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"Irans Führung ist nervös"

22. Februar 2012

Eine Delegation der IAEA musste den Iran unverrichteter Dinge verlassen. Die Gespräche sind vorerst beendet. Im DW-Interview erläutert Sicherheitsexperte Oliver Thränert Teherans harte Haltung.

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Oliver Thränert ist Experte für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (Foto: Körber-Stiftung / Marc Darchinger)
Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik in BerlinBild: Körber-Stiftung/Marc Darchinger

Deutsche Welle: Die iranische Führung hat Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde den Zugang zu einer Anlage verwehrt. Warum arbeitet Teheran nicht mit der IAEA zusammen?

Oliver Thränert: Der Iran verweist darauf, mit der IAEA im Rahmen seines mit der Wiener Organisation geschlossenen Sicherungsabkommens zusammen zu arbeiten. Diese Vereinbarung sieht lediglich die Kontrolle nukleartechnischer Anlagen vor, die der Iran gemeldet hat; die Überprüfung soll sicherstellen, dass dort kein spaltbares Material abgezweigt wird. Ein Zusatzprotokoll, das den Inspektoren verbesserte Zugangsbedingungen gewähren würde, hat der Iran zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert - und bei der Militäranlage von Parchin, um die es jetzt ging, handelt es sich nicht um eine gemeldete kerntechnische Anlage.

Was steckt hinter dieser formalistischen Argumentation?

Dahinter steckt natürlich die Vermutung der IAEA und der überwiegenden Mehrzahl der internationalen Experten, dass der Iran an einem geheim gehaltenen Atomwaffenprojekt arbeitet. Von der genannten Militäranlage nimmt die IAEA an, dass dort Arbeiten für einen nuklearen Sprengkopf durchgeführt werden. Für das Atomwaffenprogramm gibt es zwar keine stichhaltigen Beweise, aber der Iran hat als Mitglied des internationalen Nichtverbreitungsvertrages dauerhaft und völkerrechtlich verbindlich auf Kernwaffen verzichtet - und ein Staat, der Rüstungskontrollverpflichtungen eingegangen ist, muss selber dazu beitragen, seine Vertragstreue unter Beweis zu stellen. Der Iran verfolgt jedoch das Ziel, sein Atomprogramm soweit vorantreiben, dass er - wenn die Lage es erforderlich macht - innerhalb sehr kurzer Zeit ein relativ umfängliches Atomwaffenarsenal aufbauen könnte. Das ist jedenfalls meine persönliche Überzeugung.

Ist das ein rationales Ziel?

Der Iran hat zweifellos eine schwierige internationale Sicherheitslage. Es gibt in der Region bereits einige Kernwaffenmächte. Sicher haben die iranischen Führer auch die Zeichen aus Libyen gelesen: Dort hat Muammar al-Gaddafi 2003 sein Atomwaffenprogramm aufgegeben - mit der Folge, dass er, als die Revolution in seinem Land ausbrach, unter Beteiligung der Nato entmachtet und dann sogar getötet wurde. Auf der anderen Seite muss der Iran davon ausgehen, dass sein Atomprogramm natürlich Kosten auf internationaler Ebene verursacht, zum Beispiel durch die Sanktionen.

Die haben bislang kaum Wirkung gezeigt. Welche Mittel bleiben noch, um den Iran zu einem Einlenken zu bewegen?

Man muss nun zunächst einmal abwarten, ob die neuen Sanktionen wirken. Es hat den Anschein, als ob die iranische Führung schon nervös geworden ist. Das von der Europäischen Union verabschiedete Ölembargo und die anderen Maßnahmen sollen ja erst zum 1. Juli greifen, sodass es verfrüht ist, nach neuen Maßnahmen zu rufen. Ich denke, dass es noch einige Jahre dauern dürfte, bis der Iran Atomwaffen produzieren kann.

Die israelische Führung glaubt, das könne schön in einem Jahr der Fall sein und droht indirekt mit einem Militärschlag…

Ich habe große Zweifel, was diese ganze Diskussion anbelangt. Ich denke, dass es Israel hauptsächlich darum geht, die westlichen Staaten und die internationale Staatengemeinschaft dazu zu bringen, die Sanktionen und die anderen Maßnahmen gegen das iranische Atomprogramm weiter zu verschärfen.

Was könnte ein Angriff erreichen?

Natürlich könnte man wichtige iranische Atomanlagen zerstören, das ist überhaupt keine Frage. Die Frage ist, wie umfangreich diese Operation sein müsste. Wäre Israel dazu allein in der Lage oder bräuchte es amerikanische Unterstützung? Vor allem aber stellt sich die Frage, ob sich der Zeitgewinn im Verhältnis zu anderen internationalen Folgen lohnt. Ein Angriff würde das iranische Atomprogramm zwar verzögern, aber iranische Gegenmaßnahmen, einen massiven Anstieg des Ölpreises mit entsprechenden Folgen für die Weltwirtschaft und eine ungewollte Stabilisierung des iranischen Regimes zur Folge haben. Ich denke, dass insbesondere der amerikanische Präsident Barack Obama kein Interesse hat, eine militärische Auseinandersetzung zu suchen, die möglicherweise außer Kontrolle gerät.

Oliver Thränert ist Experte für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Das Gespräch führte Dennis Stute
Redaktion: Diana Hodali