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Etappensieg im Fall Serebrennikow

Marina Borisowa mo
9. April 2019

Nach seiner Entlassung aus dem Hausarrest hoffen Freunde und Kollegen in Deutschland auf baldiges Wiedersehen mit dem russischen Regisseur. Gemeinsame Projekte sind bereits in Planung.

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Kirill Serebrennikov - Theater- und Filmregisseur spricht zur Presse nachdem ihn das Moskauer Gericht entlassen hat
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Golovkin

Die Entlassung von Kirill Serebrennikow aus dem Hausarrest war auch für seine Kollegen und Freunde im Ausland eine Überraschung. Der 49-jährige russische Regisseur darf derzeit allerdings das Land nicht verlassen. Trotzdem erklärte Serebrennikow nach der Entscheidung, jetzt werde erst einmal gefeiert - und dann wieder geprobt.

Auch bei seinen Kollegen in Deutschland war die Freude groß. "Man möchte ihm einfach nur um den Hals fallen, nach Moskau fahren und mit ihm feiern", sagte der langjährige Chefdramaturg der Stuttgarter Staatsoper, Sergio Morabito, der DW. "Ich bin unglaublich erleichtert und muss ganz ehrlich sagen, dass ich nach der letzten Verlängerung des Hausarrests bis Juli sehr zermürbt und depressiv war", so Morabito, der seinen Kollegen seit vielen Jahren kennt. Die jüngste Entwicklung gebe Hoffnung, dass "dieser Alptraum in hoffentlich nicht so ferner Zukunft ausgestanden sein wird", sagte Morabito.

Festnahme und Hausarrest

Anfang April war der seit rund anderthalb Jahren bestehende Hausarrest für Kirill Serebrennikow um weitere drei Monate verlängert worden. Serebrennikow war im August 2017 in Sankt Petersburg festgenommen worden. Er ist der künstlerische Leiter des renommierten privaten Moskauer Theaters Gogol-Zentrum und spricht offen über Missstände in seinem Land. Zu seinen Themen gehören Armut, Religion und Totalitarismus. Filmstars, Theaterschaffende und Politiker hatten Russland wiederholt aufgefordert, die Verfolgung liberaler Künstler zu beenden. Die russische Justiz wirft Serebrennikow Veruntreuung staatlicher Fördermittel in Millionenhöhe vor. Der Regisseur hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Das Verfahren gegen ihn läuft weiter.

Serebrennikows Inszenierung von Nabucco in Hamburg
Serebrennikows Inszenierung von Verdis "Nabucco" feierte im März an der Staatsoper in Hamburg Premiere - in Abwesenheit des RegisseursBild: picture-alliance/dpa/C. Fürst

Serebrennikow wirkte unter anderem in Berlin an der Komischen Oper sowie an der Stuttgarter Staatsoper. Seine Inszenierungen wurden bei den Wiener Festwochen und dem Festival von Avignon aufgeführt. In Cannes sowie bei den Filmfestivals in Locarno, Rom und Warschau wurden seine Filme gezeigt. Serebrennikow erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen. Trotz der eingeschränkten Bewegungsfreiheit arbeitete er während des Hausarrests in seiner Wohnung weiter. Die Staatsoper Stuttgart und weitere Häuser hatten Aufführungen trotz Abwesenheit des Regisseurs auf die Bühne gebracht. So führte die Staatsoper Hamburg im März seine Neuinszenierung von Verdis Oper "Nabucco" auf.

Hoffnung auf Freispruch

Georges Delnon, Intendant der Hamburgischen Staatsoper, sagte der DW, er freue sich sehr über die Aufhebung des Hausarrests. "Ich wünsche diesem Ausnahmekünstler, dass es der erste Schritt zu einer vollkommenen Freilassung und Rehabilitierung ist", so Delnon.

Auch Andreas Homoki, Intendant des Zürcher Opernhauses, ist erleichtert. "Wir hoffen, dass dies als Zeichen für eine weitere Entspannung seiner Situation zu werten ist. Da wir fest an einen Freispruch glauben, haben wir auch bereits konkrete Verabredungen für die Zukunft mit ihm getroffen", sagte er der DW. Im November vergangenen Jahres fand die Premiere von Mozarts Oper "Cosi fan tutte" in der Inszenierung des russischen Regisseurs im Opernhaus Zürich statt.

Ein T-Shirt mit dem Konterfei von Kirill Serebrennikow
Kulturschaffende aus aller Welt setzten sich für die Freilassung des Regisseurs ein.Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Geplante Inszenierungen in Berlin

Mit besonderer Aufmerksamkeit werden die Nachrichten über Serebrennikow in Berlin verfolgt. Barrie Kosky, Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper, reagierte ebenfalls erleichtert auf die Nachricht von Serebrennikows Entlassung aus dem Hausarrest. "Während der Spielzeit-Präsentation haben 300 Menschen gejubelt und applaudiert. Hoffentlich hat er das in Moskau gehört", sagte Kosky der DW.

Serebrennikow kennt die Bühne der Komischen Oper gut. Im Jahr 2012 begeisterte er mit "American Lulu" das Berliner Publikum. 2016 fand in Berlin die Premiere von Rossinis "Der Barbier von Sevilla" statt. Im Juni 2020 soll es eine weitere Premiere von Serebrennikow geben. Kosky bedauert, dass Serebrennikow momentan nicht reisen darf. Er hoffe, dass die Reisefreiheit ein nächster Schritt sein werde und Serebrennikow dadurch an den Proben in Berlin teilnehmen könne.

Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters in Berlin und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, sagte der DW, das Ende des Hausarrests sei nur der erste Schritt. Im Mai gastiert das Moskauer Gogol-Zentrum in Berlin. "Am tollsten wäre, wenn er mitkäme, aber das wage ich jetzt nicht zu hoffen", so Khuon. Für 2020 gebe es bereits Pläne mit Serebrennikow. "Wir haben eine Verabredung mit ihm im nächsten Jahr für eine Inszenierung. Die Chancen wachsen jetzt gewaltig", sagte der Intendant. Khuon hofft, dass Kirill Serebrennikow im Februar 2020 vor Ort in Berlin arbeiten kann.