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Hilfe für Haiti

14. Januar 2010

Nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti haben die Malteser jetzt ein Nothilfe-Team auf die Karibik-Insel geschickt. Doch so ein Einsatz muss gut geplant sein, sonst erreicht er genau das Gegenteil.

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V.l.n.r.: Prof. Dr. Klaus Runggaldier, Leiter Rettungsdienst Malteser Hilfsdienst, die Notärzte und Anästhesisten Dr. Andreas Mennewisch und Dr. Ralf Siepe und sowie Georg Nothelle, Teamleiter und Nothilfe-Koordinator von Malteser International, Quelle: Malteser
Das Malteser-Team vor dem Abflug am Düsseldorfer FlughafenBild: Malteser Hilfsdienst

Kaum hatten die ersten Meldungen über das Erdbeben vor der Küste Haitis die Zentrale des Malteserhilfsdienstes in Köln erreicht, starteten dort die Vorbereitungen zur schnellen Hilfe für die Region. Mediziner aus Köln und Umgebung wurden organisiert, Flüge ins Nachbarland, die Dominikanische Republik, gebucht und Notfallmaterial bereitgestellt.

Lage nach Beben weiter unsicher

Arbeiter der Aktion Medeor packen Nothilfepakete für Haiti, Foto: ap
In ganz Deutschland läuft die Nothilfe für Haiti anBild: AP

"Ich habe eigentlich immer einen gepackten Koffer zu Hause stehen. Und als die ersten Nachrichten aus Haiti kamen, wusste ich, dass ich helfen würde", erzählt Georg Nothelle. Der Kölner arbeitet seit zwanzig Jahren in der Entwicklungshilfe und betreut vornehmlich Projekte des Malteserordens in Afrika. Gemeinsam mit zwei Notfallärzten und einem Rettungsassistenten ist er am Donnerstag (14.01.2010) nach Haiti aufgebrochen, um dort die basismedizinische Versorgung von Opfern zu übernehmen. Doch bis zum Abflug blieb unklar, wie der Entwicklungshelfer und sein Team nach dem Flug nach Santo Domingo auf dem Landweg in die Hauptstadt Haitis Port-au-Prince gelangen werden.

Hauptstadt fast vollständig zerstört

"Die Straßen liegen voller Schutt, so dass man nur noch im Slalom mit dem Motorrad durchfahren kann. Mit Lkw oder Auto geht es gar nicht und zu Fuß ist es zu gefährlich", weiß Ingo Radtke, der Leiter von Malteser International, von den Projektpartnern vor Ort zu berichten. Unklar ist auch weiterhin, welche Situation sein Team vor Ort vorfinden wird, denn nach wie vor gibt es keine gesicherten Zahlen über Opfer und Ausmaß der Katastrophe.

Zerstörtes Haus in Port au Prince, Foto: ap
Nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti suchen Helfer fieberhaft nach Überlebenden. Die Vereinten Nationen baten um schweres Räumgerät und Spürhunde, um Verschüttete zu bergen. Lebensmittel, Medizin und Wasser wurden knapp.Bild: AP

Durch regelmäßige Kontakte mit Mitarbeitern in Haiti weiß Radtke jedoch, dass Teile der Elendsviertel, die oberhalb von Port-au-Prince an den Hügeln gebaut waren, in den Abgrund gerutscht und vollständig zerstört wurden. "Die Bevölkerung hat einen kollektiven Schock erlitten. Da ist ein komplettes Chaos, das sich in den nächsten Stunden etwas entwirren muss", sagt er.

"Haiti wird zurückgeworfen"

Ingo Radtke, der Leiter von Malteser International, Foto: Malteser
Ingo Radtke, der Leiter von Malteser InternationalBild: Malteser Hilfsdienst

Dazu soll auch das medizinische Team aus Deutschland beitragen. Seit einiger Zeit unterstützen die Malteser bereits ein Krankenhaus im Norden des Landes. Die frühere französische Kolonie sei seit Jahren von Naturkatastrophen und politischen Krisen geplagt, erklärt der Malteser-Chef und auch die Friedensmission der Vereinten Nationen habe die Situation auf Haiti nicht nachhaltig stabilisieren können: "Tatsache ist, dass Haiti durch Misswirtschaft und politische Probleme schlechte Voraussetzungen hat und nicht zu Unrecht 'Armenhaus Lateinamerikas' genannt wird. Dieses marode, kaputte System, in dem die Bürger bereits gebeutelt waren und jedes Jahr von Hungerkatastrophen heimgesucht wurden, wird jetzt durch das Erdbeben noch weiter zurückgeworfen", so seine Einschätzung.

Flexible Hilfe mit der Hausapotheke

Damit das kleine Team der Malteser in Haiti möglichst flexibel ist, wurde es in Köln lediglich mit einer Art Reiseapotheke ausgestattet, die das Wichtigste zur schnellen Notversorgung Verschütteter beinhaltet. Im Katastrophengebiet selbst, so erklärt der krisenerprobte Helfer Nothelle, seien notwendige medizinische Geräte bereits vorhanden und bräuchten nicht aus Europa angeliefert werden: "Schließlich gibt es die Dominikanische Republik in der Nähe und ich weiß, dass auch die USA schon viel Material auf den Weg gebracht haben", so der Entwicklungshelfer. Wichtiger sei es nun zu klären, ob der kleine Flughafen in Port-au-Prince die vielen Hilfsgüter verarbeiten könne, "denn wir wollen ja keine Müllberge schaffen, auch wenn es gut gemeint ist."

Keine Heerscharen von Helfern

Denn gut gemeint sei oft schlecht umgesetzt, erklärt der Entwicklungsexperte weiter. Viel zu viele Hilfsgüter oder Einsatzkräfte vor Ort – das sei Nothilfe, wie sie noch vor zwanzig Jahren praktiziert worden sei. Organisationen, die heute trotzdem ohne Analyse der Lage Medikamente ins Katastrophengebiet schickten, hätten in den vergangenen Jahrzehnten nichts dazu gelernt. "Als Organisation habe ich keinen Vorteil davon, wenn ich jetzt schon Heerscharen von Helfern runter schicke, ohne zu wissen, ob diese überhaupt gebraucht werden. Ich kann viel Schaden anrichten, ich verursache Kosten und die Leute werden frustriert, wenn sie nicht benötigt werden."

Krankenhaus-Projekts CRUDEM in Milot in der Nähe von Cape Haitien, Foto: Malteser
Seit Jahren haben die Malteser bereits ein Krankenhausprojekt in der Nähe von Cape Haitien.Bild: Malteser Hilfsdienst

Und so ist die Hilfsmaßnahme der Malteser zunächst lediglich für eine Woche geplant. Danach, so begründet der Leiter von Malteser International Ingo Radtke diese Entscheidung, seien genügend Informationen für weitere Hilfen gesammelt. Anschließend werde ein zweites Team die Reise nach Haiti antreten, um mögliche Aufbauarbeiten zu koordinieren. "Wir haben immer die Hoffnung, dass es den Menschen nach der Katastrophe nicht nur genauso geht wie zuvor, sondern dass sie auf der Entwicklungsleiter eine Stufe hinaufsteigen."

Autorin: Stephanie Gebert
Redaktion: Ina Rottscheidt