedschad sucht innenpolitischen Rückhalt

Die Atompolitik ist eines der wenigen Themen, bei dem viele Iraner nach wie vor an der Seite ihres Präsidenten stehen. Innenpolitisch könnte Ahmadinedschads Position durch spektakuläre Aktionen, wie den Sturm auf die britische Botschaft, gestärkt werden.

Das wäre ein gefährliches Spiel. Der letzte Bericht der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) hatte belegt, dass Iran zumindest versucht hat, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. Seitdem ist die Lage brenzlig. Israel droht unverhüllt mit Militärschlägen gegen die iranischen Atomanlagen. Eine Verschärfung der internationalen Sanktionen ist schon jetzt unausweichlich.

Präsident Ahmadinedschad reagiert darauf, wie seit Jahren sattsam bekannt: Er droht mit Gegenschlägen, polemisiert gegen den Westen und signalisiert diffuses und geringes Entgegenkommen gegenüber der IAEO.

Wenn jetzt der iranische Außenminister verkündet, man wolle gegen die Demonstranten vorgehen, dann ist das wenig glaubwürdig. Gerade noch hatte das Parlament in Teheran beschlossen, die Beziehungen zu Großbritannien herabzustufen. Nun zieht London selbst sein diplomatisches Personal zurück und weist seinerseits die iranischen Diplomaten aus. Auch Deutschland hat inzwischen seinen Botschafter aus Teheran zurückgerufen.

Die Spirale der Eskalation dreht sich weiter

Ein verhängnisvolles Symbol! Ist die Diplomatie im iranischen Atomkonflikt ausgereizt? Und was kommt dann? Hat Ahmadinedschad seine Anhänger noch unter Kontrolle oder werden mit Verschärfung der Sanktionen weitere Botschaften gestürmt?

Meldungen über Explosionen in der Nähe iranischer Nuklearanlagen in den letzten Wochen lassen zusätzlich aufhorchen, zuletzt am Montag in Isfahan. In den israelischen Medien wird offen darüber diskutiert, ob der eigene Geheimdienst hinter den mysteriösen Anschlägen steckt.

Wenn das zutrifft, hat der Streit um Irans Nuklearprogramm die Verhandlungsebene verlassen. Mit dem Angriff auf die britische Botschaft in Teheran dreht sich die Eskalationsspirale weiter – mit unüberschaubaren Konsequenzen.

Autorin: Sybille Golte-Schröder
Redaktion: Ana Lehmann