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Snowdens Anwalt

Roman Goncharenko5. November 2013

Der Moskauer Anwalt Anatoli Kutscherena ist die Stimme Edward Snowdens. Er ist der einzige, der die Presse regelmäßig über den US-Geheimdienstler informiert - und er hat gute Verbindungen zum Kreml.

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Anatoli Kutscherena gibt Journalisten Interviews (Foto: AP Photo/Alexander Zemlianichenko)
Bild: picture alliance/AP Photo

Als Edward Snowden am 1. August 2013 den Moskauer Flughafen "Scheremetjewo" verlässt, wird der flüchtige US-Geheimdienstler flankiert von Sarah Harrison, einer Mitarbeiterin der Enthüllungsplattform WikiLeaks, und einem weißhaarigen korpulenten Mann im dunklen Anzug. Der Mann heißt Anatoli Kutscherena, ist 53 Jahre alt und ist seitdem Snowdens wichtigster sichtbarer Verbindungsmann zur Außenwelt.

Wer Kontakt zu Snowden sucht, kommt an Kutscherena nicht vorbei. Er ist nicht nur sein Anwalt, sondern auch eine Art Pressesprecher für ihn. Fast täglich informiert Kutscherena die Medien über den prominenten Flüchtling - zum Beispiel darüber, dass Snowden inzwischen russisch spricht oder dass er einen Job als IT-Fachmann gefunden habe. Mit solchen Äußerungen ist Kutscherena der meist zitierte Anwalt Russlands. Wie kam es dazu?

Kostenlose Beratung für Snowden

Als am 12. Juli 2013 ein Dutzend russischer Menschenrechtler und Anwälte Snowden in "Scheremtjewo" besucht, ist auch Kutscherena dabei. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Snowden seit rund drei Wochen im Transitbereich des Flughafens. Das behaupten damals russische Behörden, denn Journalisten haben den Amerikaner seit seiner Flucht von China nach Russland nicht gesehen.

Porträt von Edward Snowden (Foto: dpa/Irina Oho)
Edward Snowden genießt in Russland AsylBild: picture-alliance/dpa

Nach dem Treffen erklärt Kutscherena vor Journalisten, er werde Snowden helfen, einen Asylantrag in Russland zu stellen. Dabei berate er den flüchtigen US-Geheimdienstler kostenlos, erklärte Kutscherena. Schon wenige Wochen später erhält Snowden für ein Jahr Asyl in Russland und darf den Flughafen verlassen. Wo er sich heute aufhält, darüber schweigt Kutscherena.

In einem Interview mit dem Radiosender "Echo Moskwy" Ende September sagte Kutscherena, er wisse nicht, warum Snowden ihn ausgewählt habe. Die Einladung zum ersten Treffen am Flughafen habe den Anwalt überrascht. "Zwei Tage später hat er mich angerufen und eingeladen", sagte Kutscherena. Jemand musste ihm mit dem Asylantrag helfen, so der Anwalt. "Wenn nicht ich, hätte es einer meiner Kollegen getan."

Prominenten-Anwalt und ehrenamtlicher Aktivist

Seit den 1990er Jahren gehört Kutscherena zu einer Gruppe russischer Staranwälte und ist dauerpräsent in den Medien. Die Webseite seiner Anwaltsfirma "Kutscherena und Partner" listet prominente Kunden auf, deren Namen in Russland jeder kennt: Regisseur Nikita Michalkow, Sänger Iosif Kobson, Ex-Justizminister Valentin Kowaljow.

Doch Kutscherena engagiert sich auch für diejenigen, die kein Geld für einen Staranwalt haben. Seine Firma bietet in Moskau kostenlose Beratungen für sozial Schwache an. In den letzten Jahren hat Kutscherena sein gesellschaftliches Engagement deutlich ausgebaut. Es gebe kaum ein Gremium, wo er nicht Mitglied sei, scherzen Moskauer Journalisten.

Zu den wichtigsten von gesamt mehr als zwei Dutzend ehrenamtlichen Posten zählt Kutscherenas Mitgliedschaft in der 2005 von Präsident Wladimir Putin gegründeten Gesellschaftskammer. Der Anwalt leitet dort eine Kommission zu Fragen der Bürgersicherheit. Außerdem ist Kutscherena Mitglied der Gesellschaftsräte bei der Generalstaatsanwaltschaft, im Innenministerium und beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Einer seiner neuesten Posten: Mitglied im Präsidialrat für Menschenrechte und Zivilgesellschaft.

Putins Bevollmächtigter

Über Kutscherenas Kontakte zu russischen Geheimdiensten im Fall Snowden ist nichts bekannt. Eine Interview-Anfrage der DW ließ der Anwalt unbeantwortet. Wer seine Biographie liest, kann jedenfalls eine Nähe zum Kreml nicht übersehen. In einem Artikel im Jahr 2002 anlässlich Putins 50. Geburtstags lobte der Anwalt den Präsidenten als Reformer.

Porträt von Wladimir Putin (Foto: RIA novosti, Yana Lapikova, Pool/AP/dapd)
Wladimir Putin - für Anatoli Kutscherena ein "würdiger Präsident"Bild: dapd

Zehn Jahre später, bei der Präsidentenwahl 2012, war Kutscherena einer der prominenten Bevollmächtigten des Kandidaten Wladimir Putin und warb für seinen Sieg. "Ich kenne seine Arbeit und ich sehe, dass er heute ein würdiger Präsident ist", sagte Kutscherena im Interview mit dem Sender "Echo Moskwy".

Kritik an der NSA

Seit 2007 leitet Kutscherena das Institut für Demokratie und Zusammenarbeit. Es ist eine von insgesamt zwei russischen Nichtregierungsorganisationen, die laut Putin im Westen arbeiten. Das Institut hat Vertretungen in Paris und New York. Es sieht seine Mission darin, Russlands Beziehungen zum Westen auszuweiten. Kritiker sagen, das Institut sei die Antwort Moskaus auf Menschenrechtsorganisationen wie "Amnesty International" oder "Human Rights Watch", die Russland seit Jahren wegen Verletzungen der Menschenrechte kritisieren. Ende Oktober veröffentlichte das von Kutscherena geleitete Institut seinen 5. Bericht über die Menschenrechtslage in den USA. Ganz am Anfang, auf Seite 4, geht es um Menschenrechtsverletzungen durch die NSA. Snowden wird an mehreren Stellen erwähnt und zitiert.