1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Verlässlichkeit von Klimamodellen

Clara Walther29. Januar 2015

Seit Jahren beobachten Meteorologen eine Abweichung zwischen Klimamodellen und realer Erderwärmung. "Verantwortlich dafür ist der Zufall", behauptet jetzt ein internationales Forscherteam.

https://p.dw.com/p/1ERoF
Thermometer vor der Sonne (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In der Wissenschaft ist es wichtig und richtig, sich zu streiten - und von Menschen gemachte Modelle und Berechnungen in Zweifel zu ziehen. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, sieht das nicht anders. Diskussionen gehören zu seinem Fachgebiet dazu. Auch weil seine Forschung politische Folgen hat. Klimamodelle dienen nicht nur der Schöngeisterei. Sie lassen Staatschefs miteinander verhandeln, Klimaschützer auf die Straße gehen und ganze Industriezweige erschauern. "Tatsächlich ist es manchmal anstrengend, dass unsere Forschungsergebnisse auch für politische Diskussionen instrumentalisiert werden", sagt Marotzke gegenüber der Deutschen Welle. "Aber das gehört zum Leben eines Klimaforschers dazu - auch wenn es mir und meinen Kollegen in der Hauptsache darum geht, zu lernen, wie das Klima funktioniert."

Klimamodelle als Zukunftsorakel

Jochem Marotzke (Foto: Max-Planck-Institut für Meteorologie)
Jochem Marotzke: "Unsere Forschungsergebnisse werden oft für politische Diskussionen instrumentalisiert."Bild: Max-Plank-Institut. für Meteorologie

Aber Marotzke beschäftigt sich eben nicht mit einfachen Wettervorhersagen, sondern mit komplexen Klimamodellen. Physikalische Grundgesetze wie die Gesetze der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung werden dafür mathematisch formuliert, mit Gleichungen aufgeschrieben und dann mit dem Computer berechnet. Klimamodelle liefern den Wissenschaftlern Ergebnisse über Prozesse, Wechselwirkungen und Gesetzmäßigkeiten des Klimasystems. Sie simulieren vergangene Klimaveränderungen. Aber sie machen eben auch Aussagen über zukünftige Klimazustände.

Und vor allem dieser Blick in die Zukunft ist es, der in meteorologischen Fachkreisen in den vergangenen Jahren heiß diskutiert wurde. Skeptiker, die an der These des menschengemachten Klimawandels zweifeln, wiesen immer wieder auf Fehler in Klimamodellen hin, die einen dramatischen Anstieg der Erderwärmung prophezeien. "Tatsächlich gibt es einen wissenschaftlichen Grund, Klimamodellen nicht einfach blind zu vertrauen", räumt auch Jochem Marotzke ein. "Denn wir können nie alle Annahmen, die ein Modell bestimmt, auch richtig beweisen."

Faktoren im Klimamodell (Grafik: DW)

Abweichung zwischen Klimamodell und Temperaturanstieg

Und tatsächlich gab es da ein konkretes Problem, das Jochem Marotzke und seinem britischen Kollegen Piers M. Forster Kopfzerbrechen bereitete: "Wir wussten, dass die Oberflächentemperatur der Erde seit 15 Jahren stagniert, wohingegen die Modelle eine fortschreitende Erwärmung zeigen", erklärt Marotzke das Problem. Waren die gängigen Klimamodelle also falsch? Gab es einen systematischen Fehler innerhalb der Modelle? Ist die Erderwärmung bloß ein Schreckgespenst? Jochem Marotzke ist nicht angetreten, um Dinge zu beweisen: "Wir wollten einfach nur begreifen, woher diese Diskrepanz zwischen den Modellen und den Beobachtungen kommt", erklärt der Meteorologe die Motivation zu seiner jüngsten Studie.

Alles nur Zufall?

Seine Ergebnisse veröffentlichte das Forscherteam nun im Fachblatt "Nature". Mithilfe eines mehrstufigen Berechnungsverfahrens schlossen Marotzke und Forster systematische Fehler in den Modellrechnungen aus. Stattdessen machten die Forscher nun den Zufall für die derzeitige Erwärmungspause im Weltklima verantwortlich. Aufgrund ihrer Berechnungen gäbe es keinen Grund an den gängigen Prognosen einer starken Erderwärmung zu zweifeln.

Für den Laien mag das allzu simpel klingen. Findet man sonst nichts, muss eben der Zufall herhalten, könnte man denken. Doch für Marotzke gibt es keinen Grund, mit seinen jüngsten Forschungsergebnissen zu hadern: "Als Meteorologe weiß man, dass das Wettergeschehen von Zufall und Chaos dominiert wird. Man muss sich der Erkenntnis stellen, dass der Zufall hier eine große Rolle spielt." Und er fügt hinzu: "Wichtig ist, dass man sauber trennen kann, was zufällig passiert und was erklärbar ist - und somit auch unsere Modelle verbessern kann."

Marotzke ist sich sicher, dass die Klimamodelle den menschengemachten Klimawandel nicht überschätzen. Seiner Meinung nach bedeutet das, dass die Erderwärmung am Ende dieses Jahrhunderts gravierende Ausmaße erreicht haben wird - wenn klimapolitisch nicht massive Maßnahmen ergriffen werden. Insofern ist Marotzke dann doch ganz froh, dass seine Forschungsergebnisse immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert und wahrgenommen werden.

Globale Temperaturentwicklung seit 1880 (Grafik: DW)