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Politik

Die Kosovo-Armee soll selbsttragend werden

14. Dezember 2018

Bildung einer Kosovo-Armee wird ein Prozess sein, das mindestens zehn Jahre noch dauern wird, sagt im DW-Interview parlamentarische Staatssekretär bei der Verteidigungsministerin, Thomas Silberhorn (CSU).

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Thomas Silberhorn
Bild: DW/A. Shuka

Deutsche Welle: Herr Silberhorn, im Kosovarischen Parlament werden derzeit die Weichen für die Kosovarischen Streitkräfte gestellt.  Wie sehen Sie diesen Schritt?

Thomas Silberhorn: Mit dem Begriff Streitkräfte wird natürlich daran erinnert, dass es um die Souveränität und Unabhängigkeit des Kosovo geht. Der Kosovo ist nicht von allen anerkannt, dass ist eine Streitfrage. Deswegen ist mir wichtig festzustellen, dass in den Gesetzesinitiativen, die im Parlament eingebracht worden sind, der Begriff Streitkräfte nicht vorkommt. Ich sehe das als den Beginn eines Transformationsprozesses für die nächsten zehn Jahre. In diesem Zeitraum sollte man alle grundlegenden strittigen Fragen klären können, und dann wird man auch Klarheit schaffen können beim Begriff der Streitkräfte.

Serbien sieht den Transformationsprozess als eine Bedrohung an. Mit welchem Argument würden Sie die Serben beruhigen?

Die Kosovarischen Sicherheitskräfte haben auch Angehörige der serbischen Minderheit. Sie müssen natürlich für die Sicherheit im ganzen Land Sorge tragen. Hier muss man einen Übergangsprozess gestalten, der auch den Interessen der serbischen Minderheit Rechnung trägt und der in Rechnung stellt, dass die NATO und die Partner der NATO ja auch bislang unterschiedlicher Ansicht sind. Wir müssen einen Weg wählen, der die Beteiligten miteinbezieht und zu einer überzeugenden Lösung  führt.

Finden Sie, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die Streitkräfte zu bilden, wobei das Vertrauensverhältnis zu der serbischen Minderheit nicht so gut ist, weil ja der serbisch-kosovarische Dialog auch nicht vorankommt.

Seitens der Bundesregierung bewerten wir das mit Zurückhaltung. Wir verstehen allerdings auch, dass man auch einen Fortschritt erkennen muss in den offenen Fragen, und deswegen hoffen wir und setzen uns dafür ein, dass man diesen Übergangsprozess jetzt gestaltet. Die Kosovarischen Sicherheitskräfte sind professionell ausgebildet und sie sollten jetzt dieses Niveau erhalten und so ausbauen, dass sie selbsttragende Strukturen schaffen können. Dem dient auch der Einsatz der internationalen Gemeinschaft im Kosovo. Wir wollen dahin beraten und unterstützen, dass im Kosovo selbsttragende Strukturen entstehen.

Deutschland hat bisher die Kosovo Security Force vor allem mit Ausrüstung unterstützt. Wie wird seine Hilfe für die kosovarischen Streitkräfte aussehen?

Wir sind nun seit fast zwanzig Jahren mit Soldaten der Bundeswehr im Kosovo präsent. Wir haben kürzlich das 50. deutsche Einsatzkontingent aus Prizren verabschiedet, wir bleiben aber mit etwa 70 Personen in Pristina. Wir sind auch beteiligt an dem  NATO Advisory and Liaison Team, das dazu berät, dass die kosovarischen Sicherheitskräfte ihre Aufgaben selbstständig wahrnehmen können. Und ja, wir unterstützen auch den Kapazitätsaufbau, beispielsweise im Bereich Logistik und im Bereich Sanitätsdienst. Was die Ausrüstung angeht, haben wir einige Fahrzeuge im Kosovo hinterlassen, nachdem wir das Feldlager in Prizren geräumt haben. Vor allem wird dieses Feldlager jetzt umgebaut in einen Technologie- und Ausbildungspark. Das ist für uns eine ganz wichtige Botschaft, dass wir auf dem Boden der Stabilität, die mit Unterstützung der Bundeswehr in Kosovo erreicht worden ist, jetzt einen zivilen Aufbau organisieren können und somit in die nächste Generation investieren können, in Ausbildung und Innovation, sodass dem militärischen Engagement jetzt eine enge zivile Partnerschaft folgt.

Welche Rolle würde auf die NATO zukommen, wenn die Kosovo-Streitkräfte stehen.

Die NATO verfolgt eine Politik der offenen Tür. Die Staaten sind selbstständig und müssen für sich entscheiden, welche Bündnisse und welche Beiträge zur Sicherheit sie eingehen wollen. Mit Montenegro als dem neuesten NATO-Mitglied gibt es ein Vorbild, in welche Richtung das gehen kann. Aber die Initiative muss schon von unseren Partnerländern ausgehen. Im Hinblick auf das Kosovo gibt es da die bekannten strittigen Fragen um die Souveränität und die Klärung des Verhältnisses mit Serbien. Das ist eine Vorbedingung für so eine grundlegende Weichenstellung.

Zurzeit gibt es nur einen konkreten Vorschlag für die Lösung dieser Fragen: Die sogenannte Grenzkorrektur, die der kosovarische Präsident und sein Amtskollege aus Serbien vorschlagen. Wie sehen Sie das?

Es ist in der Tat die Aufgabe beider Staaten, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen. Was einen möglichen Austausch von Land  angeht, sind wir sehr zurückhaltend. Wir haben in ganz Europa damit keine guten Erfahrungen gemacht. Wir müssen verhindern, dass man Grenzen entlang ethnischer Linien zieht. Das wird nicht dauerhaft tragfähig sein. Der Krieg in Jugoslawien hat ja gezeigt, dass es eine enge Verflechtung unterschiedlicher Ethnien gibt. Wir müssen dahin kommen, dass die Angehörigen unterschiedlicher Ethnien friedlich zusammenleben können. Das kann man nicht durch Grenzen voneinander separieren, und deswegen darf es nicht zu einem Austausch von Bevölkerung kommen, sondern wir sollten daran arbeiten, dass die Menschen dort, wo sie zuhause sind, auch eine sichere Zukunft haben.

Das Gespräch führte Anila Shuka

Thomas Silberhorn (CSU) ist ein deutscher Politiker und Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung.