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Schadet Spaniens Monarchie der Wirtschaft?

Stefanie Claudia Müller Madrid
5. August 2020

Der frühere König Juan Carlos steht unter Korruptionsverdacht und ist ins Exil geflüchtet. Jetzt diskutiert das Land, ob die Monarchie überhaupt einen Nutzen hat, auch für die Wirtschaft.

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Spanien König Juan Carlos und  König Abdullah Bin Abdelaziz Al Saud aus Saudi-Arabien
Spaniens früherer König Juan Carlos (r.) und der inzwischen verstorbene saudische König Abdullah im Jahr 2008Bild: AFP/P.-P. Marcou

Für den spanischen Universitätsprofessor Francisco Javier Álvarez hat sich der emeritierte König Juan Carlos im Laufe seiner Amtszeit zu einem gewöhnlichen Betrüger entwickelt, der Geldkoffer in Steuerparadiese manövrierte: "Wie ein kleinkrimineller Bauunternehmer", urteilt der renommierte Strafrechtsexperte der Madrider Universidad Carlos III.

Álvarez glaubt, dass der frühere König, "typisch für die Bourbonen", dem Land wirtschaftlich mehr geschadet als genutzt habe durch sein "obszönes" Verhalten. Spanische Staatsanwälte ermitteln aktuell gegen Juan Carlos wegen des Verdachts, vom saudischen Königshaus Kommissionen in Millionenhöhe erhalten zu haben für den spanischen Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Mekka und Medina.

Mit dem gerade erfolgten Gang ins Exil sorgt Juan Carlos erneut für einen Skandal. In einer offiziellen Pressekonferenz der spanischen Regierung wird nicht darüber berichtet, wo er sich aufhält und wie er sein neues Leben finanzieren wird, wo ihm doch sein Sohn Felipe VI. wegen der sich erhärtenden Verdächtigungen schon im März das staatliche Jahresgehalt von rund 200.000 Euro entzogen hat.

Korruption und Vetternwirtschaft

Aber das sei nicht alles. Er habe während seiner Amtszeit vielfältige Geschenke und Zahlungen von Unternehmern und Regierungen angenommen, die nicht klar als solche ausgewiesen worden wären, sagt Strafrechtler Álvarez. Von Jahr zu Jahr sei es schlimmer geworden.

Mekka-Metro
Mit 300 km/h können Saudis zwischen Mekka und Medina reisen - in Zügen aus SpanienBild: picture-alliance/Photoshot

Hinzu kamen Frauengeschichten und dann eine schicksalhafte Safari: 2012, als Spaniens Finanzsystem vor dem Bankrott stand, wurde der König bei einer gesponserten Elefantenjagd in Botswana abgelichtet.

"Es war der Anfang vom Ende einer Ära, in der Korruption und Vetternwirtschaft in unserem Land an der Tagesordnung waren", sagt Fernando Cocho Pérez, Sicherheitsexperte und und Gründer der Tech-Beratung H4dm.

2014 dankte der heute 82-jährige Juan Carlos ab - offiziell aus gesundheitlichen Gründen. "Aber in Wirklichkeit war der Monarch nicht mehr haltbar als Staatsoberhaupt", sagt Cocho Pérez. Es wurden Konten in der Schweiz entdeckt und eine Stiftung in Panama, die mit dem Königshaus in Verbindung gebracht werden.

Vom Botschafter der Wirtschaft zum Problemfall

Der angesehene Ökonom Juan Velarde Fuertes hält trotzdem an der Monarchie fest - wie viele spanische Konservative. Der 93-Jährige hat für die Diktatur gearbeitet, als Juan Carlos noch im Exil in Portugal lebte. Dort wird der frühere König auch jetzt vermutet, allerdings berichten einige Medien auch, er sei bei einem Unternehmerfreund in der Dominikanischen Republik untergeschlüpft.

Coronavirus - Spanien
Spaniens König Felipe VI. verzichtete im März 2020 auf das Erbe seines VatersBild: picture-alliance/dpa/Europa Press/Casa De S.M. El Rey

Trotz aller Skandale glaubt Ökonom Velarde Fuertes, dass sich die spanische Monarchie für die heimische Wirtschaft auszahlt - zumal sie mit einem Jahresbudget von acht Millionen Euro im europäischen Vergleich günstig sei, wie er in der Zeitung El Economista im vergangenen Jahr schrieb.

Allerdings war da noch nicht offiziell, was viele bereits seit Jahren wussten: Juan Carlos war nicht nur ein Schürzenjäger, sondern auch ein Schmiergeldempfänger. Das habe auch die aktuelle Königin Letizia gewusst, eine ehemalige Journalistin, bevor sie den Thron bestieg, sagt Cocho Pérez.

König Felipe VI. versucht es besser zu machen als sein Vater. Der korrupte und 2018 wegen Veruntreuung verurteilte Schwager Iñaki Urdangarin wurde schon 2015 vom Königshaus ausgeschlossen. Jetzt ist der eigene Vater dran.

Der 52-jährige, inzwischen stark ergraute Felipe steht seitdem ziemlich alleine dar. Seine Frau ist beim Volk nicht besonders beliebt und seine Tochter, die fast 15-jährige Thronfolgerin Leonor, kann ihr Amt bei Ableben oder Abdanken des Vaters nur antreten, wenn eine veränderte spanische Verfassung auch eine Frau als Staatsoberhaupt akzeptiert.

Spanien Madrid | Coronavirus: Schweigeminute: Felipe VI., Königin Letizia, Prinzessin Leonor und Infantin Sofia
Spaniens König Felipe VI. mit Frau Letizia und den Töchtern Leonor (l.) und Sofia (r.) bei einer Zermonie für Corona-Opfer im MaiBild: picture-alliance/dpa/Casa de SM El Rey

"Dieser Schritt wird eine enorme Debatte in der Gesellschaft über den Sinn der Monarchie lostreten, den diese wahrscheinlich nicht überleben wird", sagt Cocho Pérez voraus. Um "das Vorbild der Krone zu wahren", verzichtete Felipe VI. im März dieses Jahres auf das finanzielle Vermächtnis seines Vaters.

Der Deal mit den Saudis

Doch der Skandal um die Bahnstrecke zwischen Mekka und Medina wird nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Das Geschäft gilt als eines der größten Prestigeprojekte der spanischen Wirtschaftsgeschichte und wurde 2011 zwischen dem saudischen  Königshaus und zwölf spanischen Unternehmen abgeschlossen, darunter der Bahnkonzern Renfe und der Zughersteller Talgo. "Das ist nicht das einzige Geschäft spanischer Unternehmen, für das Juan Carlos I. Kommissionen kassiert hat", sagt Strafrechtler Álvarez.

Für die staatliche Renfe kommt die jetzt überall wieder diskutierte unheilvolle Verbindung der saudischen und spanischen Könige zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Die Bahn, die seit einigen Jahren endlich profitabel ist, hofft aus Aufträge im Ausland, und das 2018 mit 35 Zügen und einer Kapazität von jährlich 60 Millionen Passagieren gestartete Projekt war ihre Visitenkarte.

Bildergalerie royaler Nachwuchs Prinzessinen Sofia und Leonor von Spanien
Gut für den Tourismus? Königstöchter Leonor und Sofia (r.) 2017 im Marivent-Palast auf MallorcaBild: Getty Images/C. Alvarez

Dass Spanien die Monarchie wirtschaftlich braucht, bezweifelt Unternehmensberater Cocho Pérez: "Spanische Bluechips wie die Banco Santander oder Telefónica wollen Stabilität. Es gibt dort, wie im Rest des Landes, wenig wirklich überzeugte Fans des Könighauses." Spanien steuere deswegen unweigerlich auf eine Republik zu.

Der in Palma arbeitende deutsche Rechtsanwalt Tim Wirth glaubt jedoch, dass Felipe VI. das Land derzeit wirtschaftlich stabilisiert. "Gerade für Mallorca, wo die Könige ihre Sommerresidenz haben, ist er enorm wichtig. Die Insel wäre nicht so sicher ohne diesen Umstand. Und wäre sie das nicht, würden auch nicht so viele Promis aus aller Welt hier Immobilien kaufen."

Ohne die königliche Familie, die auch in diesem Jahr wieder im Marivent-Palast Urlaub macht, hätten die Balearen "niemals diesen touristischen Stellenwert", ist Wirth überzeugt.