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Serbien entschuldigt sich für Srebrenica

31. März 2010

Das serbische Parlament hat sich für das Massaker von Srebrenica entschuldigt. Die Abgeordneten drückten den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus, vermieden aber die Bezeichnung "Völkermord" für die Gräueltaten.

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Trauernde Frau vor Reihen von Gräbern (Foto: dpa)
Tiefe Trauer über ein tragisches Kapitel in der Geschichte Serbiens: SrebrenicaBild: picture-alliance/ dpa

Das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg - und 15 Jahre hat es gedauert bis zu dieser Geste, diesem Zeichen: Mit einer Entschuldigung für die Ermordung von rund 8.000 bosnischen Muslimen in Srebrenica 1995 hat das Parlament in Belgrad das jahrelange Schweigen der serbischen Politik zu diesem Massaker gebrochen. Der mutmaßliche Hauptverantwortliche, der frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic, ist noch immer flüchtig. Der damalige politische Führer, Radovan Karadzic, steht vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Heftige Auseinandersetzung mit den Nationalisten

Blick ins Belgrader Parlament (Foto: Archiv dpa)
Wochenlanges Tauziehen im Belgrader Parlament: Nationalisten machten Front gegen die Entschuldigung der Serben (Archivaufnahme)Bild: picture-alliance/ dpa

Es hatte mehrerer Anläufe bedurft. Nach 13-stündiger Debatte wurde in der Nacht zum Mittwoch (31.03.2010) schließlich mit knapper Mehrheit eine Resolution angenommen, in der die Gräuel während des Bosnienkrieges (1992 bis 1995) "auf das Schärfste" verurteilt werden. Allerdings bezeichnet der Text das Massaker nicht als "Völkermord", was der Einstufung durch das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag entsprechen würde. Auch der Internationale Gerichtshof hat das Massaker als "Genozid" bewertet. Die Regierungsparteien hatten die Erklärung im Vorfeld abgeschwächt, um überhaupt eine Chance dafür zu erhalten.

Das Parlament entschuldigte sich im Namen des serbischen Volkes bei den Familien der Opfer dafür, dass Belgrad seinerzeit nicht genug unternommen habe, um das Verbrechen zu verhindern. Im Juli 1995 waren bosnisch-serbische Milizen in die damalige UN-Schutzzone Srebrenica einmarschiert und hatten an den leichtbewaffneten niederländischen Blauhelmsoldaten vorbei tausende Muslime - vorwiegend Männer und Jungen - verschleppt und getötet.

Schatten einer trauernden Frau über Grabtafel mit Reihen von Inschriften (Foto: dpa/Archiv)
Tausende Opfer, tausende Namen auf den Gräbern von SrebrenicaBild: picture-alliance/ dpa

Die Opposition kritisierte, dass die Deklaration der gesamten serbischen Bevölkerung die Verantwortung an dem Massaker gebe. Die Serben würden wieder als "ewig Schuldige" angeprangert, der "eigene Staat" in den Schmutz gezogen. Die Nationalisten hielten die Berichte über das Blutbad für übertrieben und hätten lieber "alle Verbrechen" der Balkan-Kriege der 90er Jahre in gleichem Maße verurteilt. Sie hatten verlangt, dass auch die serbischen Kriegsopfer Erwähnung finden müssten.

Beginn von Versöhnung und Aufarbeitung?

Für einige Anhänger der Regierungskoalition ging die Entschuldigung indes nicht weit genug. Der Abgeordnete Nenad Canak sagte, die Resolution ebne nur den Weg zu einer Aufarbeitung der jüngsten serbischen Geschichte. Die bislang angesprochenen Themen seien "die Spitze des Eisbergs der Vergangenheit, der wir uns stellen müssen".

Hoffnung auf EU-Perspektive

Portrait Mladic (Archiv)
Auf der Fahndungsliste wegen Kriegsverbrechen im Bosnien-Krieg: Ratko MladicBild: picture alliance / dpa

Die Koalition von Demokraten und Sozialisten hofft, mit dieser Resolution ein deutliches Signal an die Europäische Union und mögliche westliche Investoren gesendet zu haben. In der Srebrenica-Resolution versprechen die Belgrader Abgeordneten auch eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal und heben die Bedeutung der Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic hervor. Die EU macht Fortschritte Serbiens im Beitrittsprozess von den Bemühungen bei der Fahndung nach Mladic und der Kooperation mit dem Haager Tribunal abhängig. Serbien hatte im Dezember die Mitgliedschaft in der EU beantragt und hofft auf den baldigen Status eines Beitrittskandidaten.

Autor: Siegfried Scheithauer (apn, afp, rtr)

Redaktion: Martin Schrader