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Selbstherrlicher Watschn-Bischof

23. April 2010

Immer wieder sorgte er für Schlagzeilen, schließlich musste Walter Mixa als Bischof von Augsburg zurücktreten. Zu Recht, meinen die Kommentatoren in der deutschen Presse zum "Fall Mixa".

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Bild: picture-alliance/dpa

OSTSEE-ZEITUNG (Rostock): Respekt müsse man vor dem Rücktritt des Augsburger Bischofs Walter Mixa haben, ist von seinen wenigen verbliebenen Verteidigern zu hören. Respekt? Den hätte man vielleicht gehabt, wenn da ein Mann wie Bischof Mixa im Rahmen der losbrechenden Missbrauchs-Diskussion aufgestanden wäre und gesagt hätte: Auch ich habe gefehlt, habe mich einem Zeitgeist nicht widersetzt, der Gewalt gegen Schutzbefohlene als normal erachtet hat. Walter Mixa ist aber nicht aufgestanden. Im Gegenteil: Er wies alle Vorwürfe zurück. Machte die verhassten 68er für jenen Missbrauch verantwortlich, als hätte es so etwas zuvor nie gegeben. Sprach von "Watschn", die für ihn wohl keine Gewalt sind, von kleinen "finanztechnisch unklaren Zuordnungen von Ausstattungsgegenständen", als es um zweckentfremdete Gelder für Waisenheime ging. Kurz: Er gab das Bild eines Bischofs ab, der schlug, log, lavierte und betrog - und bittet nun demütig um Entschuldigung. Wer will, mag ja Mitleid mit dieser "persönlichen Tragödie" haben, die Betroffenen könnten ihrerseits Vergebung gewähren. Anlass für Respektbekundungen ist diese Abdankung jedoch nicht.

STUTTGARTER NACHRICHTEN: Mixa ist kein Bauernopfer. Er ist das Opfer seiner eigenen Selbstherrlichkeit, Uneinsichtigkeit und Verbohrtheit - ein Moralprediger, der als scheinheilig entlarvt wurde und sich selbst frei von Schuld sieht. Dass er zu spät einräumte, als Stadtpfarrer in Schrobenhausen Heimkinder geschlagen zu haben, hat ihn endgültig zu Fall gebracht. Ein Watschn-Bischof, der von der Kanzel gegen den liberalen Zeitgeist wettert, die Öffentlichkeit zu provozieren weiß und seine Bischofskollegen brüskiert, ist untragbar.

AUGSBURGER ALLGEMEINE: Warum musste es so weit kommen? Auch wenn die Gründe vielschichtig scheinen und sich eine kaum noch übersehbare Zahl von ganz unterschiedlichen Vorwürfen mit einem völlig missratenen Krisenmanagement verbindet, kann man an dem einen, eigentlichen Grund dieser Tragödie nicht vorbeisehen: Walter Mixa selbst war für das Amt des Bischofs schlecht gerüstet, er war belastet mit persönlichen Problemen, kam mit einer Reihe früherer Verfehlungen ins Amt, stand sich mit seiner Eitelkeit und anderen menschlichen Schwächen selbst im Weg. Der Aufgabe, Bischof, also Hirte, Leitfigur und Vorbild zu sein, war er nie richtig gewachsen. […]

Das heißt nicht, dass Mixa nicht auch Unrecht getan wurde. So viel Fairness, so viel Differenziertheit muss auch jetzt noch möglich sein: Es gab tatsächlich eine „Kampagne“ bestimmter Medien, es wurden tatsächlich entlastende Informationen unterschlagen und einzelne Vorwürfe in unseriöser Weise aufgebauscht. Und es gab sicher auch die innerkirchlichen Intrigen, also Kreise, die an der Demontage des Bischofs mitwirkten. Aber ausschlaggebend war das alles nicht, auch wenn die Verschwörungstheoretiker es anders erzählen.

DER TAGESSPIEGEL (Berlin): So also sieht ein Misstrauensvotum der Geistlichkeit aus. Was die beiden Erzbischöfe Robert Zollitsch und Reinhard Marx, der eine Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, der andere Chef der bayerischen Bischofskonferenz, ihrem Augsburger Amtsbruder Walter Mixa geraten hatten, klang wie „Scher dich fort“. Nur feiner ausgedrückt: Er sollte „geistliche Einkehr und räumliche Distanz“ suchen. Da musste Mixa doch dem Papst seinen Rücktritt anbieten.

PASSAUER NEUE PRESSE: Für die katholische Kirche in Deutschland kann die Art und Weise, wie sie den Befreiungsschlag im Bistum Augsburg herbeiführte, tatsächlich zum Wendepunkt der gegenwärtigen Vertrauenskrise werden. Zwar steht die Auseinandersetzung mit dem dafür ursächlichen Missbrauchsskandal erst am Anfang, doch zeigt der Umgang mit dem Fall Mixa, wie Aufklärungswille, Opferorientierung und beherztes Handeln den Versuch des Vertuschens und Ignorierens aushebeln können. Nicht nur die Vorsitzenden der deutschen und der bayerischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch und Reinhard Marx, haben hier vorbildlich agiert. Vielmehr war es der gemeinsame Kraftakt von Bischöfen, Priestern und Kirchenvolk, der einen Sieg für die Glaubwürdigkeit der Kirche errang.

EXPRESS (Köln): Ein Problem weniger in der derzeit von Krisen geschütteltenkatholischen Kirche. Aber eben nur ein Problem. Denn Mixa steht stellvertretend für Kirchenfürsten, die immer noch nicht begriffen haben, dass die Kirche sich grundlegend reformieren muss. Verlorengegangenes Vertrauen lässt sich nicht einfach wiedergewinnen, indem man nur Köpfe austauscht. Gläubige sind heute mündige Bürger, die Antworten verlangen und sich nicht mehr mit Dogmen-Keuleneinschüchtern lassen. Demut, Bescheidenheit, Glaubwürdigkeit und Volksnähe waren einst die Attribute, die Jesus Christus auszeichneten und seine Botschaft zu einer Erfolgsgeschichte ohnegleichen machten. Viele seiner heutigen Jünger in den höchsten Machtpositionen der Kirche predigen diese Werte zwar noch, aber leben nicht danach.

FRANKFURTER RUNDSCHAU: Offene Debatten über Streitpunkte sollten in der Kirche ebenso normal sein wie offene Kritik an denen, die sich so stur und selbstherrlich verhalten, wie es Walter Mixa tat. Die Distanzierung sollte ein Exempel sein und allen Bischöfen, die sich für unangreifbar halten, klarmachen: Ihr könnt euch nicht alles erlauben. Nein, die Bischofskonferenz kann keinen Skandal-Hirten absetzen, weil jeder letztlich nur von dem Votum des Papstes abhängig ist. Aber die Erklärung zu Mixa und ihre Folgen zeigen, welche Macht sich entfaltet, wenn die Bischofskollegen den Mantel des Schweigens endlich an den Haken hängen.

WESTDEUTSCHE ZEITUNG (Düsseldorf): Genauso wichtig wird sein, dass die Bischöfe offen mit den Themen Missbrauch und Misshandlung umgehen. Nicht nur die Übergriffe, sondern besonders das Vertuschen hat das Vertrauen in die Kirche nachhaltig erschüttert. Der Fall Mixa lässt hoffen, dass die Bischöfe ihre Wagenburg auf Dauer verlassen haben.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (München): Aber Tatkraft ist nicht die Stärke vieler kirchlicher Würdenträger. Die meisten wollen nicht wahrhaben, dass Zölibat und das Verleugnen von Sexualität ein Klima schaffen, das auch verdruckste und verquere Menschen in den Dienst der Kirche zieht. Und leider stößt dieses Klima auch viele Gläubige ab. Noch immer wollen Kirchenobere nicht einsehen, dass sie selbst Reformen anstoßen müssen: Es sollten Menschen Priester werden, die wissen, wovon sie sprechen, wenn sie Brautleute über das Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten belehren. Die wissen, was es bedeutet, Kinder zu haben und Nächte zu durchwachen und nicht nur die Kindlein im Sonntagsstaat zu segnen. Es reicht nicht, den Bischof, der gelogen hat, zum Rücktritt zu drängen. Viele Menschen, die sich noch etwas von ihrer Kirche erwarten, wollen grundlegende Veränderungen.

DIE TAGESZEITUNG (Berlin): Auch wenn der Vergleich von Walter Mixas Rücktritt als Bischof mit dem von Margot Käßmann als Vorsitzende der Evangelischen Kirche aufgrund ihrer unterschiedlichen Positionen schwierig ist, lässt sich an ihm doch erkennen, wie die katholische Kirche tickt und wo der Fehler im System liegt. Käßmann ist zurückgetreten, weil sie sich selbst nicht mehr als glaubwürdig empfunden hat -unabhängig von ihrer Position. Mixas öffentliche Lüge und der Verweis seines Pressesprechers, die Prügelvorwürfe seien eine Hetzkampagne gegen ihn, machen deutlich, dass die Frage der Glaubwürdigkeit in der katholischen Kirche ganz anders gestellt wird. Nicht die Person ist es, die Glaubwürdigkeit verkörpern soll, sondern es ist die Institution, die um jeden Preis verteidigt werden muss. Und diese hat die Wahrheit für sich gepachtet, per se.

SÄCHSISCHE ZEITUNG (Dresden):

Als vor einigen Wochen die evangelische Ratsvorsitzende Margot Käßmann wegen einer Trunkenheitsfahrt ihr Amt binnen weniger Stunden niederlegte, hätten sich viele gewünscht, sie hätte es nicht getan. Käßmanns Klarheit und Konsequenz haben eine neue Marke gesetzt. Bei Mixa wiegen die Vorwürfe ungleich schwerer. Doch statt mit Demut reagierte Mixa nur mit sturem Trotz. Am Ende war es ein quälender Abgang. Gott sei Dank: Jetzt ist der bayerische Theater-Stadel endlich vorüber.

Redaktion: Julian Mertens