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Das große Feilschen

Christoph Hasselbach22. November 2012

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten stellen sich auf eine Marathonsitzung ein. So heftig hat die Union schon lange nicht mehr um Geld gestritten. Ein Scheitern ist durchaus möglich.

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Flaggen der EU-Staaten vor Ratsgebäude Photo: Getty Images/AFP
Bild: Getty Images/AFP

Es könnte ein Hauen und Stechen geben. Bereits vor Beginn des Sondergipfels zum mehrjährigen EU-Haushalt haben verschiedene Länder ihr Veto angedroht: Ein einziger Einspruch reicht, um den Gipfel platzen zu lassen, denn der Haushalt muss einstimmig verabschiedet werden. Schwierig auch: Einige der Forderungen schließen sich gegenseitig aus. Es geht um viel, um gemeinsame Mittel in Höhe von rund einer Billion, also tausend Milliarden Euro, für den Zeitraum von 2014 bis 2020. Andererseits ist eine Billion nur ein sehr kleiner Teil der vereinigten nationalen Haushalte. Aber die Emotionen kochen hoch, auch weil es vielen ums Grundsätzliche geht. Manche sagen zum Beispiel, die Glaubwürdigkeit der EU stehe auf dem Spiel. Doch die einen meinen die Glaubwürdigkeit eines sparsamen, effizienten Wirtschaftens, die anderen die Glaubwürdigkeit europäischer Solidarität.

Verschwendung oder Wachstumsprogramm?

Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der Kommission, der einen Gesamthaushalt von etwas über einer Billion Euro vorsieht. Vor allem die reichen Nettozahler wollen den Betrag um mindestens 100 Milliarden kürzen. Ihr Argument ist, dass man in Zeiten angespannter nationaler Haushalte nicht auf europäischer Ebene mehr ausgeben kann. Kommission und Europaparlament sagen dagegen, die EU sei für immer mehr verantwortlich, dann müsse man sie auch mit entsprechend mehr Mitteln ausstatten. Außerdem sei der Gemeinschaftshaushalt ein gigantisches Wachstums- und Investitionsprogramm, das gerade in der Krise dringend notwendig sei. Ihre Kritiker wiederum können vielleicht das Wachstumsargument noch grundsätzlich nachvollziehen, manche argwöhnen aber, die EU setze das Geld oft nicht besonders zielgerichtet und ohne wirksame Kontrolle ein, die EU neige zur Verschwendung, und daher seien die Investitionen auf nationaler Ebene besser aufgehoben.

Cameron spricht in Mikrophone Photo: Reuters
Der britische Premier David Cameron hat sein Veto angedrohtBild: Reuters

Vetodrohungen von allen Seiten

Es geht aber nicht nur um den Konflikt, in dem die Mitgliedsstaaten Kommission und Parlament gegenüberstehen, sondern der Riss zieht sich auch mitten durch die Länder. Grundsätzlich gilt: Die reichen Nettozahler, also diejenigen, die mehr einzahlen als ausgezahlt bekommen, wollen sparen, die ärmeren, die mehr bekommen als sie einzahlen, wollen einen höheren Haushalt. Und dann gibt es den Sonderfall Großbritannien. Premierminister David Cameron würde den Haushalt am liebsten noch radikaler eindampfen als etwa Deutschland. Er steht innenpolitisch gewaltig unter Druck. Cameron hat auch am deutlichsten die Vetokeule geschwungen. Er will auch für einen fortgesetzten britischen Rabatt kämpfen, wie er bei seiner Ankunft in Brüssel noch einmal bestätigte.

EU-Haushalt – worüber wird gestritten?

Auch andere Nettozahler bekommen übrigens einen Rabatt, auch Deutschland. Und wer einen bekommt, will ihn behalten. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat nach den Sparforderungen Kompromissvorschläge gemacht, die zum Beispiel die Agrarausgaben, den größten Posten im Haushalt, begrenzen. Daraufhin hat dann Frankreich mit einem Veto in die Gegenrichtung gedroht. Das heißt, Frankreich will den Haushalt blockieren, wenn diese Sparvorschläge wirksam würden. Frankreichs Bauern profitieren besonders von den Agrarsubventionen. Insgesamt haben rund ein Drittel aller Regierungen mehr oder weniger verhüllt mit ihrem Einspruch gedroht. So schließen sich einige der Positionen gegenseitig aus.

Die Krise verschärft die Spannungen

Die Eurokrise hat die Spannungen innerhalb der EU deutlich verschärft. Der Streit um den Haushalt ist ein Symptom dafür. Reich gegen arm, Nord gegen Süd, zum Teil auch West gegen Ost, also alte gegen neue Mitglieder, das sind im Wesentlichen die Fronten. Falls der Gipfel scheitert - und einiges spricht dafür -, dann gilt der bisherige Haushalt weiter. Dann muss die EU Monat für Monat jeweils mit einem Zwölftel ihrer bisherigen Mittel auskommen. Manchen wäre das vielleicht sogar recht, weil es dann keine Erhöhung gäbe. Aber das würde die Arbeit natürlich furchtbar kompliziert machen. Und, möglicherweise das größte Problem: Es würde das Klima noch mehr vergiften. Deshalb sagen auch manche EU-Vertreter, der Gipfel dürfe einfach nicht scheitern, damit die Europäer sich neu zusammenfinden.       

Demonstranten halten Spruchband mit einer durchgestrichenen Schere Photo: picture-alliance/dpa
Proteste in Spanien gegen die SparpolitikBild: picture-alliance/dpa