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Spanische Flughäfen besser gerüstet

Stefanie Claudia Müller Madrid
4. Juli 2022

An spanischen Flughäfen streikt das Personal der Billigflieger Ryanair und Easyjet. Doch unsere Korrespondentin berichtet, dass Spanien bei Verkehr und Infrastruktur vieles besser macht als Deutschland.

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Ansicht Flughafen Palma de Mallorca
Beliebtes Reiseziel in Spanien - MallorcaBild: Andreas Arnold/dpa/picture-alliance

Mein Bruder Wolfgang hatte bisher ein eher negatives Bild von den Spaniern: Sie feierten gerne, kämen zu spät und seien schlecht organisiert. Aber seit seinem letzten Aufenthalt in Madrid muss er seine klischeehafte Vorstellung überdenken, auch die über Deutschland.

Am letzten Samstag im Juni hatte er sich extra drei Stunden vor Abflug am Düsseldorfer Flughafen eingefunden, um wegen der Wartezeiten zu Ferienbeginn nicht seinen Flieger nach Madrid zu verpassen. Er hatte die spanische Iberia gebucht, Teil des Luftfahrtkonzerns International Airlines Group (IAG). Sein Flug wurde zwar, anders als bei Lufthansa und Eurowings an diesem Tag, nicht wegen Personalmangel gestrichen, doch er musste wegen dem Chaos auf dem Rollfeld eine Stunde im Flieger sitzen, bevor es losging.

Als er verspätet im gelbleuchtenden modernen Terminal 4 in Madrid ankam, dauert es dagegen nur 20 Minuten, bis er im Airport-Bus saß, der ihn für 5 Euro in die Madrider Innenstadt brachte. "Ich konnte sogar mit dem Handy bezahlen", sagte er.

Schnelle Rückkehr zur Normalität

Spaniens Infrastruktur ist mancherorts moderner als in Deutschland, vor allem dank der EU-Hilfen. Auch habe Spanien den Vorteil, dass es nach der Pandemie schon früh zum Normalverkehr auf Schiene und dem Rollfeld zurückgekehrt sei und damit zügig den Kurzarbeit-Modus verlassen habe, erklärt eine Führungskraft eines deutschen Unternehmens, das auf Gepäckverarbeitung für Flughäfen und Airlines spezialisiert ist.

Weil Spanien vom Tourismus lebt, wurde seit Sommer 2020 schrittweise wieder alles geöffnet. In Rekordtempo wurden die Menschen geimpft, um einen neuen Lockdown zu verhindern.

Lange Schlangen vor den Check-in-Schaltern
Auf die Menge der Passagiere zu Ferienbeginn waren viele Flughäfen in Deutschland (hier Düsseldorf) schlecht vorbereitetBild: Kadir Ilboga/AA/picture alliance

Weil die Spanier im Jahr 2021 fast schon wieder bei 50 Prozent des Passagieraufkommens von 2019 waren, haben die dortigen Flughäfen heute auch weniger finanzielle Probleme. Zudem werden sie alle unter dem Dach des teilstaatlichen Flughafenbetreibers Aena geführt, nach gleichen technischen Standards, was die Koordination vereinfacht.

Hinzu kommt, dass die spanische Infrastruktur - anders als in Deutschland - normalerweise nicht überlastet ist. Seit dem spanischen EU-Beitritt 1986 viel Geld aus Brüssel in Straßen, Schienen und Flughäfen geflossen sind. Die Strukturbeihilfen der EU für Spanien summieren sich in diesem Zeitraum auf 160 Milliarden Euro, so eine Analyse der Ökonomen Santiago Álvarez García und Juan José Rubio Guerrero von der Universität von Oviedo und der autonomen Region Castilla-La Mancha.

Mit dem Geld wurden auch Flughäfen und das Schienennetz modernisiert. Die Hochgeschwindigkeitszüge des Landes gelten als komfortabel und pünktlich.

Personal und Polizei

All das zahlt sich nun im Sommer 2022 aus. Auch was Sicherheit an Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen betrifft, kann man den Spaniern in Europa kaum noch etwas vormachen.

Erst vor rund zehn Jahren endete in Spanien der blutige Terror der baskischen Separatistenorganisation ETA. Noch immer hat das Land mehr als 250.000 Polizeikräfte. Pro 100.000 Einwohner sind das mehr als im EU-Schnitt und auch deutlich mehr als in Deutschland.

Im Notfall können in Spanien Polizisten und Soldaten flexibel eingesetzt werden. So war es während der Corona-Pandemie, während des Schneechaos' 2021 und auch beim Vulkanausbruch auf La Palma.

"Ob bei der Organisation der NATO-Gipfels in Madrid, der Klimakonferenz COP25, die 2019 zwei Monate vor Beginn von Chile nach Madrid verlegt wurde, oder dem jetzigen Ansturm der Touristen - der entscheidende Erfolgsfaktor ist unsere enorme Koordinationsfähigkeit zwischen Sicherheitsfirmen, Polizei, Streitkräften und den technischen Überwachungssystemen", sagt Emilio Sánchez de Rojas, ehemaliger NATO-Oberst und Dozent an der EAE Business School in Madrid.

Im Juni wurden nach anfänglichen Schwierigkeiten bei den Passkontrollen am Madrider Flughafen zusätzliche Polizeikräfte an die zwölf größten Flughäfen geschickt.

Digitalisierung hilft

Natürlich kam und kommt es auch derzeit auf spanischen Flughäfen zu Verspätungen und Warteschlangen. Das liegt aber vor allem an Streiks des Bodenpersonals bei Ryanair und Easyjet sowie dem Chaos auf den Zubringer-Flughäfen.

Natürlich hat das Land auch mehr Erfahrung mit Touristenmassen. Im Rekordjahr 2019 wurden 275 Millionen Passagiere durchgeschleust. Die Fluggesellschaft Iberia - früher chaotisch - ist inzwischen effizient und stark digitalisiert, genau wie die Flughäfen. In Palma de Mallorca werden zum Beispiel die Passagiere schon gezählt, wenn sie in die Abflughalle hochfahren. Dementsprechend wird dann an der Sicherheitskontrolle Personal aufgestockt oder abgezogen.

Auch hilft, dass Iberia und der Flughafenbetreiber Aena während der Pandemie weniger Mitarbeiter gestrichen haben als zum Beispiel die Lufthansa und viele deutsche Flughäfen. "Die Lufthansa Gruppe hat trotz unglaublich hoher Hilfsgelder vom Staat viel zu viele Stellen abgebaut", sagt der Schweizer Branchenkenner und Unternehmensberater André Dosé.

Pragmatismus ist ein Vorteil

Die Spanier zeichnen sich im Alltag zudem durch Pragmatismus aus. "Es wird hier nicht alles wie in Deutschland durchdiskutiert. Das hat sich schon beim Impfen gezeigt", sagt der auf Mallorca lebende deutsche Rechtsanwalt Tim Wirth. "In Palma hat sich der Flughafen zum Ziel gesetzt, dass beim Sicherheitscheck niemand länger als zehn Minuten warten muss. Mit einigen wenigen Ausnahmen wird das auch in diesem Sommer eingehalten."

Wirth sagt, was den Umgang mit Corona angeht, staunten seine Mandanten oft nicht schlecht, wenn sie auf die Insel kommen. Bereits im Frühjahr 2021 hatte Spaniens Premierminister Pedro Sánchez erklärt, dass COVID 19 zukünftig wie eine Grippe behandelt werde. Seit Anfang des Jahres gibt es nicht einmal mehr eine Quarantänereglung für Erkrankte. In Deutschland wird dagegen bereits über den Winter und mögliche Restriktionen nachgedacht.

Als mein Bruder am Dienstag wieder in Düsseldorf ankommt, gibt es dort sofort Probleme. Erneut muss er 20 Minuten im Flieger auf dem Rollfeld warten. Hinzu kommt zu später Stunde das Chaos beim Nahverkehr. Im letzten Moment wird ein Gleiswechsel angekündigt, nachdem es schon zu Verspätungen gekommen war.

Er hatte mir schon nach der Abfertigung in Madrid eine Text-Nachricht geschickt: "Die Spanier sind inzwischen einfach besser organisiert als die Deutschen." Im Oktober will er wiederkommen.