1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Sisis Fotoalben: Schönheitskult einer Kaiserin

Antje Allroggen
24. Oktober 2020

Kaiserin Elisabeth galt als eine der schönsten Frauen. Um ihr Styling zu verbessern, sammelte sie Fotos. Das Museum Ludwig zeigt "Die Fotoalben der Kaiserin".

https://p.dw.com/p/3kMVB
Eine Frau in schulterfreiem Kleid mit geschlossenen Augen auf einer Blumendecke (Foto: Museum Ludwig, Köln).
In ihrem "Schönheitsalbum" sammelte die Kaiserin Fotografien von anmutigen Frauen, wie hier von einer OpernsängerinBild: Museum Ludwig, Köln

Mitten im Sommer 1853 wird die bayerische Prinzessin Elisabeth zum 23. Geburtstag des Kaisers Franz Joseph eingeladen. Für den Habsburger Monarchen ist es Liebe auf den ersten Blick. Schnell wird beschlossen zu heiraten: Sisi soll die Frau an der Seite des jungen Kaisers werden, der nach dem Russischen Kaiserreich das zweitgrößte Reich Europas regiert.

In den Sisi-Filmen aus den Jahren 1955 bis 1957 - eine Trilogie von Ernst Marischka - haben Generationen von Fernsehzuschauern immer wieder verfolgt, wie sich Elisabeth widerwillig an das Wiener Hofzeremoniell gewöhnen muss und dann doch die Herzen der Bevölkerung für sich gewinnt. Heimatfernsehen fürs Herz eines gebeutelten Nachkriegsdeutschlands. Die Marischka-Filme zeigen die Kaiserin - mit Romy Schneider in der Hauptrolle - als eine vor allem volksnahe und warmherzige Frau.

Zweifelhafte Legendenbildung um Sisi

Aus der historischen Figur am Ende des 19. Jahrhunderts wurde schnell ein Mythos, steht Elisabeth von Österreich-Ungarn doch für die Sehnsucht vieler Menschen, aus den Fesseln des Alltags auszubrechen. Ihrem tatsächlichen Charakter aber wurde diese Legendenbildung nicht gerecht. Denn Elisabeth war auch eine durchaus radikale, egoistische und kapriziöse Frau.

Eine Seite des Fotoalbums von Sisi zeigt Schwarzweiß-Fotos von Frauen (Foto: Oliver Berg/dpa/picture alliance).
Private Fotoalben von Sisi offenbaren, wie die Kaiserin Elisabeth ihr Styling planteBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Geboren wird sie 1837 als viertes von zehn Kindern des Herzogs Maximilian und seiner Frau Ludovika von Bayern. Ihre Kindheit verbringt sie in München und am Starnberger See. Dann wird sie mit 16 Jahren Kaiserin. Für Sisi - ihre Geschwister und ihr Mann nennen sie so - geht damit nicht wirklich ein Traum in Erfüllung: Schon zwei Wochen nach der Eheschließung klagt sie über den "Kerker", in dem sie erwacht sei. Ihr Mann widmet sich kaum dem Privatleben: Er hat gleich zwei militärische Niederlagen zu verantworten und muss das Kaisertum in zwei konstitutionelle Monarchien - Österreich und Ungarn - überführen. Ein gärender Nationalitätenkonflikt.

Aufbau einer eigenen Fotosammlung

Sisi bekommt zwei Töchter und einen Sohn, später noch eine weitere Tochter. Bald plagen sie gesundheitliche Probleme. Sie flieht regelrecht aus Wien und reist durch Europa. Auf Korfu erholt sie sich besonders gut von den Aufgaben zu Hofe und reift zu einer energischeren und selbstbewussteren Persönlichkeit, deren Schönheit legendär werden sollte.

Gemälde zeigt Frau mit langen gepflochtenem Haar, darin silberne Sterne. Sie trägt ein schulterfreies Kleid und eine Silberkette (Foto: picture-alliance/dpa/Bernhaut).
Kaiserin Sisi auf einem Gemälde von Franz Xaver WinterhalterBild: picture-alliance/dpa/Bernhaut

Sie beginnt mit dem Aufbau einer eigenen Fotosammlung. Im Kölner Museum Ludwig sind nun einige Bilder aus ihren Alben, die sie selber arrangiert hat, zu sehen. Darunter drei sogenannte "Schönheitsalben", in edlem Leder gebunden. Das Besondere daran: Sisi sammelte ausschließlich Bilder von Frauen, um deren Aussehen zu studieren. "Ich lege mir nämlich ein Schönheits-Album an und sammle nur Photographien, nur weibliche dazu", schreibt Sisi in den 1860er-Jahren an ihren Schwager Erzherzog Ludwig Viktor. "Was Du für hübsche Gesichter auftreiben kannst beim Angerer und anderen Photographen, bitte ich Dich, mir zu schicken."

Pionierin beim Sammeln von Fotokunst

Das Museum Ludwig besitzt 18 ihrer Fotoalben mit etwa 2000 Fotografien. Die Ausstellung zeigt nun einen Ausschnitt daraus: Auf den Fotos sieht man die Kaiserin selber mit ihren Hunden, Szenen aus ihrem eigenen Familienleben, aber auch Frauen, die in der Regel nicht dem Schönheitsideal des Hofes entsprachen. Denn Sisi sammelte Bilder von Artistinnen und Bühnendarstellerinnen. Frauen also, die in der königlichen Gesellschaft keinen guten Ruf besaßen.

Seite eines alten Fotoalbums zeigt drei Fotos: ein Ganzkörperportrait einer jungen Frau im wallenden Kleid, eine Karikatur des Kaiserpaars und ein Pudel, der auf einem Tisch sitzt (Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln).
In den Fotoalben der Kaiserin finden sich sie auch Karikaturen und Aufnahmen eines Pudels Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln

Sisi kann durchaus als eine Pionierin bezeichnet werden, was das Sammeln von frühen Fotografien anbetrifft. Denn das Medium, das 1839 von dem französischen Maler Louis Daguerre offiziell vorgestellt worden war, genoss am Ende des 19. Jahrhunderts noch keine große Akzeptanz, auch nicht bei den Kunstsammlern. In Köln gibt es also gerade eine Elisabeth zu entdecken, die "viel moderner, viel emanzipierter, viel scharfzüngiger und viel vielleicht auch wilder ist, als wir uns sie vielleicht vorstellen", ist die Kuratorin der Ausstellung, Miriam Szwast, überzeugt.

1889 wurde Sisi von einem Anarchisten ermordet

Elisabeth habe sich mit ihren Alben "ein Stück der Gesellschaft entworfen, die nach ihrem Geschmack war, und sich mit Menschen auf den Bildern umgeben, die sie interessiert haben", erläutert Szwast. Dabei nutzte sie die Sammlung auch dazu, um ihre eigene Schönheit noch mehr zu betonen: Denn wenn sie als schön betrachtet werde, habe sie auch "eine gewisse Macht", die wiederum ihrem persönlichen Freiheitsdrang zugutekam.

Fotoalbum der Kaiserin in Leder eingebunden (Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln).
Sisis Fotoalben waren kostbar verpacktBild: Rheinisches Bildarchiv Köln

In ihren späteren Jahren schrieb Elisabeth auch Gedichte. Doch auch diese Tätigkeit brachte ihr keine Erfüllung. Gegen ihre Depressionen ließ sie sich Kokain verschreiben. Als ihr Sohn Rudolf 1889 Selbstmord begeht, trägt Sisi nur noch schwarz. 1898 wird sie durch einen Anarchisten ermordet. Der erst später veröffentlichte Obduktionsbericht verzeichnet Hungerödeme und das Tattoo eines Ankers auf ihrer Schulter.

Die Kölner Ausstellung lässt eine bisher unbekannte Facette aus ihrem Leben wieder lebendig werden und befreit das ewig schöne und zugleich traurige Bild, das wir von Sisi haben, endlich von seinem Kitsch. Zutage kommt eine moderne Frau mit einem ausgewiesenen Sinn für Kunst.

Die Ausstellung "Sisi privat" ist bis zum 21. Februar 2021 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.