1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Spezialkliniken für das späte Glück

Nicole Goebel11. Juni 2012

In Deutschland steigt die Zahl der Spätgebärenden. Das bedeutet ein höheres Risiko für Mutter und Kind und besondere Herausforderungen für Mediziner. Doch an Spezialkliniken, wie es sie in anderen Ländern gibt, fehlt es.

https://p.dw.com/p/15BtP
Ein Baby wird von einer Hebamme kurz nach seiner Geburt untersucht (Bild: Waltraud Grubitzsch)
Bild: picture-alliance/dpa

In medizinischer und technischer Hinsicht hat sich in den letzten Jahren viel getan, um den Müttern das Kinderkriegen so leicht wie möglich zu machen. Die Kreißsäle in den Kliniken gleichen luxuriösen Hotelzimmern, Vorsorgeuntersuchungen sind unkomplizierter und vor allem zuverlässiger geworden. So sind beispielsweise Ultraschallbilder vom Ungeborenen heute in der 12. Schwangerschaftswoche viel deutlicher und klarer als noch vor zwei Jahrzehnten Bilder aus der 20. Woche.

Operationen am Ungeborenen im Mutterleib

Professor Ulrich Gembruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pränatalmedizin und Geburtshilfe, erklärt, dass heute bereits vor der Geburt viele fötale Schäden behandelt werden können, zum Beispiel bei Herz-Rhythmus-Störungen, bei Blutarmut oder bei Zwerchfell-Hernien: "Man kann das Lungenwachstum durch Einlegen eines Ballons in die Luftröhre verbessern, und man kann sogar ein ungeborenes Kind im Mutterleib operieren, wenn es zum Beispiel einen offenen Rücken hat", erläutert Gembruch.

Prof. Renaldo Faber (l) vom Zentrum für Pränatale Medizin in Leipzig bei einem Kaiserschnitt (Bild: Waltraud Grubitzsch)
Immer häufiger kommen Kinder per Kaiserschnitt zur WeltBild: picture-alliance/dpa

Zahl der Spätgebärenden steigt

Frauen bekommen ihre Kinder immer später, statistisch gesehen im Alter von durchschnittlich 30 Jahren. 28 Prozent der Frauen in Deutschland sind sogar über 35. Das bedeutet höhere Risiken. Das bekannteste ist Trisomie 21, das Down-Syndrom. Aber auch hier, so Professor Gembruch, gebe es eine sehr positive Entwicklung. Vor 20 Jahren habe man im Ultraschall das Kind sehen können, man habe die Länge des Kindes messen, aber alles andere hätten die Ärzte nicht einschätzen können. Heute, so der Mediziner, sei das ganz anders. "Sie können das Herz beurteilen, das Gehirn, die Nackentransparenz. Und den größten Teil der Kinder mit Trisomie 21 können sie anhand des Ultraschalls entdecken." Und so spiele das Alter als Risikofaktor eine immer geringere Rolle.

Periduralanästhesie gegen Geburtsschmerzen

Gegen die Schmerzen während der Geburt wird gerade bei Spätgebärenden oftmals eine PDA vorgenommen, eine Narkose über das Rückenmark. Damit wird der Geburtsschmerz weitestgehend ausgeschaltet. In Deutschland wird diese Methode in 60 bis 70 Prozent aller Geburten eingesetzt, in Großbritannien, den USA oder den skandinavischen Ländern noch weitaus häufiger. PDA ja oder nein? Das liegt oft nicht nur im Ermessen der werdenden Mutter. Denn manchmal ist eine solche örtliche Betäubung gar nicht erst möglich, weil in der Klinik schlichtweg kein Anästhesist rundum die Uhr vor Ort ist.

Ultraschall-Aufnahme eines Ungeborenen (Bild: DW)
Extrem klar: 4D-Ultraschallaufnahme eines EmbryosBild: DW/N.Goebel

Bessere Versorgung bei Komplikationen

Die Situation für Mutter und Kind zu verbessern, ist eines der Hauptanliegen von Ullrich Gembruch. Er will strukturelle Veränderungen in deutschen Kliniken herbeiführen und auch eine bessere pränatale und perinatale Versorgung, denn in dieser Hinsicht müsse in Deutschland noch einiges aufgeholt werden. "Kinder, die einen Herzfehler haben, können nicht in jedem Pränatalzentrum entbunden werden, sondern nur dort, wo ein Kinderkardiologe oder ein Kinderchirurg arbeitet und wo es spezielle Beatmungstechniken gibt."

Frauen, so Gembruck müssten dort entbinden können, wo entsprechende Fachärzte sind. üDoch in Deutschland, kritisiert er, gäbe es viel zu wenig solcher Spezialkliniken. Portugal dagegen ist in dieser Hinsicht vorbildlich, dort entbinden die meisten Frauen in spezialisierten Kliniken. Wenn nötig, sind Fachärzte und Fachpersonal da, falls Komplikationen auftreten. Die Säuglingssterblichkeit in diesem Land ist enorm zurückgegangen.