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Smart Cards für Indien

25. September 2011

Die Smart Card bietet auch den Menschen in Indien eine Krankenversicherung, die wenig Geld haben. Das neue System sorgt dafür, dass sie besser und schneller behandelt werden - ohne sich in Schulden stürzen zu müssen.

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Eine Inderin hält eine Smart Card in die Kamera und lächelt (Foto: DW/Rasper)
Dank Smart Card stehen ihr auch Privatkliniken offenBild: DW

Chotew Lal ist bereits seit mehreren Wochen im Krankenhaus - er hat eine gebrochene Schulter. "Ich bin in dieses Krankenhaus gekommen, weil es so nah liegt. Ich hatte kein Geld dabei, aber meine Smart Card. Ich musste nicht warten, ich wurde sofort behandelt", erzählt der 26-Jährige.

Lal liegt in einem privaten Krankenhaus im Norden von Neu Delhi. Bis vor kurzem hätte er sich das nicht leisten können. Lal arbeitet als Assistent bei einem Bienenzüchter am Stadtrand von Delhi. Mit dem Geld, das er dort verdient, kommt er gerade so über die Runden. Für einen Besuch im privaten Krankenhaus hätte es nicht gereicht. Für eine Krankenversicherung auch nicht.

Chotew Lal sitzt mit einer Schlinge um den Arm in einem Krankenhausbett (Foto: DW/Rasper)
Chotew Lals Schulter wurde schnell und problemlos versorgtBild: DW/Rasper

Eine Smart Card für bessere Gesundheit

Doch vor einigen Monaten hat ihm ein Freund von einem neuen Angebot erzählt: der Smart Card. Also hat Lal sich registrieren lassen, sein Foto und seine Fingerabdrücke sind jetzt auf seiner neuen RSBY Smart Card gespeichert. RSBY steht für "Rashtryia Svashtra Bima Yojana", auf Deutsch: Nationales Krankenversicherungs-System. Über 300 Millionen arme Inder sollen über dieses System versichert werden. Seit 2008 wurden schon mehr als 24 Millionen Smart Cards aktiviert.

Dr. Rajesh Kumar Singh leitet das private "Indian Hospital" im Stadtteil Shalimar Bagh in Neu Delhi. Das Krankenhaus war die erste private Klinik in der Hauptstadt, das sich am neuen Versicherungs-System beteiligt hat. Inzwischen gehören über 120 Krankenhäuser in Delhi und rund 8000 weitere im ganzen Land dazu.

Ein privates Krankenhaus in Delhi von außen (Foto: DW/Rasper)
Das erste private Krankenhaus mit Smart CardBild: DW/Rasper

45 der 102 Krankenhausbetten in Dr. Singhs Klinik sind für RSBY-Patienten wie Chotew Lal reserviert. Die Stationen für diese Patienten seien nicht sehr geräumig, gibt Dr. Singh zu. Sechs bis acht Menschen müssten sich einen Raum teilen. Aber früher seien arme Patienten gar nicht erst in Privatkliniken behandelt worden.

Arztbesuch ohne Schulden

Die RSBY-Karte deckt Krankenhausgebühren für bis zu fünf Familienmitglieder von insgesamt 30.000 Rupien, etwa 500 Euro, ab. Die Patienten zahlen einmal im Jahr eine Registrierungsgebühr von 30 Rupien, etwa 50 Cent. Die Regierung übernimmt die Versicherungsprämie von 600 Rupien, etwa 10 Euro pro Jahr. "Das System ist ein großer Durchbruch: Es ist das erste Mal, dass wir sagen können, wir haben ein nationales Krankenversicherungssystem", sagt Nishant Jain von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Krankenwagen mit RSBY Logo (Foto: DW/Rasper)
Auch der Einsatz der Ambulanz ist durch die RSBY abgedecktBild: DW/Rasper

Arme Menschen müssten keine Schulden mehr machen, um medizinisch versorgt zu werden. "Alles läuft ohne Bargeld ab, sie können überall hingehen und sich behandeln lassen", erzählt Jain weiter. Die GIZ  hat dabei geholfen, die Smart Card in Indien einzuführen. Und die indischen Experten haben längst begonnen, ihr System auch in andere Länder zu exportieren: Pakistan, Bangladesh, Ghana oder Nigeria haben ähnliche Probleme wie Indien und wollen wissen, wie das Land damit fertig wird.

Privilegierte Arme

Für Chotew Lal war das private Krankenhaus die erste Wahl - nicht nur, weil es näher liegt als das staatliche Krankenhaus, in dem er kostenfrei behandelt worden wäre. Doch da müsse er lange warten, bis er an der Reihe sei, sagt Lal. "Du stehst stundenlang in einer Schlange, bevor du einen Arzt siehst. Hier geht alles viel schneller." Verglichen mit privaten Kliniken sind staatliche Krankenhäuser außerdem oft schlechter ausgestattet, die Mitarbeiter nicht so gut ausgebildet.

Anil Swarup sitzt an einem großen Schreibtisch und lächelt (Foto: DW/Rasper)
Anil Swarups Idee schlägt einBild: DW/Rasper

Die RSBY-Karte habe dabei geholfen, den Service in staatlichen Einrichtungen ebenfalls zu verbessern, sagt Anil Swarup vom indischen Arbeitsministerium, der das RSBY-Smart-Card-Programm in Indien eingeführt hat. Staatliche Krankenhäuser betrachteten Patienten mit einer Smart Card fast als VIP-Patienten - denn sie können das Geld aus der Versicherung behalten, sagt der enthusastische Swarup. "Es gibt einen eingebauten Anreiz für die Ärzte, sich um die Versicherten zu kümmern", sagt er. "Es haben sich schon Menschen beschwert, dass die ärmeren Patienten besser behandelt werden als die anderen."

Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit

Die Smart Card zeigt Erfolge: Die Menschen kämen nun früher zur Behandlung, erzählt Dr. Singh, weil sie keine Angst mehr vor hohen Rechnungen hätten. Sie schöben den Arztbesuch nicht mehr auf, bis es fast zu spät sei. Besonders Frauen profitieren von der Smart Card: Manche gehen zum ersten Mal in ihrem Leben zum Arzt. Die Karte könnte dabei helfen, die Sterblichkeitsrate von Müttern und Kleinkindern zu senken - sie gehört zu den höchsten weltweit. Nun können die Frauen ihre Kinder im Krankenhaus zur Welt bringen - die Kosten sind mit der Smart Card abgedeckt.

Frauen sitzen in einem Krankenhauszimmer auf Betten (Foto: DW/Rasper)
Ohne Smart Card würden viele von ihnen nicht zum Arzt gehenBild: DW/Rasper

Außerdem helfe die Karte dabei, das Selbstbewusstsein der armen Bevölkerung zu stärken, sagt Jain von der GIZ. Ein Beispiel dafür sei eine Frau im Bundesstaat Jharkand: Sie arbeitete als Hausangestellte bei einem reichen Hausherrn. Mit ihrer Smart Card konnte sie aber zum selben Krankenhaus gehen wie er. Und das ist in einem Land, in dem große soziale Ungleichheit herrscht, eine enorme Veränderung.

Autorinnen: Anke Rasper und Lalita Chaturvedi
Adaption: Julia Kuckelkorn
Redaktion: Beatrix Beuthner