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Sohn: "Ein Asylbewerber würde alles tun"

Sabrina Pabst21. Juli 2014

In der Heimat verfolgte Homosexuelle haben ein Recht auf Asyl. Doch wie kann Homosexualität nachgewiesen werden? Die Frage beschäftigt jetzt den EuGH. Was von dem Urteil zu erwarten ist, erklärt Jurist Klaus-Dieter Sohn.

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Männer afrikanischer Herkunft in weißen Hemden küssen vor einem Fenster. (Foto: Tony Karumba/AFP/Getty Image)
Bild: TONY KARUMBA/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Die niederländischen Behörden haben den Asylantrag von drei Männern aus Sierra Leone, Uganda und Senegal abgelehnt, die darauf verwiesen, dass sie wegen ihrer Homosexualität in ihrer Heimat verfolgt würden. Nach den Schlussanträgen steht nun das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus. Die Niederlande hatten um Klärung gebeten, wie die sexuelle Orientierung bewiesen werden könne. Und wie geht das?

Klaus-Dieter Sohn: In einigen Monaten wird zwar erst das Urteil des Europäischen Gerichthofes gefällt, doch der EuGH wird auch in diesem Fall weitgehend den Schlussanträgen der Generalstaatsanwältin folgen. Er wird keinen Katalog von Prüfkriterien aufstellen. Ganz im Gegenteil wird er feststellen, dass die sexuelle Ausrichtung zunächst nicht beweisbar ist. Sie ist letztendlich aus dem Menschen heraus eine Eigenschaft, die jemandem angehört - ein Teil der Identität.

Das geht nicht nach einem Standardschema. Es müssen immer sehr individuelle Verfahren sein und ich wünsche mir, dass der EuGH das auch so klarstellt. Bei all diesen Verfahren müssen wirklich die Besonderheiten jedes Einzelfalls berücksichtigt werden.

Aber kann letztendlich nicht jeder behaupten, er würde aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt?

Es besteht immer die Möglichkeit, durch diese Begründung Asyl zubekommen. Der EuGH wird nicht sagen, dass es verboten ist, diese Behauptungen zu überprüfen. Der EuGH wird sagen, welche Maßnahmen nicht erlaubt sind, um Homosexualität eindeutig festzustellen. Sie können keinen Asylbewerber einem langwierigen medizinischen Test unterziehen, um festzustellen, welcher sexuellen Orientierung er tatsächlich anhängt. Das ist mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren. Im Asylverfahren ist der Asylbewerber die deutlich unterlegene Partei. Dieser Mensch wird im Zweifel in alles einwilligen. Hauptsache, er bekommt eine Chance.

Viele Asylanträge werden abgelehnt - Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass viele Anträge nicht ordentlich geprüft werden. Welche Mittel bleiben den Behörden?

Der EuGH wird daran festhalten, dass der Ablehnungsgrund auch mangelnde Glaubwürdigkeit der Gesamtdarstellung sein kann. Das kann natürlich heißen, dass die Behörde durch Gespräche mit den Asylbewerbern Hinweise bekommt, nach denen sie die Geschichte nicht für glaubwürdig hält, weil es Widersprüche gibt. So hatte einer der drei Männer zunächst Asyl mit der Aussage beantragt, er werde zuhause verfolgt, weil er sexuellen Kontakt mit der Tochter seines Arbeitgebers hatte. Monate später behauptete er, er würde verfolgt, weil er homosexuell sei. Das sind Dinge, die halte ich für unglaubwürdig. Damit können sie diesen Bewerber auch weiterhin ablehnen und müssen auch nicht zwingend nachweisen, dass der Bewerber nicht homosexuell ist.

Die Niederlande hatten in erster Instanz die Asylanträge ja abgelehnt. Ihre Argumentation: Die Männer sollten in ihrem Lebenswandel Zurückhaltung bewahren. Sie könnten ihre Homosexualität verheimlichen, um nicht verfolgt zu werden. Ist das nicht eine Verletzung der Menschenwürde und äußerst fahrlässig seitens des Gerichts?

Richtig. Die Argumentation funktioniert nicht. Das hieße ja um Umkehrschluss, dass die Niederlande die Homosexualität der Betroffenen anerkannt hätten. Zum anderen hätten die Niederlande dann auch anerkannt, dass die Männer tatsächlich verfolgt werden, wenn sie zurückgehen würden. So können sie den Asylantrag nicht mehr ablehnen. Somit hätten sie genau den Tatbestand geschaffen, der erforderlich wäre, damit der Antrag positiv beschieden werden muss.

Der Rechtswissenschaftler Klaus Dieter Sohn ist Fachbereichsleiter für institutionelles Recht an dem Zentrum für Europäische Politik in Freiburg.