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Politik

Meister der Fehleinschätzung

Frank Sieren
17. Mai 2018

Trumps Ausstieg aus dem Atom-Deal mit dem Iran macht für China gleich in mehrerer Hinsicht die Bahn frei, um das US-amerikanische Machtvakuum zu füllen, meint Frank Sieren.

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China Zug der China Railway Express fährt nach Iran
Fahrtrichtung Teheran - Abfahrt des ersten China Railway Express von Bayannur in der Inneren MongoleiBild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/T. Zhe

Nur zwei Tage, nachdem Donald Trump den Atom-Deal mit dem Iran aufkündigt hatte, machte sich ein Zug aus der nordchinesischen Stadt Bayannur auf den Weg nach Teheran. Die Fracht: 1150 Tonnen Sonnenblumenkerne. Er war die Premiere einer neuen Zugstrecke, auf der Güter 20 Tage schneller als auf dem Seeweg aus der inneren Mongolei in den Iran gelangen können. Der mit Flaggen geschmückte Zug war natürlich auch in symbolischer Mission unterwegs. Die Botschaft: Der Iran wird in China auch in Zukunft einen verlässlichen Partner haben.

Ausbau der Beziehungen zum Iran

Trumps Entscheidung, das Atom-Abkommen mit dem Iran aufzukündigen und neue Sanktionen zu verhängen, mischt die Karten neu.  Russland, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und China haben angekündigt, trotz Druck aus Washington am alten Deal festhalten zu wollen. Peking will die Zusammenarbeit mit dem Iran sogar noch ausbauen. Bereits nach dem Ende der Sanktionen gegen Teheran vor zwei Jahren hatten China und die Islamische Republik vereinbart, ihren wechselseitigen Handel in den kommenden zehn Jahren auf 600 Milliarden Dollar mehr als zu verzehnfachen. An diesen Plänen soll sich auch jetzt nichts ändern.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Peking möchte Stabilität im Nahen Osten und hat auch deshalb den Atom-Deal mitunterschrieben, um ein nukleares Wettrüsten in der Region zu verhindern. Außerdem wäre ohne die Regionalmacht Iran Chinas Neue Seidenstraße nicht voll funktionsfähig. Das Handelsvolumen zwischen den Ländern hat sich seit 2006 mehr als verdoppelt. Darunter fallen natürlich auch die für China wichtigen Bodenschätze. Das Reich der Mitte ist der größte Abnehmer von iranischem Öl. Der Iran verfügt über rund zehn Prozent der weltweit gesicherten Ölreserven. China hat im vergangenen Jahr die USA erstmals als größter Ölimporteur der Welt abgelöst. Das gibt der chinesischen Regierung größere Verhandlungsmacht, wenn es um die Konditionen von Ölkäufen geht.

Indem China das Vakuum füllt, das die USA im Iran hinterlassen, kann Peking seinem Traum vom "Petro-Yuan" einen guten Schritt näherkommen. Die internationale Dominanz des Dollar basiert nicht zuletzt auf dem Petro-Dollar-System, der bislang ausschließlichen Bezahlung von Rohöl in Dollar, welches seit Mitte der 1970er-Jahre besteht. Bislang haben die USA von der dominanten Rolle des Dollars profitiert. In Zukunft will Peking erreichen, dass alle Ölimporte in Yuan abgewickelt werden. Das erspart den kostspieligen Umtausch in Dollar und stärkt den Yuan als internationales Zahlungsmittel. Umso mehr Länder ihre Energielieferungen in Yuan abzuwickeln, umso schwächer wird die Rolle des Dollar und damit auch der politische Einfluss der USA. Und: Die Nachfrage nach chinesischen Gütern und Anlagemöglichkeiten steigt automatisch mit an. Iran, Venezuela und Russland wickeln ihre Ölexporte nach China bereits in Yuan ab. Durch neue US-Sanktionen gegen den Iran werden weitere Länder den Kontakt mit dem US-Finanzsystem meiden und den Weg über China suchen.

Zusammenrücken gegen die USA

Peking wird deswegen keine weiteren Sanktionen gegen den Iran mittragen. Chinas Regierung hat erkannt, dass solche Maßnahmen in einer multipolaren Weltordnung kein wirksames Mittel mehr sind, um seinen außenpolitischen Willen durchzusetzen. Barack Obama hatte das erkannt. Donald Trump glaubt jedoch, mehr herausschlagen zu können. Der Preis, den er dafür zahlen muss, ist ihm offensichtlich nicht klar. Nach dem Klimaschutz und den US-Handelsstreitigkeiten haben die Europäer nun ein weiteres Thema, bei dem sie enger mit China und Russland zusammenrücken müssen.

Ob sie allerdings gemeinsam etwas erreichen, zeichnet sich noch nicht ab. Sie können die USA nicht zwingen, einzulenken. Trump ist der innenpolitische Erfolg wichtiger als das außenpolitische Durcheinander. Und diesen Erfolg  bekommt er, wenn die Iraner in irgendeinem Punkt nachgeben. Man muss einräumen: Völlig aussichtslos ist der Versuch nicht.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.