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Serbien: Viele Probleme nach wie vor ungelöst

26. Oktober 2006

Der Status des Kosovo, der noch immer ungeklärt ist, Kriegsverbrecher, die nicht aufgespürt und an das UN-Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert werden: Serbien schiebt schwierige Probleme vor sich her.

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Abwarten und Aussitzen helfen nicht weiterBild: AP

Eine internationale Konferenz unter dem Titel "Auf der Suche nach Serbien", veranstaltet von der Heinrich-Böll-Stiftung in Belgrad, ist einigen der Fragen nachgegangen, die Serbien im Augenblick beschäftigen – darunter auch die Frage: Ist "Serbien in Europa" oder "gegen Europa"? Teilnehmer aus Serbien und dem Ausland analysierten die Hindernisse Serbiens auf dem Weg zur inneren Demokratisierung und zur europäischen Integration. Der stellvertretende deutsche Botschafter in Belgrad, Michael Derus, sagte, die Bürger Serbiens entschieden selbst über ihre Zukunft. Die endgültige Entscheidung über den weiteren Weg Serbiens würde nicht in einer Hauptstadt der Europäischen Union oder in Brüssel gefällt, sondern in Serbien.

Böll-Vorstand fordert Bruch mit Extremisten

Ralf Fücks, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, meint, es sei an der Zeit, eindeutige Entscheidungen in Serbien zu fällen. Die Politiker in Serbien haben ihm zufolge noch nicht eindeutig darüber entschieden, ob sie für Europa sind. Dazu gehöre auch die klare Erkenntnis, dass das Kosovo nicht unter die Regierung Serbiens zurückkehren werde. Diese Option sei schon zur Regierungszeit von Slobodan Milosevic verspielt worden. Fücks zufolge kann das Kosovo nicht unter die politische Souveränität Serbiens zurückkehren, auch wenn dies in der serbischen Verfassung festgeschrieben ist. Eine weitere wichtige Entscheidung sei der Bruch mit den Extremisten, was am deutlichsten durch eine Verhaftung von Ratko Mladic zum Ausdruck käme.

Ex-Außenminister: Besondere Rolle Berlins

Der Vorsitzende des "Table I" des Südosteuropa-Stablitätspaktes, Goran Svilanovic, hob die Rolle Deutschlands bei der Lösung des Kosovo-Problems besonders hervor. Svilanovic meinte, dass eine Verzögerung der endgültigen Kosovo-Lösung nur die regionale Stabilität gefährde. Die Verhandlungen seien ins Stocken geraten, weil die Kontaktgruppe unentschlossen sei. Eben deswegen würde er aufmerksam die Ereignisse verfolgen und beobachten, wer die Verantwortung übernehmen werde.

Seinerzeit, als Slowenien und Kroatien anerkannt wurden, hatte die deutsche Diplomatie die Verantwortung übernommen. "Deutschland übernimmt im kommenden Halbjahr die EU-Präsidentschaft. In diesem Halbjahr wird erwartet, dass der Kosovo-Status definiert wird, sagte Svilanovic. Aber er sei sich nicht sicher, ob Deutschland dazu bereit sei, entscheidende Schritte bei der Lösung der Kosovo-Krise zu unternehmen. "Meine Gespräche in den vergangenen sechs Monaten haben zu keinem Ergebnis geführt, dass als öffentliche Erklärung aufgefasst werden könnte"‚ so Svilanovic.

Vergangenheitsbewältigung unerlässlich

Marieluise Beck, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied des Parlamentarischen Ausschusses für Außenpolitik, bemerkte, dass der Eindruck, den sie aus Serbien mitnehme, über "das Serbien von Milosevic" hinausreiche. Serbien sei ein Land, das Westeuropa sehr nahe stehe. Daher setze sie sich für Erleichterungen bei der Visumserteilung ein, insbesondere für junge Menschen, die keine eigenen Erfahrungen im Ausland gesammelt hätten. Ferner wies Marieluise Beck darauf hin, dass es unerlässlich sei, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, wozu auch die Auslieferung von Kriegsverbrechern gehöre. Sie hoffe, dass die EU konsequent sein werde und keine Kompromisse um die Auslieferung von Radovan Karadzic und Ratko Mladic eingehe. Beide sind vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagt, beide sind weiterhin flüchtig.

Serbien stehe eine schwierige Zeit bevor, sagte Marieluise Beck, und meinte damit die Entscheidung um den Status des Kosovo. "Im Grunde genommen ist unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten das Herauslösen eines Gebietes aus anerkannten Grenzen einer Nation nicht gerechtfertigt", sagt sie. "Es wäre nur gerechtfertigt, wenn das Besondere an diesem Fall herausgestellt würe - nämlich das ein Volk von seiner Regierung angegriffen wurde."

Ivica Petrovic, Belgrad
DW-RADIO/Serbisch, 25.10.2006, Fokus Ost-Südost