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Selbstzensur ist keine Seltenheit

Daniel Scheschkewitz, Washington3. Mai 2004

Die Pressefreiheit ist in den USA unbestritten. In keinem Land der Welt hat der investigative Journalismus derartige Tradition wie in den USA. Und doch muss sich die Pressefreiheit im täglich aufs Neue bewähren.

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Auch eine Form der Zensur:<br> "eingebetteter" Journalist im IrakBild: AP

Kriegszeiten sind schlechte Zeiten für eine freie und kritische Berichterstattung unabhängiger Journalisten. Das gilt auch in einem Land wie den USA, wo die Pressefreiheit zu den selbstverständlich praktizierten Verfassungsrechten gehört.

Beispiel eins: Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Er ist berühmt-berüchtigt für seine Versuche, die journalistische Berichterstattung in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Beim Marsch auf Bagdad vor einem Jahr durften "eingebettete" Journalisten live auf Panzern im Stile John Waynes in den eroberten Irak einreiten. Doch die Kriegsreporter waren handverlesen und in ihrer Berichterstattung den strengen Regeln des Pentagon unterworfen.

Donald Rumsfeld mit Irak Karte Koalitionsflaggen
US-Verteidigungsminister Donald RumsfeldBild: AP

Das Rezept ging auf, der Krieg flimmerte weitgehend unkritisch kommentiert als Spektakel über die Fernsehbildschirme der Nation. Ein Jahr später sind es die Negativmeldungen und Bilder von immer neuen Anschlägen, die auch in Amerika das Bild über die Lage im Irak prägen. Für Donald Rumsfeld immer häufiger ein Grund, die Presse zu schelten: "Nur über die Kritiker und die Übeltäter wird berichtet." Doch so kritisch wie Rumsfeld suggeriert, verhält sich die US-Presse keineswegs immer.

Sublimer Druck

Beispiel zwei: Als Anfang April vier US-Zivilisten in Falludscha massakriert und ihre Leichen von jubelnden Irakern geschändet werden, bringen nur ganz wenige Zeitungen das Bild auf Seite eins, obwohl die Meldung überall der Aufmacher ist. Eine der wenigen Zeitungen, die es wagt, eins der grausamen Bilder auf der Titelseite zu veröffentlichen, die "Chicago Tribune", musste sich von ihren empörten Lesern dafür gehörig schelten lassen. George de Lama, stellvertretender Herausgeber der "Chicago Tribune": "Die meisten Leser waren sehr aufgebracht und der Ansicht, die Meldung an und für sich hätte ausgereicht. (…) aber letztendlich hielten wir es für schlimmer, die Bilder nicht zu zeigen."

Von einer offenen Pressezensur in den USA zu reden wäre Unfug, eher schon kommt ein sublimer Druck zum Tragen, der sich aus dem Spannungsfeld von Leser-Zuschauer-Erwartungen und dem Herausgeberinteresse ergibt. Beispiel drei: Am Freitag letzter Woche (30.4.) wollte der angesehene ABC-Journalist Ted Koppel die Namen aller über 700 im Irak-Krieg gefallenen US-Soldaten auf dem Sender verlesen - doch die Sinclair-Broadcasting-Gruppe, der zahlreiche der örtlichen ABC-Tochterstationen gehören, untersagte die Ausstrahlung des Programms. Begründung: die Sendung sei nicht im Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit.

Tote sind tabu

Für den Journalismus-Veteranen Daniel Schorr, vom öffentlichen Rundfunksender NPR, ist die Unterdrückung solcher Programme kein Zufall. Er sagt: "Ich werde den Verdacht nicht los, dass Präsident Bush, der noch kein einziges Begräbnis eines im Irak gefallenen Soldaten besucht hat, einfach kein Interesse daran hat, dass die Toten eines Krieges Medienaufmerksamkeit erhalten."

Dazu passt auch eine Direktive des Pentagons, die untersagt, dass Bilder von Särgen im Krieg getöteter Soldaten gefilmt oder fotografiert werden dürfen. Als vor kurzem eine Mitarbeiterin einer privaten Fluggesellschaft dennoch ein solches Foto schoss, nur um zu zeigen, wie nett sich die Firma um die Särge kümmere, wurde die Angestellte prompt gefeuert. Ihr Pech war, dass die Redakteure der "Seattle Times" das seltene Foto in ihrer Zeitung veröffentlichten.