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Senioren stellen berühmte Plattencover nach

Sabine Peschel mab
25. Juli 2020

Eigentlich sollten die Fotos von Robert Speker nur ein wenig Freude in ein britisches Altenheim im Lockdown bringen. Jetzt sind die Bewohner Internetstars. Das löste "wunderbaren Trubel" aus, sagt Speker im DW-Interview.

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Fotoprojekt Sydmar Lodge Care Homes, London | Lily, Madonna
Bild: @robertspeker/Sydmar Lodge

Das "Sydmar Lodge" Altenheim nördlich von London ist eine ruhige Bleibe für die älteren Mitglieder der jüdischen Gemeinde, in der der Holocaust-Gedenktag ebenso im Jahresprogramm steht wie der "Nutella-Tag" und der "Tag der Linkshänder".

Einige der Bewohner haben jetzt für viel Furore gesorgt, indem sie kurzerhand in die Rolle von David Bowie, Madonna oder Adele geschlüpft sind, um ikonische Plattencover nachzustellen. Die Idee zu dem Fotografie-Projekt hatte Robert Speker, der seit fünf Jahren in der Seniorenresidenz arbeitet, und dort für die Gemeinschaftsaktionen verantwortlich ist. Im DW-Interview erzählt er, wie die Zusammenarbeit für das außergewöhnliche Projekt verlaufen ist.  

Deutsche Welle: Herr Speker, was haben die Bewohner gesagt, nachdem ihre nachgestellten Plattencover im Internet viral gegangen sind?

Robert Speker: Es war für uns alle ziemlich bizarr, wir hätten das nie erwartet. Das Projekt war eigentlich nur dazu gedacht, ein bisschen Spaß zu haben und ein wenig Freude mit den Familien der Bewohner sowie mit meiner Familie und meinen Freunden zu teilen. Als es plötzlich zu diesem Schneeballeffekt kam und riesig wurde, haben sich die Bewohner natürlich total gefreut, ihre Bilder in der Zeitung oder im Fernsehen zu sehen.

Greifen Sie für Ihre Aktivitäten mit den Bewohnern häufiger zur Kamera?

Kunstwerke auf Plattencovern

Normalerweise mache ich Fotos und Videos, um den Familienmitgliedern zu zeigen, woran ihre Verwandten so alles teilgenommen haben. Im Lockdown ist das natürlich noch wichtiger geworden, weil die Familien nicht zu Besuch kommen dürfen. Es ist so wichtig, dass sie sehen, dass ihre Familienmitglieder sicher und glücklich sind und weiterhin bei solchen Aktionen mitmachen.

Und warum die Plattencover?

Ich glaube, dass Musik ein Medium ist, das viele Menschen erreichen kann. Und die positiven Effekte von Musik, gerade in einer Umgebung wie einem Altenheim, sind sehr wichtig. Viele der von uns nachgestellten Alben sind ikonisch, und die Bewohner haben die Sänger und deren Musik alle noch miterlebt.

Haben Sie die Alben gehört, während sie die Fotos aufgenommen haben?

Weil wir für das Fotoshooting einiges an Konzentration brauchten, haben wir sie währenddessen nicht laufen lassen. Aber vorher. Ich spiele Klavier, und gerade in der aktuellen Situation bin ich natürlich auch irgendwo ein Entertainer, also habe ich diese Künstler entweder auf dem Klavier gespielt, im Radio oder über die "Amazon Echo"-Box.

Mussten Sie die Bewohner davon überzeugen, mitzumachen?

Die Menschen wollen nicht einfach herumsitzen und nichts tun, weshalb die Mehrheit meinen Vorschlägen gegenüber immer sehr offen ist und gerne an den Aktionen teilnimmt. Mir hat das Projekt die Möglichkeit gegeben, etwas mehr Zeit mit den Bewohnern zu verbringen, von Angesicht zu Angesicht. Und auch zu schauen, dass es ihnen im Lockdown immer noch gut geht. Sie haben ihre Familien schon so lange nicht mehr gesehen. Wenn sie irgendwelche Fragen oder Bitten hatten, war das eine gute Möglichkeit, darüber zu sprechen.

Porträt von Robert Speker, Mitarbeiter der Sydmar Lodge Care Home in London.
Robert Speker inspiriert die Bewohner der "Sydmar Lodge" Altersresidenz zu unterhaltsamen AktivitätenBild: @robertspeker

War das Fotoshooting schwierig?

Das Shooting war erstaunlich einfach, weil ich die Bewohner so gut kenne. Es galt, in der halben, dreiviertel Stunde genau den richtigen Moment zu treffen. Sobald wir zusammengekommen waren, hatten wir die Szenerie vorbereitet und dann genug Bilder gemacht, sodass ich sicher gehen konnte, dass ich das eine Foto im Kasten hatte. Die Bewohner haben das toll gemacht.

War es vielleicht auch eine Möglichkeit für die Bewohner, ihre innere Jugend zu zeigen?

Ganz bestimmt. Wenn Sie die Bewohner fragen: "Wie alt fühlen Sie sich innerlich?", werden Ihnen viele antworten, dass sie sich deutlich jünger fühlen, als sie wirklich sind - so wie es vielen Menschen geht. Sie wollen immer noch alles Mögliche erleben, Dinge tun, die sie früher auch immer getan haben, als sie jünger waren. Vielleicht sogar ein Konzert besuchen.

Wer hat die Alben und die Rollen ausgesucht?

Ich hatte einige Plattencover im Kopf, die ich für passend hielt. Dann habe ich jedem sein oder ihr Cover gezeigt und gesagt: "Das hier wäre ideal für dich." Die meisten haben auf Anhieb gesagt: "Ja, das würde ich gerne machen."

Welches Bild gefiel den Bewohnern am besten?

Die meisten mochten die Bilder der anderen mehr als ihr eigenes. Ich glaube, wenn sie ihre eigenen Bilder sehen, sehen sie sich, wie sie gerade sind. Aber weil sie sich innerlich viel jünger fühlen, macht es mehr Spaß, die anderen zu betrachten.

Haben Sie eine Reaktion von den Originalkünstlern bekommen?

Die Witwe von David Bowie und ihr Sohn haben den Tweet beide geteilt und mit einer liebenswürdigen Nachricht versehen. Es ist eine ehrwürdige Erfahrung, wenn jemand, der David Bowie geliebt hat, glaubt, dass er diese Bilder auch gemocht hätte.

Wie hat das Ergebnis der Aktion die Atmosphäre im Altersheim verändert?

Das ist für uns alle eine neue Situation. Es kommt nicht häufig vor, dass Journalisten oder TV-Reporter uns im Garten besuchen. Das Ganze hat wirklich einen wunderbaren Trubel ausgelöst. Dieses warme Gefühl ist so besonders, gerade während dieses schwierigen Lockdowns.

Warum haben Sie nur zwölf Alben nachgestellt? Es müssen doch mehr Bewohner in der Seniorenresidenz wohnen?

Es sind knapp 50. Der Grund, warum es nur zwölf Bilder wurden, war, dass bei meiner Frau die Wehen einsetzten und unser drittes Kind auf die Welt kam. An dem Tag musste ich nur noch ein paar letzte Aufnahmen für ein Cover machen, und dann rief meine Frau an, dass sie es nicht bis zu dem Krankenhaus, für das wir uns entschieden hatten, schaffen würde. Sie haben dann einen Arzt gerufen, und eine Stunde, nachdem ich von der Arbeit losgefahren war, hatte sie ein wunderbares Mädchen zur Welt gebracht.

Ihr Fotoprojekt ist in den Medien auf enorme Resonanz gestoßen. Hat es auch zu vermehrten Spenden geführt?

Ja, dann im Nachhinein. Einige Leute haben die Bilder damit kommentiert, dass sie den Bewohnern gerne etwas zukommen lassen würden. Also haben wir ihnen auf der Spendenplattform "Go-Fund-Me" die Möglichkeit dazu gegeben. Aber weil die Bewohner ziemlich zufrieden sind mit dem, was ihnen hier geboten wird, haben wir uns dazu entschieden, die Spenden an drei Wohltätigkeitsorganisationen unserer Wahl weiterzugeben. Wir sind sehr dankbar dafür.

Was kommt als nächstes? Werden Sie weitere klassische Popalben nachstellen?

Es wollen jetzt immer mehr Bewohner mit dabei sein. Sogar einige Musiker haben ihre eigenen Alben vorgeschlagen. Und auch Menschen außerhalb des Altenheims haben mir erzählt, mit ihren Eltern Plattencover nachstellen zu wollen. Ich glaube, da wird in naher Zukunft noch einiges passieren.

Plattencover humorvoll weitergedacht