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Fördern statt blockieren

Adrian Kriesch, Lagos25. Februar 2016

Immer wieder kappen autoritäre Regierungen in Afrika kurzzeitig das Internet. Dabei sollten sie es eher als Chance sehen, meinen Aktivisten bei der Social Media Week in Lagos.

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Nigeria Social Media Smartphone Foto: imago/Westend61
Bild: Imago/Westend61

Omoyele Sowore teilt gerne aus, das ist sein Geschäft. Der Gründer und Herausgeber der Online-Plattform Sahara Reporters deckt immer wieder Skandale in der nigerianischen Politik auf und stellt gezielt vermeidlich korrupte Politiker im Internet bloß. Allein bei Facebook folgen der Seite mehr als zwei Millionen Menschen. Manche sehen in Sahara Reporters das Wikileaks Afrikas, andere nur eine sensationsgetriebene Website mit zweifelhaften Fakten.

"Länger im Gefängnis als ein Affe im Zoo"

Zu letzteren gehören viele Politiker. Im Dezember 2015 wurde im Senat ein Gesetzesentwurf debattiert, der vorsieht, Anschuldigungen gegen Beamte, Behörden und Politiker in Medien mit bis zu zwei Jahren Haft bestrafen zu können. Während der Debatte bezeichnete ein Senator Sahara Reporters als "Bedrohung für die Demokratie". Später legte er bei Twitter nach: Sahara Reporters solle sich offiziell in Nigeria registrieren, dann säße Gründer Sowore "länger im Gefängnis als ein Affe im Zoo."

Sowore hat über die Jahre gelernt, auch einzustecken. Immer wieder gibt es Anzeigen gegen ihn. Sahara Reporters sitzt in New York, auch weil der Gründer der Justiz in Nigeria nicht vertraut. Früheren Regierungen wirft er vor, ausländische Firmen mit Hackerangriffen auf seine Website beauftragt zu haben.

Immer mehr Regierungen blockieren das Internet

In anderen afrikanischen Staaten, meist solchen mit autoritären Regimen, greift der Staat direkter in die virtuellen Aktivitäten von Kritikern ein: Er sperrt das Internet zeitweise oder beschränkt die Nutzung von sozialen Medien, wenn es Proteste im Land gibt oder wenn Wahlen anstehen. Das passierte bereits in Burundi, dem Tschad, im Sudan, in Ägypten, der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, in Kongo-Brazzaville, dem Niger - und zuletzt während der Wahlen in Uganda.

Für die Regierungen sei das häufig ein technisch einfacher Schritt, sagt Stanley Achonu von der nigerianischen Nichtregierungsorganisation BudgIT. Die staatlichen Behörden würden Lizenzen an Telekommunikationsunternehmen vergeben - und aus Angst, diese wieder entzogen zu bekommen, folgten die Firmen den Anweisungen von Regierungen und Behörden.

Langwierige Überzeugungsarbeit

Für Achonu ist es ein Rätsel, warum die Regierungen zu solch drastischen Mitteln greifen. "Es hilft dir mehr, wenn du mit den Leuten in einem Zimmer sprichst, als wenn du von draußen versuchst, Steine hineinzuwerfen", sagt der Aktivist. "Das ist ein afrikanisches Problem. Viele denken, dass die Meinungsfreiheit eine Gefahr für ihren Machterhalt ist."

Seine Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, den nigerianischen Haushalt transparenter zu machen. Auf ihrer Website und über soziale Medien wie Twitter und Facebook veranschaulichen Achonu und seine Kollegen in allgemein verständlicher Art und Weise, wofür der Staat sein Geld ausgibt. Für das Projekt verbringt Achonu viel Zeit in den Wartezimmern von Behördenvertretern. Manchmal komme er mehrere Wochen lang jeden Tag vorbei, bis er sie endlich davon überzeugen könne, ihre Daten bereitzustellen und die sozialen Medien als Chance zu betrachten, erzählt der Aktivist. Die Beamten würden nur sehr langsam begreifen, dass sie soziale Medien nur schwer kontrollieren, aber dafür sehr gut für ihre Arbeit nutzen könnten.

Stanley Achonu Foto: Adrian Kriesch
Aktivist Stanley AchonuBild: DW/A.Kriesch

Es geht auch anders: Nigerias Polizei setzt auf Social Media

Ein Beispiel ist die nigerianische Polizei. Im November 2015 wurde eine Beschwerdestelle für Bürger eingerichtet, die Fehlverhalten von Polizisten melden können. "Dabei setzen wir in weiten Teilen auf die sozialen Medien", sagt der Leiter der Beschwerdestelle, Abayomi Shogunle. Insgesamt wurden bislang fast 2000 Fälle bearbeitet - eingereicht nicht nur per Telefon, sondern auch über WhatsApp, Twitter, Facebook und den Blackberry Messenger. 17 Verfahren gegen Polizisten wurden bisher eingeleitet.

Abayomi Shogunle Foto: Adrian Kriesch
Abayomi Shogunle, Leiter der Polizei-BeschwerdestelleBild: DW/A.Kriesch

Sahara-Reporters-Gründer Omoyele Sowore ist überzeugt, dass die Nigerianer in der Zukunft keine staatlichen Repressionen gegen soziale Medien und das Internet fürchten mussen, dafür sei die Meinungsfreiheit im Land zu stark ausgeprägt. "Soziale Medien sind eine Lebensader für die Menschen in diesem Land geworden, die vor dem Internet-Zeitalter keine Stimme hatten, wenn es um Transparenz oder freie und faire Wahlen ging", so Sowore.