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Sind wir süchtig nach Stress?

Marko Langer
12. Oktober 2016

Immer mobil, immer erreichbar: Moderne Medien potenzieren Stress und Belastung. Krankmeldungen nehmen zu. Doch wie viel Beanspruchung ist eigentlich selbst verschuldet? Eine neue Studie gibt überraschende Antworten.

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Deutschland Stress Arbeit Studie
Den Anforderungen des Berufs fühlen sich viele Menschen nicht mehr gewachsenBild: picture-alliance/maxppp

Kennen Sie diese Szene? Morgens in der U-Bahn oder im Bus zur Arbeit: Zählen Sie einmal, wie viele Fahrgäste den Kopf gesenkt haben, den Blick ständig auf das Smartphone gerichtet. Und? Ja richtig, es sind etliche Passanten. Und nun die nächste Frage: Können Sie selbst das Handy in der Tasche lassen, die ganze Fahrt lang, ohne einen Blick auf das Display zu werfen? Auch nach Feierabend?

Wir wollen ständig erreichbar sein, ständig informiert, warten dauernd auf neue Informationen - in der Hoffnung auf positive Informationen. Dass über die Handys inzwischen meist schlechte Nachrichten übermittelt werden, macht die Sache nicht besser. Die ununterbrochene Erreichbarkeit auf mobilen Geräten ist inzwischen ein wesentlicher Krankmacher.

"Schluss mit der ständigen Erreichbarkeit"

Zu diesem Ergebnis ist die Techniker Krankenkasse (TK) in ihrer jüngsten Forsa-Umfrage gekommen. Nach der an diesem Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie nehmen stressbedingte Erkrankungen in Deutschland rapide zu. Sechs von zehn Erwachsenen fühlen sich der Untersuchung zufolge unter Druck. Fast jeder vierte Befragte gibt an, häufig gestresst zu sein. "Es ist offensichtlich, dass immer mehr Menschen Probleme haben, ihren Alltag zu bewältigen", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. 

Nicht nur für die Krankenkassen, auch für die Unternehmen ist das Thema ein Riesenproblem. Stichwort "Krankschreibungen": Nach Angaben der TK haben die Fehlzeiten aufgrund von Erkrankungen wie Depressionen sowie Angst- und Belastungsstörungen in den vergangenen 15 Jahren um etwa 90 Prozent zugenommen. Von 15 Fehltagen, die jeder Berufstätige im Jahr 2015 im Schnitt krankgeschrieben war, entfielen 2,5 Tage auf psychische Diagnosen. "Fast jeder Fünfte hat Sorge, im Job bald nicht mehr mithalten zu können", sagt Baas.

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Die tägliche Versuchung: Den Blick auf den Display kann sich kam jemand verkneifenBild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Firmen können da eine Menge tun, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter sicherzustellen. "Wir brauchen eine Unternehmenskultur in den Betrieben, die es den Menschen ermöglicht, gesund zu arbeiten, zu regenerieren und Familie und Beruf in Einklag zu bringen", sagt der TK-Chef. "Dazu gehört auch, dass Feierabend ist mit der ständigen Erreichbarkeit."

Bislang hätten allerdings viele Beschäftigte den Eindruck, sie müssten immer weiter mitmachen. "Das spricht nicht für eine gesunde Unternehmenskultur", sagte Baas bei der Veröffentlichung der Studie. Im übrigens seien es nicht Regeln, die dieses Problem aus der Welt schafften, sondern Vorgesetzte, die entsprechend mit gutem Beispiel vorangingen.

Fomo oder Jomo?

Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa 1.200 deutschsprachige Personen ab 18 Jahren befragt - im Zeitraum zwischen Juni und Juli. Dabei ging es auch um Entspannungstechniken oder um verblüffend einfache Fragen, wie zum Beispiel: "Wie glücklich sind Sie?"

Allerdings ist es nicht die Arbeitswelt allein (46 Prozent der Befragten gaben dies an), die Menschen unglücklich oder krank macht. Zu hohe Ansprüche an sich selbst (43 Prozent), Termindichte in der Freizeit (33 Prozent), der Straßenverkehr (30 Prozent) sowie die ständige digitale Erreichbarkeit (28 Prozent) wurden bei der Umfrage als weitere problematische Faktoren genannt.

Wie schützt man sich vor Stress?

Fast jeder Vierte gibt der Studie zufolge an, zu viel Zeit im Netz zu verbringen. 17 Prozent sagen, sie hätten das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie länger nicht online sind. "Psychologen haben sogar schon einen Begriff dafür: FOMO - 'Fear of missing out'", erklärt Baas. Es gebe aber auch den Gegentrend: "JOMO! Das steht für 'Joy of missing out.' Also die Freude, nicht bei allem dabei sein zu müssen.