1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Snowden-Befragung entzweit Ausschuss

Marcel Fürstenau8. Mai 2014

Unter welchen Bedingungen soll der US-amerikanische Whistleblower befragt werden? Über diese Frage streiten sich die parlamentarischen Aufklärer. Etwas Besseres könnte der Bundesregierung kaum passieren.

https://p.dw.com/p/1Bv89
Edward Snowden bei einer Video-Schalte mit dem Europarat im April 2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Auf den ersten Blick scheinen sich alle einig zu sein: Die oppositionellen Grünen und Linken wollen am Donnerstag (08.05.2014) im NSA-Untersuchungsausschuss beantragen, Edward Snowden als Zeugen zu laden. Kein Problem, signalisieren die Unionsfraktion (CDU/CSU) und die Sozialdemokraten. Doch der Teufel steckt im Detail. Denn die Opposition will den Whistleblower, der die globale Spionage des US-Geheimdienstes "National Security Agency" (NSA) aufgedeckt hat, unbedingt in Berlin befragen. Die Union hingegen lehnt das rundweg ab. Sie favorisiert eine Befragung per Video-Leitung aus Snowdens russischem Exil. So hat es Anfang April der Menschenrechtsausschuss des Europarates in Straßburg praktiziert (siehe Artikelbild). Die SPD könnte sich theoretisch jede Form der Befragung vorstellen.

Bei so viel Uneinigkeit gerät der Auftrag des NSA-Untersuchungsausschusses fast zwangsläufig ins Hintertreffen. Dabei geht es immerhin um so brisante und grundsätzliche Fragen wie die, ob die Bundesregierung oder ihr unterstellte Nachrichtendienste von den flächendeckenden Spionage-Aktivitäten "Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen". Aus Sicht des Unions-Obmannes Roderich Kiesewetter ist Snowden auch wegen des umfangreichen Untersuchungsauftrags nur einer von vielen möglichen Zeugen.

Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss
Roderich Kiesewetter (CDU) verweist auf das Auslieferungsabkommen mit den USABild: picture-alliance/dpa

Merkel und Schröder als Zeugen

Auf rund 100 Namen haben sich die ansonsten heftig zerstrittenen acht Ausschuss-Mitglieder verständigt. Darunter sind so illustre Namen wie der von Angela Merkel (CDU). Neben der Bundeskanzlerin stehen auch ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) und gleich drei amtierende oder ehemalige Außenminister auf der Liste: Frank-Walter Steinmeier (SPD), Guido Westerwelle (FDP), Joschka Fischer (Grüne). Dass sie alle sowie zahlreiche Geheimdienstchefs und Datenschützer als Zeugen gehört werden sollen, liegt am Untersuchungszeitraum des NSA-Ausschusses. Der beginnt 2001, im Jahr der Terror-Anschläge in den USA mit Tausenden von Toten.

Das Gremium hat sich also viel vorgenommen, SPD-Obmann Christian Flisek garniert seine Ambitionen gerne mit dem Adjektiv "sportlich". Allzu fair scheint es im Ausschuss jedoch nicht zuzugehen. Dafür sprechen vor allem die vielen gegenseitigen Vorwürfe, wenn es um die Causa Snowden geht. Um den vermeintlichen Kronzeugen in Deutschland vernehmen zu können, will die Opposition notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Linken-Obfrau Martina Renner besteht darauf, den früheren NSA-Mitarbeiter "frei, ausführlich und unmittelbar hören zu können". Im Rahmen einer Video-Schalte oder einer Vernehmung in Moskau sei das nicht möglich. Außerdem wäre es ein Fehler, "unter Putins Gnaden" Aufklärungsarbeit zu leisten, meint die Linke unter Anspielung auf die fragwürdige Rolle des russischen Präsidenten insgesamt und besonders in Zeiten der sich zuspitzenden Krise im Nachbarland Ukraine.

Martina Renner (Linke), Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss
Martina Renner (Linke): Keine Aufklärungsarbeit "unter Putins Gnaden"Bild: picture-alliance/dpa

Zwischen "Klamauk" und "Verfahrenstricks"

Konstantin von Notz, Obmann der Grünen, wirft der Regierung und den Koalitionsfraktionen "Klamauk" vor: Mit Verfahrenstricks würden sie Snowdens Befragung hinauszögern wollen. Union und SPD weisen diesen Vorwurf zurück. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause, spätestens am 3. Juli, wollen sie den Whistleblower befragen. Wo und unter welchen Umständen das passieren könnte, ist aus Sicht des SPD-Obmanns Flisek eine "reine Verfahrensfrage". Entscheidend sei, Snowdens Sicherheit gewährleisten zu können. "Ich schließe keine Option aus", betont Flisek.

Christian Flisek (SPD), Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss
Christian Flisek (SPD): "Reine Verfahrensfrage"Bild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung sieht das in ihrer Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss allerdings ganz anders. In dem als "VS" (Verschlusssache) eingestuften Bericht werden die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands über alles gestellt. Begründet wird diese Haltung unter anderem mit "erheblichen negativen Auswirkungen" auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen, "insbesondere der zu erwartenden Beeinträchtigung der Kooperation mit US-Sicherheitsbehörden". Freies Geleit für Snowden schließt die Bundesregierung aus.

Linke: Regierungsbericht eine "einzige Frechheit"

CDU-Obmann Kiesewetter unterstützt diese Position und verweist auf das Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und den USA. Deshalb kann er sich als "überzeugter Transatlantiker" unter keinen Umständen vorstellen, Snowden in Deutschland als Zeugen zu befragen. André Hahn, stellvertretendes Mitglied der Linken im NSA-Ausschuss, will sich damit keinesfalls zufriedengeben, den Regierungsbericht hält er für eine "einzige Frechheit". Mit diesem Vorwurf kann die Regierung gut leben. Denn je länger und je mehr sich der Ausschuss streitet, desto weniger kommt das eigentliche Thema zur Sprache: die grenzen- und zügellose Ausspäh-Praxis durch sogenannte befreundete Geheimdienste.