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Kritik an Seehofer

12. Oktober 2010

Die Debatte um Zuwanderung und Integration in Deutschland verliert nicht an Schärfe. Mit seiner Ablehnung von Zuwanderung aus bestimmten Kulturkreisen gießt der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer neues Öl ins Feuer.

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Horst Seehofer (Foto: AP)
Bayerns Ministerpräsident Horst SeehoferBild: AP

Es sei klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer täten mit der Integration, hatte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer am Wochenende in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus" gesagt. "Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen", fügte er hinzu.

Wie zu erwarten, gab es Widerspruch von allen Seiten. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte die Äußerungen Seehofers "völligen Quatsch". Seehofer grenze Menschen aus, die in Deutschland erfolgreiche Arbeit geleistet hätten. "Das ist falsch und Politiker haben eine Verantwortung, der sollte er sich stellen", sagte Wowereit.

"Wo sie herkommen, ist uns egal"

Ähnlich scharfe Kommentare kamen auch von den Grünen. Der Parteivorsitzende Cem Özdemir nannte Seehofers Äußerungen indiskutabel. "Wir werden in Deutschland die Menschen bei der Einreise nicht nach ihrem Herkunftsland sortieren. Wir sortieren die Menschen danach, ob sie sich hier einbringen oder nicht. Wo sie herkommen, ist uns egal." Empörung gab es auch bei den Migrantenverbänden. Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde in Deutschland nannte Seehofers Worte "diffamierend und verletzend". Er erwarte von der Bundeskanzlerin eine eindeutige Distanzierung.

Das Wort 'Integration', zusammengesetzt aus Scrabble-Buchstaben
Muss Integration in Deutschland neu buchstabiert werden?Bild: picture-alliance/dpa

Zustimmung bekam Seehofer besonders aus seiner eigenen Partei. Deren Berliner Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich bekräftigte in einem Interview, Seehofer habe "völlig recht". Seehofer selbst schien sich dessen am Montag (11.10.2010) selbst nicht mehr so sicher. Er habe nie einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber gefordert, sagte er in München. Seine Äußerungen hätten sich lediglich auf die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt bezogen. Die Kanzlerin sah deshalb auch keinen Anlass mehr, sich von Seehofer zu distanzieren. Ihre Sprecherin Sabine Heimbach sagte, Angela Merkel habe am Montagmorgen mit Seehofer telefoniert. Die Bundeskanzlerin habe nicht eigens darauf hingewiesen, dass ihr Menschen aus anderen Kulturkreisen willkommen seien, sagte Heimbach. "Ich denke, dass überhaupt kein Zweifel an dem Willkommensein von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen besteht. Also, dieser Äußerung bedurfte es nicht."

"Seehofer selbst aus einem anderen Kulturkreis"

Aber auch der Koalitionspartner der Union im Bund und in Bayern, die FDP, interpretierte Seehofers Äußerung nicht gerade als Willkommensäußerung. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, erklärte, er habe manchmal den Eindruck, Seehofer komme "selbst aus einem anderen Kulturkreis", und Generalsekretär Christian Lindner fügte hinzu, die Äußerungen Seehofers müssten vor dem Hintergrund der Umfragewerte der CSU interpretiert werden. "Nach meinem Gefühl laben sie weniger mit den Erfordernissen des Arbeitsmarkts zu tun als mit der Positionierung der konservativen Partei." Es sieht so aus, als ob Deutschland eine weitere Woche kontroverser Integrationsdebatten beschert würde.

Ausländischer Anstreicher bei der Arbeit (Foto: picture-alliance)
Es gehe ihm um den Arbeitsmarkt, sagt SeehoferBild: picture-alliance/Sven Simon

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Thomas Grimmer